Im folgenden wird ein Gegenstand wieder aufgenommen, der
seit längerer Zeit in der Kunstwissenschaft keine Teilnahme mehr
gefunden hat, ja der recht eigentlich in Verruf gekommen ist.
in der romantischen Jugendzeit der mittelalterlichen Studien
war das anders. Wieviel Wesens machte man doch damals von an-
geblichen Grundzahlen, Grundmassen, Grundfiguren in der gotischen
Baukunst! Wie witterte man doch überall geheimnisvolle sym-
bolische Beziehungen auf die christliche Mystik oder die Kabbala
oder sonstige Arkana als die tiefste Absicht dieses Baustils! Heute
finden die Lehren der Boisseree, Stieglitz, Heid ei off. Hoffstadt keine
Gläubigen mehr; man nimmt an ihnen höchstens noch ein iitterar-
historisches Interesse und meint ihnen Ehre genug gethan zu haben,
wenn man den von einsichtiger Kritik begleiteten Auszug in
Schnaases „Geschichte der bildenden Künste" (Band IV, Buch VI,
Kapitel 5) gelesen hat. Heute will man im gotischen Bausysteme
nicht geheimnisvolles Hinüberschwanken in einen ausser und über
dem Kunstwerk liegenden fremden Ideenkreis erkennen, sondern
klarste, strengste logische Geschlossenheit.
Hach den Mystikern kamen die Mathematiker. Henszlmann,
Hay, Viollet-le-Duc, Zeising, Pfeiffer haben, freilich jeder in andrer
Weise, einen geometrischen Proportionskanon der Gotik aufzustellen
versucht. Aber auch sie haben auf die Länge nicht zu überzeugen
vermocht. Jedes der vorgeschlagenen Systeme hebt schon die an-
dern auf, und alle zusammen haben das Bedenken gegen sich, dass
sie nicht sowohl der sinnlichen Anschauung zur Stütze dienen, als
sie durch rechnerische Abstraktion ersetzen wollen.
seit längerer Zeit in der Kunstwissenschaft keine Teilnahme mehr
gefunden hat, ja der recht eigentlich in Verruf gekommen ist.
in der romantischen Jugendzeit der mittelalterlichen Studien
war das anders. Wieviel Wesens machte man doch damals von an-
geblichen Grundzahlen, Grundmassen, Grundfiguren in der gotischen
Baukunst! Wie witterte man doch überall geheimnisvolle sym-
bolische Beziehungen auf die christliche Mystik oder die Kabbala
oder sonstige Arkana als die tiefste Absicht dieses Baustils! Heute
finden die Lehren der Boisseree, Stieglitz, Heid ei off. Hoffstadt keine
Gläubigen mehr; man nimmt an ihnen höchstens noch ein iitterar-
historisches Interesse und meint ihnen Ehre genug gethan zu haben,
wenn man den von einsichtiger Kritik begleiteten Auszug in
Schnaases „Geschichte der bildenden Künste" (Band IV, Buch VI,
Kapitel 5) gelesen hat. Heute will man im gotischen Bausysteme
nicht geheimnisvolles Hinüberschwanken in einen ausser und über
dem Kunstwerk liegenden fremden Ideenkreis erkennen, sondern
klarste, strengste logische Geschlossenheit.
Hach den Mystikern kamen die Mathematiker. Henszlmann,
Hay, Viollet-le-Duc, Zeising, Pfeiffer haben, freilich jeder in andrer
Weise, einen geometrischen Proportionskanon der Gotik aufzustellen
versucht. Aber auch sie haben auf die Länge nicht zu überzeugen
vermocht. Jedes der vorgeschlagenen Systeme hebt schon die an-
dern auf, und alle zusammen haben das Bedenken gegen sich, dass
sie nicht sowohl der sinnlichen Anschauung zur Stütze dienen, als
sie durch rechnerische Abstraktion ersetzen wollen.