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Denkmalpflege: Auszug aus d. stenograph. Berichten d. Tages für Denkmalpflege 1900 - 1912 — 1.1910

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II. Grundsätze für die Wiederherstellung der Baudenkmäler (Stilfragen)
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Düsseldorf 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.29654#0075
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Grundsätze für die Wiederherstellung der Baudenkmäler.

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überhaupt nicht bestanden, erst infolge der Freilegung hatte sich das Bedürf-
nis herausgestellt, dort ein Portal zu erbauen. Der Königliche Architekt
Blondel hat den Plan ausgearbeitet und den Grundsätzen seiner Zeit ent-
sprechend hielt er es für richtig, das ihm barbarisch erscheinende Bauwerk
total zu maskieren. Alle Bauten, die er in der Nachbarschaft des Domes
ausgeführt hat, hatten den ausgesprochenen Zweck, das Hauptbauwerk zu
verdecken. Er beschränkte sich nicht darauf, das Portal vor die Westfront
hinzubauen, sondern er hat die ganze Umgebung des Domes, von der Chor-
seite ausgehend, die ganze Längsfront nach dem freien Platz hin, und hier
(demonstrierend) die Seite nach dem Domplatz hin mit Bauwerken verdeckt, die
teils gewöhnliche Privatgebäude sind, teils, wrie das Portal, einen monumentalen
Charakter aufweisen. Wenn es sich nun von selbst verstand, daß bei der
Inangriffnahme einer umfassenden Herstellung des Domes den seiner Zeit
vorgetragenen Grundsätzen entsprechend, wonach Anbauten, die ein Bau-
denkmal verdecken und entstellen, entfernt werden sollen, zunächst mit der
Freilegung der Profanbauten nach der Längsseite hin begonnen wurde, so
wrar es andererseits durchaus nichts weiter als eine Fortsetzung des ange-
fangenen Werkes, daß man diese Tätigkeit auch auf das Portal erstreckt
hat, welches, wie Sie hier sehen, die Architektur des Mittelalters in ganz
rücksichtsloser Weise vollkommen maskierte. Ein Fenster der Westfront,
das früher offen war, wurde zugemauert, eine innere Blendarkatur war mit
Quadern verdeckt, so daß alles nicht etwa irgendwie als organischer Teil
des Baudenkmals, sondern — wie aus den Abbildungen aufs deutlichste
erkennbar — in der Tat als nichts anderes als eine wirkliche Maske sich
darstellte. Es konnten also keine Bedenken bestehen, dieses Portal zu beseitigen,
welches den Dom in seiner ursprünglichen Gestalt entstellte. Man hätte ja
das Werk ganz erhalten können, wenn sich ein Platz gefunden hätte, es ander-
wärts hinzustellen. Es sind auch eifrigste Bemühungen gemacht worden, es
anderwärts hinzubauen; dieselben sind aber daran gescheitert, daß der einzige
Platz, der sich zu einem solchen Wiederaufbau geeignet, von der das Be-
stimmungsrecht ausübenden Stadt für diesen Zweck nicht hergegeben wurde,
und auf diese Weise sah man sich in die unangenehme Lage versetzt, ein
Werk von einer zweifellosen monumentalen Bedeutung zerstören zu müssen.
Das Portal wäre an sich unbedingt der Erhaltung wert gewresen. Es setzte
sich aber hier in einen offenbaren Existenzkonflikt mit dem Dom, den es
ersichtlich erdrücken wollte. Der Dom hat die größere Berechtigung
zu existieren. Infolgedessen mußte es verschwinden. Das war die eine
Frage.
Eine andere Frage, die im vorigen Jahre auch angeregt wurde, die aber
heute nur nebenbei berührt werden soll, ist die, ob man, nachdem das Portal
beseitigt war, die ursprüngliche Architektur, wie sie das Mittelalter geschaffen
hatte, wiederherstellen sollte, also ein Fenster wieder hersteilen, welches bis zur
Sohlbank des Seitenschiffensters reichte, oder ob man ein neues Portal bauen
sollte. Wir wollen diese Frage heute außerhalb der Erörterung lassen. Ich
habe im vorigen Jahre auseinandergesetzt, aus welchen Gründen man dazu
hatte kommen müssen, sich nicht darauf zu beschränken, was ja vom archäo-
logischen Standpunkte in höherem G rade berechtigt gewesen wäre, das Fenster
wieder herzustellen, sondern einen Portalbau neu zu errichten. In aller Kürze
will ich nur erwähnen, daß ausschlaggebend gewesen ist die Rücksicht auf
 
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