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Denkmalpflege: Auszug aus d. stenograph. Berichten d. Tages für Denkmalpflege 1900 - 1912 — 1.1910

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III. Gesetzliche Denkmalpflege
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D. Bauordnung, Baupolizei und Ortsstatute
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Landesbauordnungen und Baupolizei
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https://doi.org/10.11588/diglit.29654#0282

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Bauordnungen, Baupolizei und Ortsstatute.

diesen Satz weg'lassen, denn ich kann mir gut vorstellen, daß ein kleiner Ort
oder eine Stadt auch sehr schön aussehen kann, wenn die Straßen gerade
sind; selbstverständlich gehört dazu, daß derjenige, der den Ort ausbaut,
geschmackvoll baut und eine gesunde Phantasie hat. Ich denke dabei
momentan an einen bei uns im Schwarzwald entstandenen hundertjährigen
Herrnhutersitz, die Gemeinde Königsfeld, die im Sommer sehr besucht wird
von Gästen, auch außerbadischen. Die Straßen sind gerade und führen
gerade hinaus auf den Friedhof; ich kann mir nicht denken, daß das Bild
schöner geworden wäre, wrenn die Straßenlinie eine gebrochene wäre. Selbst-
verständlich kann inan dem auch Fälle gegenüberstellen, in denen das
gebrochene Straßenbild den Vorzug hat. Die Sache ist eben auf die eine
und die andere Weise zu lösen.
Weiterhin ist die Rede von Schindeldächern und Strohdächern, und vorhin
ist beim Herrn Vorredner auch davon die Rede gewesen, daß ein Herr aus
Worpswede ein feuersicheres Strohdach sich hat patentieren lassen. Da
möchte ich mitteilen, daß Versuche damit auch schon in Baden gemacht und
gute Erfolge erzielt sind. Ich kann hier allerdings keine Verantwortung
übernehmen, sondern »relata refero“. Es ist für bestimmte Landesgegenden
ja geradezu empfohlen, daß man vom Schiefer- und insbesondere dem Falz-
ziegeldach wieder abkommt und zur charakteristischen Bauweise des Stroh-
daches, die bestimmten Gegenden heimisch ist, zurückkehrt. Und wenn sich
das Obengesagte bewährt, so bedeutet das ja einen großen Fortschritt; denn
wrnnn ja vielleicht auch auf der einen Seite dem Strohdach nachgesagt werden
muß, daß es nicht besonders feuersicher ist, so findet der Bauersmann doch
andererseits einen Vorteil darin, daß das Strohdach im Winter ganz gehörig
wrarm und im Sommer gehörig kühl hält; ich habe neulich im Unterlande
wfieder ein neu gedecktes Strohdach gesehen, bei dem wir beide, ich und der
Herr, der es neu gedeckt hat, unser helles Piäsier gehabt haben.
Weiterhin ist in der Landesbauverordnung von den Baufluchtlinien die
Rede, und dabei möchte ich auf einen Paragraphen der wüirttembergischen
Landesbauverordnung hinweisen, in dem es ausdrücklich heißt, man solle als
Baufluchtlinie bei Ortsstraßen nicht unbedingt diejenige ansehen, an die
das Haus gestellt wmrden muß, sondern sie solle nur die Grenze bezeichnen,
bis zu der ein Haus herausgerückt werden darf. Es kann wohl dahinter-
gestellt werden, es darf aber nicht davorgestellt werden. Dadurch ist es
möglich, daß in kleinen Orten die staffelförmige Bauwmise wieder auflebt,
daß die Straße sich in der Mitte verbreitert, an anderen Stellen zurücktritt,
daß sich malerische Ecken und Winkel bilden, Dinge, die natürlich nicht
möglich sind, wrnnn die Baulinie nur angibt, auf dieser Linie muß das Haus
stehen; wenn die Häuser wie die Soldaten nebeneinander stehen, so kann das
ein erfreuliches Bild niemals abgeben.
Daß die Landesbauverordnung im übrigen nur die Grundlage sein soll,
auf der weitergebaut wird, hat sie selbst ausdrücklich anerkannt, indem sie
in einem Passus sagt, es wird den einzelnen Gemeinden anempfohlen, auf
Grund dieser Landesbauverordnung ortsstatutarische Bestimmungen zu er-
lassen, behufs Berücksichtigung der Erwerbsverhältnisse, der klimatischen
Verhältnisse, des Terrains usw. Es ist ja in dieser Beziehung bisher wenig
geschehen und man hat in dieser Beziehung noch wenig Erfreuliches gesehen.
Was geschehen ist, ist in einzelnen Orten geschehen auf Grund des Straf-
 
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