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Deri, Max
Die Stilarten der bildenden Kunst: im Wandel von zwei Jahrtausenden — Berlin [u.a.]: Bong, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.52615#0031
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TECHNIK UND KUNST

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kennt man etwa in den viereckigen Deckplatten über
den Säulenköpfen die Bretter, die zum Schutze gegen
das Absplittern der Ränder ursprünglich auf die
Querschnittsflächen jener Baumstämme gelegt wur-
den, die als Säulenstützen dienten; dann mögen die
Kapitelle ursprünglich Blumenschmuck gewesen
sein; in den vertikalen Streifen der oberen Deck-
plattenhälfte findet man die Schalbretter wieder,
die gegen die Wetterfäule vor die Endflächen der
Querbalken genagelt waren; und das Giebeldach
wurde ja sicher zu dem Zwecke erdacht und kon-
struiert, um das Regenwasser zum Ablaufen zu
bringen.
Doch all dies tektonisch Konstruierte und ver-
standesmäßig Zweckgerechte tritt beim künstleri-
schen Erleben völlig zurück. Rein gefühlsmäßig fas-
sen wir die Formen, fragen nach der Seele des
Baues, die er hätte, wenn er lebendig wäre. Und
tun wir das, stellen wir uns mit dem Bau im ganzen:
im tief Angeflachten der Bodenplatte / im Urtüm-
lichen der massigen Säulen / im Abwehrenden
ihrer Wand / im fast Brutalen der überschweren
Last / im dunklen Ernst der flachgieblig niedrig
gestirnten Fassade: so wuchtet tragende Kraft in
fast düster wirkender Zusammengenommenheit. Ein
Riesenakkord, nach Moll getönt. Und da es von
der Gemeinschaft ja gilt, daß sie so baut, wie sie
sich in ihrem Leben fühlt, ihr Lebensgefühl also
in ihrem „Stil“ formal gestaltet, so können wir
 
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