Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deri, Max
Die Stilarten der bildenden Kunst: im Wandel von zwei Jahrtausenden — Berlin [u.a.]: Bong, 1933

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52615#0212
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
206

ROKOKO

Abb. 45;
Sanssouci
Voltaire-
Zimmer

fläche der Wand hinauf, sich mehrend und ver-
mehrend, die prickelnden Reize häufend, je höher
es gelangt. Wirklich und wahrhaft so, wie die Perlen
im Glase von unten her sich einzeln lösen, nach
oben hin zu reicherem Spiele sich vereinen. Wie
zwitschernde Vögel in leichtestem Haften setzt sich
das lockere Geranke auf die schmalen Gesimse,
hängt sich an die Abschläge, füllt zwischeninne in
leichtester Berührung die Fläche; spielt mit den
dünn geschwungenen, tänzerisch bewegten Randfor-
men der Giebel, blüht und gedeiht, duftet im locke-
ren Zusammenhalt der Fügung wie eine lichte Hecke
heller Rosen. Tänzerische Lebensfreude, heitere
Lebenslust, verspieltes, sorgloses, tirilierendes Ge-
haben: das Lebensgefühl, der Stil des Rokoko. —
Voll kann sich dieser Stil erst dann entfalten,
wenn er im Schutze der vier Wände eines nicht zu
großen Zimmers die Sicherheit erhält, daß kein
rauher Sturm, kein zupackender Griff die Leichtig-
keit des Spieles stört. Wie etwa beim Lustschlöß-
chen Sanssouci in Potsdam, das Knobelsdorsf um
das Jahr 1745 im Rokokostile ausgebaut hat.
Eine Fülle gehäufter und doch aufs lockerste
gefügter Kleinaffekte strömt dem Eintretenden ent-
gegen —- ähnlich wie dem, der die Türe zu einer
Vogelstube öffnet, Hunderte von Einzeltönen im
spielend schwirren Durcheinander entgegenzwit-
schern. Ein Kleinfeuer zielender Effekte, eine Töne-
summe perlend aufeinanderfolgender und ineinan-
 
Annotationen