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Deri, Max
Die Stilarten der bildenden Kunst: im Wandel von zwei Jahrtausenden — Berlin [u.a.]: Bong, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.52615#0215
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Plastik

209
Nicht mehr die Orgel, wie im Barock, ist das Lieb-
lingsinstrument der Zeit, sondern die hellen, spitzen,
spielend schwebenden Töne der Flöte; nicht mehr
kirchliche Choräle in rauschender Polyphonie, son-
dern homophone, mit perlenden Koloraturen und
tausend Fioritüren verschnörkelte Melodien werden
gesungen.
Niemals schafft das Material einen Stil. Doch
jeder Stil sucht sich das Material, dessen natur-
hafte Eigenschaften seinem Geiste entgegenkommen.
So entdeckten die Rokokomaler etwa das Pastell,
dessen duftig hauchzarter Strich dem leisesten Spie-
len der Hand folgt. Und so entdeckten die Plastiker
das schmiegsame kostbare Gold und Silber und das
zerbrechlich dünne, das materialhaft süße Porzellan.
Eine Porzellangruppe, Kavalier und Dame, die
um das Jahr 1755 in der Nymphenburger Manu-
faktur — von Bustelli modelliert — entstanden ist,
weist alle Reize des Stiles, die nur irgend plastisch
faßbar sind. In Grazie wieder und in Koketterie,
in Spiel und delikater Zierlichkeit stehen die beiden
Figuren vereinzelt und für sich bewegbar, also ohne
jede Festigung zu einer „Gruppe“ einander gegen-
über. Das Fehlen jeder formal sich schließenden
Beziehung des einen auf das andere, das Hingestellt-
sein und so Stehen, die Möglichkeit des Wechsels
in der Zueinanderordnung, also die Lockerheit der
„Bindung“ zweier, doch zueinander gehörender Fi-
D er i, Die Stilarten 14

Abb. 66:
Nymphen-
burg
Kavalier
und Dame
 
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