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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 17.1996

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Jonas, Wolfgang: Design als systemische Intervention - für ein neues (altes) "postheroisches" Designverständnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.31841#0163

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Abb. 4: Bifurkationskaskaden exemplarisch (GRAHAM / MARVIN 1996: 16)

Design wird trotz vielfältiger Aufgaben ten-
denziell einflußloser. Designer agieren am
rechten Ende der Kaskade (an den äußersten
Spitzen der Zweige, fast in „Echtzeit", d.h.
ohne Reflektionsmöglichkeit), wo die end-
gültigen Produkte und Dienstleistungen
geformt werden; sie sind kaum in den Ent-
wurf zusammenhängender zukünftiger
Nutzungskonzepte / Lebensentwürfe invol-
viert (repräsentiert durch umfangreichere
Äste). Materielle Produkte, besonders im
Bereich Kommunikation, Unterhaltung,
Wissensverarbeitung, etc. werden sekundär,
werden zu flüchtigen Materialisierungen in
den Verhaltens- und Nutzungsmustern der
softwaredominierten Technologien. Z.B.
Laptop-Computer: Er mag perfekt arbeiten,
aber sobald er mich mit der Informations-
umgebung nicht mehr so effizient verbindet,
wie irgendein Konkurenzprodukt (der selben
oder einer anderen Firma), dann übertrage
ich Software und Daten und werfe die veral-
tete Hülle (womit hier die gesamte Hardware
gemeint ist) weg. Der Anteil dieser Objekte,
die zu den „explodierenden" Zweigen der
Bifurkationskaskaden gehören, wird wach-
sen. Und schlimmer noch: Es ist voraussehbar,
daß das Styling dieser regelmäßig wechseln-
den Hüllen zunehmend automatisiert und

unter der Kontrolle von Ingenieuren ablau-
fen wird. Intelligente CAD-Modellierer wer-
den Funktionen unterstützen wie: „Designe
diesen Kasten im Stil Memphis / finn. Funk-
tionalismus / BURG / etc." Vgl. etwa NADIN
(1992). Designer werden sicherlich bei der
Entwicklung der Styling-Algorithmen hilf-
reich sein.

Was sind dann neue Felder für Designer? Die
entscheidenden Aufgaben der Zukunft
(selbstverständlich nicht von Designern allein
zu leisten) scheinen diejenigen des Vorstel-
lens, Erfindens und Entwerfens von realen
und mediatisierten Umgebungen und Kon-
texten zu sein. Projektionen der Arten von
Leben, die wir führen wollen und der Arten
von Gemeinschaften, die wir haben wollen.
Vgl. MITCHELL (1995:5):

„Massive and unstoppable changes are under
way, but we are not passive subjects power-
less to shape our fates. If we understand what
is happening, and if we can conceive and
explore alternative futures, we can find
opportunities to intervene, sometimes to
resist, to organize, to legislate, to plan and
to design."

Das „Mitmischen" in frühen Phasen der Ent-
wicklung, bezogen auf längere Zeithorizonte,
erhöht die Einflußmöglichkeiten, erhöht den

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