Rainer Schönhammer
Vom Umgang mit Dingen
i.
„Umgang mit Dingen" - welchen Dingen?
Einschränkung scheint dringend angezeigt.
- Sachen, die zur persönlichen Habe zählen.
Auch das bleibt ein Kunterbunt von Ding-
arten. Jede, ob nun Kleidung, Mobiliar, Haus-
haltsgeräte, Medien, Fahrzeuge, um nur
einige wichtige zu nennen, ist für sich wie-
derum ein weites Feld.
Gleichwoh! ist es nicht ganz abwegig, nach
grundsätzlichen Gesichtspunkten des Um-
gangs mit dieser Vielfalt von Sachen zu fra-
gen. Und es fehlt ja nicht an Kategori-
sierungen nach übergeordneten funktiona-
len Aspekten der Dinge. Ein gemeinsames
Dach für solche Bemühungen ist die Polari-
tät von instrumenteller und symbolischer Be-
deutung der Dinge.
Ich werde zunächst drei Perspektiven der
Mensch-Ding-Beziehung ansprechen, die be-
stimmte Momente des Symbolischen und des
Instrumentellen akzentuieren 1. Abschließend
möchte ich Thesen, die im Zusammenhang
einer der drei skizzierten Sichtweisen des
Umgangs mit den Dingen formuliert worden
sind, etwas eingehender betrachten.
II.
1. „Die Dinge zeigen wer wir sind -
oder sie sollen das verbergen."
Diese Sicht der Rolle der Dinge ist verbreitet,
ist fester Bestandteil von jedermanns Psycho-
logie. Wenn man zu Besuch in den Wohnun-
gen oder auch den Büros von anderen ist,
macht man sich über die Dinge, auf die man
trifft, ein Bild von den Personen, die sich mit
jenen Sachen umgeben. Noch selbstverständ-
licher gilt das für die Art, in der sich die Leu-
te kleiden. Und auch Automarke oderTypen
des Fahrrads machen keine Ausnahme.
Die Zuoranungen vollziehen sich meist auto-
matisch und kommen oft über vage Impres-
sionen nicht hinaus. Es sei denn, man fühlt
sich aus irgend einem Grund gedrängt, das
entstandene Bild in Worte zu fassen. Etwa,
wenn man sich mit Dritten über die betref-
fende Person verständigt. Ob ausdrücklich
oder auf der Ebene vorsprachlicher Bilder
gleicht man die Ding-Person ab mit sonsti-
gen Eindrücken von betreffenden Menschen
und gelangt so vielleicht zu einer Entschei-
dung im Hinblick auf die Frage wo sich des-
sen „wahres Wesen" nun zeige oder wie es
sich verberge.
Irgendwie überlauert man dabei auch, ob der
Selbstausdruck in den Sachen ein unwillkür-
licher oder ein bewußter sei. Sachen etwa,
die „Design" auf der Stirn tragen, nähren die
Vermutung, daß ihr Besitzer recht aktiv am
Bild seiner Ding-Person arbeitet.
Vom Standpunkt der wissenschaftlichen Psy-
chologie aus ist all das natürlich höchst un-
sauber. Doch dieses Verdikt zielt lediglich auf
die methodische Absicherung des Urteils, dem
Inhalt nach begegnet die Psychologie hier der
Ausweitung einer Sicht, die in der Disziplin
Tradition hat: der Körper als Projektionsfläche
innerpsychischer Zuständlichkeiten.
Die alltägliche Ding-Psychologie weitet die-
se Betrachtungsweise - die Betrachtungswei-
se der „Ausdruckspsychologie" - nur auf die
Habe der Person aus.
Nun hat die Ausdruckspsychologie selbst
einen Haken: Sie faßt die Beziehung von
Psyche und Körper als Einbahnstraße. Vor
hundert Jahren hielt William James (1901)
provokativ dagegen: „Wir weinen nicht, weil
wirtraurig sind, sondern wir sind traurig, weil
wir weinen". Die Wahrheit liegt in diesem Fall
wohl tatsächlich in der Mitte. Etwas paradox
ausgedrückt: Es gibt eine Wechselwirkung
von Psyche und Soma, weil beide letztlich
nicht von einander scheidbar sind. Es kann
jedenfalls nicht bezweifelt werden, und ist
sowohl therapeutisch als auch laborexperi-
mentell nachweisbar, daß das körperliche
Gebaren seinerseits konstitutiv für mentale
Zustände sein kann.
Was das mit dem Thema zu tun hat? - der
Umgang mit Sachen ergänzt nicht nur die
Möglichkeiten der Verkörperung von „Inne
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Vom Umgang mit Dingen
i.
„Umgang mit Dingen" - welchen Dingen?
Einschränkung scheint dringend angezeigt.
- Sachen, die zur persönlichen Habe zählen.
Auch das bleibt ein Kunterbunt von Ding-
arten. Jede, ob nun Kleidung, Mobiliar, Haus-
haltsgeräte, Medien, Fahrzeuge, um nur
einige wichtige zu nennen, ist für sich wie-
derum ein weites Feld.
Gleichwoh! ist es nicht ganz abwegig, nach
grundsätzlichen Gesichtspunkten des Um-
gangs mit dieser Vielfalt von Sachen zu fra-
gen. Und es fehlt ja nicht an Kategori-
sierungen nach übergeordneten funktiona-
len Aspekten der Dinge. Ein gemeinsames
Dach für solche Bemühungen ist die Polari-
tät von instrumenteller und symbolischer Be-
deutung der Dinge.
Ich werde zunächst drei Perspektiven der
Mensch-Ding-Beziehung ansprechen, die be-
stimmte Momente des Symbolischen und des
Instrumentellen akzentuieren 1. Abschließend
möchte ich Thesen, die im Zusammenhang
einer der drei skizzierten Sichtweisen des
Umgangs mit den Dingen formuliert worden
sind, etwas eingehender betrachten.
II.
1. „Die Dinge zeigen wer wir sind -
oder sie sollen das verbergen."
Diese Sicht der Rolle der Dinge ist verbreitet,
ist fester Bestandteil von jedermanns Psycho-
logie. Wenn man zu Besuch in den Wohnun-
gen oder auch den Büros von anderen ist,
macht man sich über die Dinge, auf die man
trifft, ein Bild von den Personen, die sich mit
jenen Sachen umgeben. Noch selbstverständ-
licher gilt das für die Art, in der sich die Leu-
te kleiden. Und auch Automarke oderTypen
des Fahrrads machen keine Ausnahme.
Die Zuoranungen vollziehen sich meist auto-
matisch und kommen oft über vage Impres-
sionen nicht hinaus. Es sei denn, man fühlt
sich aus irgend einem Grund gedrängt, das
entstandene Bild in Worte zu fassen. Etwa,
wenn man sich mit Dritten über die betref-
fende Person verständigt. Ob ausdrücklich
oder auf der Ebene vorsprachlicher Bilder
gleicht man die Ding-Person ab mit sonsti-
gen Eindrücken von betreffenden Menschen
und gelangt so vielleicht zu einer Entschei-
dung im Hinblick auf die Frage wo sich des-
sen „wahres Wesen" nun zeige oder wie es
sich verberge.
Irgendwie überlauert man dabei auch, ob der
Selbstausdruck in den Sachen ein unwillkür-
licher oder ein bewußter sei. Sachen etwa,
die „Design" auf der Stirn tragen, nähren die
Vermutung, daß ihr Besitzer recht aktiv am
Bild seiner Ding-Person arbeitet.
Vom Standpunkt der wissenschaftlichen Psy-
chologie aus ist all das natürlich höchst un-
sauber. Doch dieses Verdikt zielt lediglich auf
die methodische Absicherung des Urteils, dem
Inhalt nach begegnet die Psychologie hier der
Ausweitung einer Sicht, die in der Disziplin
Tradition hat: der Körper als Projektionsfläche
innerpsychischer Zuständlichkeiten.
Die alltägliche Ding-Psychologie weitet die-
se Betrachtungsweise - die Betrachtungswei-
se der „Ausdruckspsychologie" - nur auf die
Habe der Person aus.
Nun hat die Ausdruckspsychologie selbst
einen Haken: Sie faßt die Beziehung von
Psyche und Körper als Einbahnstraße. Vor
hundert Jahren hielt William James (1901)
provokativ dagegen: „Wir weinen nicht, weil
wirtraurig sind, sondern wir sind traurig, weil
wir weinen". Die Wahrheit liegt in diesem Fall
wohl tatsächlich in der Mitte. Etwas paradox
ausgedrückt: Es gibt eine Wechselwirkung
von Psyche und Soma, weil beide letztlich
nicht von einander scheidbar sind. Es kann
jedenfalls nicht bezweifelt werden, und ist
sowohl therapeutisch als auch laborexperi-
mentell nachweisbar, daß das körperliche
Gebaren seinerseits konstitutiv für mentale
Zustände sein kann.
Was das mit dem Thema zu tun hat? - der
Umgang mit Sachen ergänzt nicht nur die
Möglichkeiten der Verkörperung von „Inne
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