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Deutsch, Wolfgang
Die Konstanzer Bildschnitzer der Spätgotik und ihr Verhältnis zu Niklaus Gerhaert (1. Teil): Die Schriftquellen, die Werke — Lindau, Konstanz: Kommissionsverlag Jan Thorbecke, 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.53154#0016
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denen die Tochter Lilo heute mit Günter Horn in Münster/Westfalen ver-
heiratet ist. Der Sohn dagegen ist leider nicht mehr am Leben. Er geriet im
zweiten Weltkrieg als Offizier in russische Kriegsgefangenschaft und kehrte
nicht mehr zurück. Seine Absicht war, Jus zu studieren, und sein geistig so
regsamer Vater, der ja auch Rechtsgeschichte gehört hatte, faßte den kühnen
Plan, wenn der Sohn ins Examen stiege, selber gleichfalls in Jus zu promo-
vieren. Das Schicksal hat es anders gewollt.
In Pforzheim hatte unser Freund Kastner zunächst gute Jahre. Er gab sich
neben dem Unterricht mit Eifer wissenschaftlichen Arbeiten hin, wirkte z. B.
am Deutschen Rechtswörterbuch mit und an den Monumenta Germaniae
Paedagogica. Unter seinen Freunden befand sich der spätere Bundespräsident
Prof. Dr. Theodor Heuss. Politisch stand Kastner bei der Deutschen Demo-
kratischen Partei und war für Pforzheim sogar Vorsitzender. Nachdem sich
dann aber 1933 die braune Flut über Deutschland ergossen hatte, nahm Kast-
ners Publizistik notgedrungen für viele Jahre ein Ende. Der zweite Welt-
krieg raubte ihm den einzigen Sohn, und bei der Bombardierung von Pforz-
heim verlor die Familie Hab und Gut. Im Januar 1945 nahm Prof. Kastner
die Restbestände der beiden Pforzheimer Oberschulen zusammen, da ihre
Schulhäuser vernichtet waren, und zog mit ihnen an den Titisee, dann noch
nach zwei andern badischen Ortschaften, schließlich aber zurück nach Pforz-
heim. Nachdem er eine schwere Krankheit glücklich überstanden hatte, er-
hielt er im September 1945 den Auftrag, das Volksschulwesen im Landkreis
Stockach neu einzurichten.
Endlich aber kam Prof. Kastner wieder auf festen Boden zu stehen. Im
Mai 1946 eröffnete die Stadt Meersburg ein eigenes Progymnasium, in des-
sen Leitung sie den energischen Pädagogen aus Pforzheim berief. Wenn er-
freuliche Berufsarbeit und dazu noch eifrige wissenschaftliche Tätigkeit, die
von den andern richtig geschätzt wird, glücklich machen, so begann für Prof.
Kastner nunmehr noch einmal ein glücklicher Lebensabschnitt. Nicht nur war
er ein vortrefflicher Lehrer und Schulleiter, sondern er gab sich auch alle
Mühe, mit der neuen Heimat vertraut zu werden und sich ihr mit seinem
besonderen Können, der Geschichtskenntnis nützlich zu machen. Unentgelt-
lich übernahm er die Besorgung des Stadtarchivs und fand darin, da ja Meers-
burg von 1526 bis 1802 Residenz des Fürstbischofs von Konstanz gewesen
war, ein überreiches Material zu historischen Forschungen. Drei Dinge waren
es, die ihm neben seinem Progymnasium in Meersburg besonders anzogen:
Die Geschichte und Pflege der alten romantischen Stadt am See, das Leben
des berühmten Freiherrn Joseph von Laßberg, der wie Kastner ein Germanist
war und von 1838 bis 1855 auf dem Alten Schloß zu Meersburg gelebt hatte;
endlich, und zwar nicht wenig, der für die Stadt so wichtige Fremdenverkehr.
Im Jahr 1949 leitete Kastner eine Feier zur Erinnerung an Meersburgs Er-
hebung zur Stadt; der kleine Ort hatte nämlich 650 Jahre früher das Stadt-
recht erhalten. Dann gründete er eine Gesellschaft der Freunde des alten
Meersburg; ihre erste Leistung war die Erhaltung der Schloßmühle mit dem
bekannten riesigen Wasserrad. Sehr am Herzen lag ihm die Wiederherstel-
lung des Neuen Schlosses. Dabei half ihm ein glücklicher Fund: Er entdeckte
 
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