Deutsche Kunst.
267
Man hat in den Anfängen dieser Entwicklung, die etwa
anderthalb Jahrzehnte zurückliegen mögen, nicht ohne Berechtigung
von importirten japanisirenden und anglisirenden Formen ge-
sprochen, aber man hat übersehen, daß die Mode inzwischen zum
Stil geworden ist, d. h. sich akklimatisirt und lokal anbeqnemt
hat. Nachdem man erst einmal eingesehen, daß die Vorzüge des
japanisch-eng-
lischen Mobili-
ars in seiner
Leichtigkeit und
Beweglichkeit
liegen, vollzog
sich die An-
passung an
kontinentale
Bedürfnisse
schnell und
mühelos, vor
Allem durch
das Verdienst
eines Mannes,
dessen feines
Kunstempfin-
den den Weg
von der Rach-
ahmung zur
originalen
Umbildung zu
finden wußte.
„H. Van
de Velde be-
gann seine
Laufbahn als
Maler, und
zwar — selt-
sam genug —
als Jünger
Mittels". Doch
bereits in seinen
Erstlings-
arbeiten zeigen
sich Clemente,
die Mittet
durchaus fremd
sind und auf
den eigent-
lichen van de
Velde Hinwei-
sen. Die Linie
des vlaamen
zeigt da eine
Stilisirung,die
mit der For-
mensprache des
großen Bauern
malers nichts
gemein hat.
Und gerade
diese Stilisi-
rung ist es, in
der der junge
Künstler nach
seinen eigenen
Formen sucht. Eine Reihe von Gemälden folgt. Immer mehr sucht
van de Velde in ihnen seiner Linie gerecht zu werden, oder
besser, immer mehr nimmt diese Linie von van de Velde und seiner
Kunst Besitz. In seinen kunstgewerblichen Arbeiten fand van de
Velde endlich sich selbst. Sanderfon, der ausgezeichnete Binder,
einer der ersten Engländer, die sich das Schurzfell des Handwerkers
umhingen, kam nach Brüssel, um einen seiner kunstsozialistischen
Vorträge zu halten, und fand spontane Sinnesgenossenschaft.
van de Velde wurde der eifrigste Propagandist der englischen
Bewegung. Mit den Gemälden ist es nun vorbei, kaum daß
er noch einen Auftrag für ein Buch oder ein Plakat übernimmt:
aus dem Maler und Zeichner Van de Velde ist der Architekt
und Möbelfabrikant geworden". Mir haben hier, um nicht das-
selbe mit ähn-
lichen Morten
zu sagen, einen
Feuilleton-
Artikel von
Willy Pastorin
der Rational-
Zeitung zitirt
und konnten
das um so
eher, als wir
im Weiteren
von der Auf-
fassung des
Verfassers
durchaus ab
weichen. Wie
van de Velde
zu einer per-
sönlichen Ma-
nier gekommen
ist, wie er sich
in Anlehnung
an englische
Vorbilder eine
bestimmte
Linienführung
angewöhnthat,
mag aus äuße-
ren Ilmständen
im Wesent-
lichen zu er^
klären sein.
Was dann aber
weiter von Re-
miniszenzen
an Gothik und
Rokoko gefa-
belt wird, er-
scheint geeig-
net, das Ver-
ständnis; für
den neuen Stil
anfAbwege zu
führen.
Zunächst ist
an dem Grund-
sätze festzuhal-
ten, daß ein
neuer Stil nie-
mals erfun-
den worden ist.
Die Verdienste
Van develde's
um das mo-
derne Mobiliar
bleiben unge-
schmälert, aber sie beruhen auf dem Ersetzen der Mode gewordenen
Rachbildung durch eine organisch entwickelte Reubildung. Der
st^Ieder Engländer mag zum vergleich herangezogen
werden, für das verständniß unserer Möbelformen ist er be-
deutungslos. Wenn von der Linienführung van de velde's die
Rede ist, so wird unberechtigt ein Begriff auf die Tektonik über-
tragen, der nur in der Zeichenkunst Geltung hat.
I. p. Melchior, Andromeda. (Kollektion Hirt, Abtheilung I, Deutsch Tanagra.)
267
Man hat in den Anfängen dieser Entwicklung, die etwa
anderthalb Jahrzehnte zurückliegen mögen, nicht ohne Berechtigung
von importirten japanisirenden und anglisirenden Formen ge-
sprochen, aber man hat übersehen, daß die Mode inzwischen zum
Stil geworden ist, d. h. sich akklimatisirt und lokal anbeqnemt
hat. Nachdem man erst einmal eingesehen, daß die Vorzüge des
japanisch-eng-
lischen Mobili-
ars in seiner
Leichtigkeit und
Beweglichkeit
liegen, vollzog
sich die An-
passung an
kontinentale
Bedürfnisse
schnell und
mühelos, vor
Allem durch
das Verdienst
eines Mannes,
dessen feines
Kunstempfin-
den den Weg
von der Rach-
ahmung zur
originalen
Umbildung zu
finden wußte.
„H. Van
de Velde be-
gann seine
Laufbahn als
Maler, und
zwar — selt-
sam genug —
als Jünger
Mittels". Doch
bereits in seinen
Erstlings-
arbeiten zeigen
sich Clemente,
die Mittet
durchaus fremd
sind und auf
den eigent-
lichen van de
Velde Hinwei-
sen. Die Linie
des vlaamen
zeigt da eine
Stilisirung,die
mit der For-
mensprache des
großen Bauern
malers nichts
gemein hat.
Und gerade
diese Stilisi-
rung ist es, in
der der junge
Künstler nach
seinen eigenen
Formen sucht. Eine Reihe von Gemälden folgt. Immer mehr sucht
van de Velde in ihnen seiner Linie gerecht zu werden, oder
besser, immer mehr nimmt diese Linie von van de Velde und seiner
Kunst Besitz. In seinen kunstgewerblichen Arbeiten fand van de
Velde endlich sich selbst. Sanderfon, der ausgezeichnete Binder,
einer der ersten Engländer, die sich das Schurzfell des Handwerkers
umhingen, kam nach Brüssel, um einen seiner kunstsozialistischen
Vorträge zu halten, und fand spontane Sinnesgenossenschaft.
van de Velde wurde der eifrigste Propagandist der englischen
Bewegung. Mit den Gemälden ist es nun vorbei, kaum daß
er noch einen Auftrag für ein Buch oder ein Plakat übernimmt:
aus dem Maler und Zeichner Van de Velde ist der Architekt
und Möbelfabrikant geworden". Mir haben hier, um nicht das-
selbe mit ähn-
lichen Morten
zu sagen, einen
Feuilleton-
Artikel von
Willy Pastorin
der Rational-
Zeitung zitirt
und konnten
das um so
eher, als wir
im Weiteren
von der Auf-
fassung des
Verfassers
durchaus ab
weichen. Wie
van de Velde
zu einer per-
sönlichen Ma-
nier gekommen
ist, wie er sich
in Anlehnung
an englische
Vorbilder eine
bestimmte
Linienführung
angewöhnthat,
mag aus äuße-
ren Ilmständen
im Wesent-
lichen zu er^
klären sein.
Was dann aber
weiter von Re-
miniszenzen
an Gothik und
Rokoko gefa-
belt wird, er-
scheint geeig-
net, das Ver-
ständnis; für
den neuen Stil
anfAbwege zu
führen.
Zunächst ist
an dem Grund-
sätze festzuhal-
ten, daß ein
neuer Stil nie-
mals erfun-
den worden ist.
Die Verdienste
Van develde's
um das mo-
derne Mobiliar
bleiben unge-
schmälert, aber sie beruhen auf dem Ersetzen der Mode gewordenen
Rachbildung durch eine organisch entwickelte Reubildung. Der
st^Ieder Engländer mag zum vergleich herangezogen
werden, für das verständniß unserer Möbelformen ist er be-
deutungslos. Wenn von der Linienführung van de velde's die
Rede ist, so wird unberechtigt ein Begriff auf die Tektonik über-
tragen, der nur in der Zeichenkunst Geltung hat.
I. p. Melchior, Andromeda. (Kollektion Hirt, Abtheilung I, Deutsch Tanagra.)