leiht dem Italienischen wiederum eine Leichtigkeit des Reimes, die den
dentschen Äbersetzer beständig in Verlegenheit bringt. Es ergeben sich
also in beiden Fällen Schwierigkeiten eigner Art. Dem literarischen
Abersetzer, der auf die Musik keine Rücksicht zu nehmen braucht, bieten
sich zwei Auswege; er kann versuchen — wenn er ein Meister der Sprache
ist — das Original in Versbau und Reim getreu nachzubilden, und er
kann an die Stelle der fremden Versmaße entsprechende deutsche setzen
und eine freie Rachdichtung schaffen. Wer aber auch noch an die musi-
kalische Diktion gebunden ist, wird in den meisten Fällen — aus Gründen
des Rhythmus' — nur den ersten Weg beschreiten dürfen und auf erleich-
ternde Freiheiten verzichten müssen. tzöchstens in der Anordnung des
Reimes ist ihm eine gewisse Rnabhängigkeit gelassen.
Noch immer sind wir nicht am Ende mit den Forderungen, die an eine
einwandfreie Textübertragung gestellt werden. tzandelt es sich, wie
beim „Don Iuan^, um ein Werk, das ein Iahrhundert und länger auf
allen Bühnen lebt, dessen "dichterischer Inhalt und Charaktere geradezu
volkstümlich geworden sind, so spricht auch noch die Macht der Gewohnheit
mit und schützt gewisse Wendungen und Schlagworte des Textes. Stellen
wie „keine Ruh bei Tag und Racht", „Reich mir die tzand, mein Leben^,
„Treibt der Champagner das Blut erst im Kreise^, „tzorch auf den Klang
der Zither", „tzerr Gouverneur zu Pferde" usw., sind tief ins Volk ge»
drungen und deshalb schwer auszurotten. Sie gehören sozusagen zur
Vorstellung, die wir von dem Werk in uns tragen; man möchte sie gar
nicht mehr missen. Der neue Bearbeiter, der sie pietätvoll schonen und
doch sinngemäß übersetzen soll, befindet sich da nicht selten in einem argen
Dilemma. Zuweilen trifft es sich, daß eine solche Textstelle das Originak
sehr glücklich wiedergibt (zum Beispiel: Rotte e giorno faticar — keine
Ruh bei Tag und Nacht); dann wird man sie selbstverständlich beibehalten.
Zuweilen aber ist das Eingewurzelte unvereinbar mit den Grundsätzen
eines gewissenhaften Abersetzers. Von „Champagner" ist und konnte bei
da Ponte keine Rede sein; die Einladung Don Iuans zum.Gastmahl ist
an ein Standbild und nicht an eine Reiterstatue gerichtet usw. Da heißt
es dann, alles miteinander abwägen und sich möglichst geschickt aus der
Verlegenheit ziehn.
Wie schwer es ist, allen bisher genannten Forderungen gerecht zu
werden, das möge ein Beispiel erläutern. Das berühmte Duett, mit
dem Don Iuan die Zerline verführt, beginnt mit den Worten:
Lä ci darem la mano,
Lä mi dirai di si;
Vedi, non e lontano,
Partiam, ben mio, da qui!
Wörtlich zu deutsch: „Dort werden wir uns die tzand reichen, dort
wirst du mir das Iawort geben; sieh, es ist nicht weit, laß uns, mein
Lieb, von hier gehen". Das „Lä^ weist auf das voraufgehende Rezitativ
zurück, an dessen Schluß es heißt: „Ienes kleine tzäuschen ist mein, wir
werden allein sein, und dort, du meine Freude, werden wir uns heiraten".
Die gebräuchliche Abersetzung von Rochlitz zerstört diese Beziehung mit
den Anfangsworten „Reich mir die tzand, mein Leben!^ und bringt ander»
seits mit der zweiten Zeile „komm auf mein Schloß mit mir" etwas, das
schon im Rezitativ gesagt ist. Von einem „Widerstreben" Zerlinens (dritte
Zeile) ist im Italienischen und in Mozarts Musik noch nicht die Rede.
" 9^
dentschen Äbersetzer beständig in Verlegenheit bringt. Es ergeben sich
also in beiden Fällen Schwierigkeiten eigner Art. Dem literarischen
Abersetzer, der auf die Musik keine Rücksicht zu nehmen braucht, bieten
sich zwei Auswege; er kann versuchen — wenn er ein Meister der Sprache
ist — das Original in Versbau und Reim getreu nachzubilden, und er
kann an die Stelle der fremden Versmaße entsprechende deutsche setzen
und eine freie Rachdichtung schaffen. Wer aber auch noch an die musi-
kalische Diktion gebunden ist, wird in den meisten Fällen — aus Gründen
des Rhythmus' — nur den ersten Weg beschreiten dürfen und auf erleich-
ternde Freiheiten verzichten müssen. tzöchstens in der Anordnung des
Reimes ist ihm eine gewisse Rnabhängigkeit gelassen.
Noch immer sind wir nicht am Ende mit den Forderungen, die an eine
einwandfreie Textübertragung gestellt werden. tzandelt es sich, wie
beim „Don Iuan^, um ein Werk, das ein Iahrhundert und länger auf
allen Bühnen lebt, dessen "dichterischer Inhalt und Charaktere geradezu
volkstümlich geworden sind, so spricht auch noch die Macht der Gewohnheit
mit und schützt gewisse Wendungen und Schlagworte des Textes. Stellen
wie „keine Ruh bei Tag und Racht", „Reich mir die tzand, mein Leben^,
„Treibt der Champagner das Blut erst im Kreise^, „tzorch auf den Klang
der Zither", „tzerr Gouverneur zu Pferde" usw., sind tief ins Volk ge»
drungen und deshalb schwer auszurotten. Sie gehören sozusagen zur
Vorstellung, die wir von dem Werk in uns tragen; man möchte sie gar
nicht mehr missen. Der neue Bearbeiter, der sie pietätvoll schonen und
doch sinngemäß übersetzen soll, befindet sich da nicht selten in einem argen
Dilemma. Zuweilen trifft es sich, daß eine solche Textstelle das Originak
sehr glücklich wiedergibt (zum Beispiel: Rotte e giorno faticar — keine
Ruh bei Tag und Nacht); dann wird man sie selbstverständlich beibehalten.
Zuweilen aber ist das Eingewurzelte unvereinbar mit den Grundsätzen
eines gewissenhaften Abersetzers. Von „Champagner" ist und konnte bei
da Ponte keine Rede sein; die Einladung Don Iuans zum.Gastmahl ist
an ein Standbild und nicht an eine Reiterstatue gerichtet usw. Da heißt
es dann, alles miteinander abwägen und sich möglichst geschickt aus der
Verlegenheit ziehn.
Wie schwer es ist, allen bisher genannten Forderungen gerecht zu
werden, das möge ein Beispiel erläutern. Das berühmte Duett, mit
dem Don Iuan die Zerline verführt, beginnt mit den Worten:
Lä ci darem la mano,
Lä mi dirai di si;
Vedi, non e lontano,
Partiam, ben mio, da qui!
Wörtlich zu deutsch: „Dort werden wir uns die tzand reichen, dort
wirst du mir das Iawort geben; sieh, es ist nicht weit, laß uns, mein
Lieb, von hier gehen". Das „Lä^ weist auf das voraufgehende Rezitativ
zurück, an dessen Schluß es heißt: „Ienes kleine tzäuschen ist mein, wir
werden allein sein, und dort, du meine Freude, werden wir uns heiraten".
Die gebräuchliche Abersetzung von Rochlitz zerstört diese Beziehung mit
den Anfangsworten „Reich mir die tzand, mein Leben!^ und bringt ander»
seits mit der zweiten Zeile „komm auf mein Schloß mit mir" etwas, das
schon im Rezitativ gesagt ist. Von einem „Widerstreben" Zerlinens (dritte
Zeile) ist im Italienischen und in Mozarts Musik noch nicht die Rede.
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