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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 13 (1. Aprilheft 1916)
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Grupe, Margot: Die Beschäftigung der Verwundeten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0028

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Verkaufsveranstaltungen von Lazarettarbeiten. Die reinsten Beweggründe,
die feinsten — den Lenten oft nnbewußten Gefühle — ftreifen wir ab
von der Sache, wenn fie ein Handel, ein Wettbewerb wird. Ganz ab--
gesehen von der Schadigung vieler Heimarbeiter, der wahnsinnigen Äber-
schwemmung des Marktes mit Lazarettindustrie aller Sorten (denn eine
Trennung von Gut und Schlecht läßt sich meiner Ansicht nach nicht durch-
führen), ift es doch eigentlich nicht das Richtige, Krankenbeschäftigung,
die aus ganz andern Gründen betrieben wird, zu Erwerbszwecken zu ge-
brauchen. Aus dem behaglichen Zeitvertreib, der Friede und Freude ver-
breiten soll, wird ein hastiges Wettrennen, bei dem die am meisten Verwun-
deten ins Hintertreffen kommen. Und Menschen sind unsre guten Feldgrauen
auch uns. Lenkt dauernd die Verdienstmöglichkeit die Gedanken von Ge-
schenken für Weib und Kind ab, so sind sie auch bald vergessen. Der Ver-
dienst wird nicht wie die Geschenke nach Hause geschickt, sondern im Laza-
rett verspielt, verraucht, vertrunken. Wir wissen ja alle, daß nicht die
Familien der Heeresängehörigen, sondern die, die niemand im Felde
haben, am schlechtesten daran sind. Hinter jeder Kriegersfrau mit ihren
Kindern steht mindestens ein Verein mit hilssbereiten HLnden. Sie sollen
und müssen ja so gestellt sein, daß sie vor Not geschützt sind. Aber die
andern sind es nicht immer. In einem großen Berliner Lazarett ver-
diente ein Mann 50 Mark im Monat mit Knüpsarbeiten. Manche
Heimarbeiterin, manche gebildete Frau mit Kindern wäre selig über solche
Gelegenheit. Lin Mann im Lazarett aber, der Frau und Kindern warme
Sachen, Schale, Iacken, Mützen, Haushaltungsgegenstände arbeiten kann,
ohne sie zu bezahlen, gewinnt damit einen Wert für die Familie, der
höher ist, als wenn er Geld für die Arbeit bekäme. Warum sollen wir
ihnen da durchaus einen Verdienst zuwenden, von dessen heilsamer Ver-
wendung wir nicht ganz überzeugt sind? Nirgend ist die Lazarettbeschäf-
tigung eingeführt wordjen, um den Verwundeten Verdienstmöglichkeiten
zu schaffen, sondern überall ist es nur zu den Verkäufen gekommen, weil
neues Material beschafst werden mußte. Da der Verkauf eine Folge-
erscheinung ist und nicht der Hauptzweck, muß man sich aus das gründ-
lichste fragen, ob man die ersten ethischen und idealen Zwecke nicht ganz
verwischt, wenn allmählich die Folgeerscheinung zum Hauptzweck wird.

Von vielen Skellen wird hierauf geantwortet werden, daß es aus
andre Weise nicht möglich ist, die Materialkosten zu decken. Wenn ich
trotzdem aus meiäen Ersahrungen heraus dagegen spreche, so geschieht
es nicht, um das Bestehende, teilweis vorzüglich organisierte zu ver«
wersen, sondern mehr, um vor einer gar zu weitgehenden Ausdehnung des
Verkaufsbetriebes zu warnen. Gerade in den Großstädten sind Waren-
häuser und große Geschäste immer willig bereit, „dem wohltätigen Zweck
zu dienen" und nehmen mit der besten Absicht alles zum Verkauf, was
ihnen als Verwundetenarbeit gebracht wird. Da geht dann der große
Haufe von Kitsch und Schund mit dem kleinen von guten und brauchbaren
Dingen (sie sind natürlich in der Minderzahl) zusammen in die Welt.
And diese Welt wird durchsetzt und durchseucht von all dem Schund und
bewahrt ihn andachtsvoll als Erinnerung an große Zeiten. And im
Lazarett wird das gearbeitet, was am schnellsten geht und am meisten
gekauft wird. Von einer persönlichen Note, eigenen Gedanken ist nichts
mehr da; probiert, gebastelt, sinniert wird nicht mehr. Nach bewährtem
Rezept wird die Dutzendware hergestellt. Bargeld lacht. Es hilft nicht

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