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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 14 (2. Aprilheft 1916)
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Corbach, Otto: Kriegssteuern
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0093

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bezahlen lassen können, und die Mehrwerte, die aus solche Weise dem
deutschen Volksverrnögen zuwachsen, können den Krieg sehr rasch für das
deutsche Volk oder einen Teil davon in buchstäblichem Sinne „bezahlt"
machen. Nur übersteigt es das Vermögen des besten Rechenkünstlers,
diesem Vorgang zifsernmäßig beizukommen. Noch viel weniger läßt sich
der materielle Nntzen rechnungsmäßig bestimmen, der einem Volke aus
seelischen Veränderungen entstehen mag, die aus dem Kriege stammen.

Die erste Forderung an Kriegssteuern ist gewiß die: daß sie die produk-
tiven Kräfte des Wirtschaftslebens so wenig wie möglich belasten. Der
nationale Wirtschaftsorganismus soll nach dem Kriege unter erschwerten
Bedingungen das im Kriege Verlorene wiedergewinnen und dann den
nationalen Wohlstand womöglich über den Stand vor dem Kriege hinaus-
heben. Das wird er um so besser vermögen, je sreier er sich regen und be-
wegen kann. Schlechte Steuern sind unter diesen Nmständen vor allem Ver-
kehrssteuern. Ein weitblickender Staatsmann würde als Steuerpolitiker nach
einem verlustreichen Kriege den Verkehr des eigenen Landes eher zu ver-
billigen als zu verteuern suchen. Wie wohlseil reist, schreibt und telephoniert
man in Amerika und wie teuer bei uns! Nach dem Kriege werden sich auf
allen Weltmärkten Deutschland und Amerika als die beiden stärksten Wett-
bewerber gegenüberstehen, und nun will uns Helfferich Brief-, Fernsprech- und
Geldverkehr noch verteuern? Ia, der Eisenbahnminister von Breitenbach
erklärte jüngst im preußischen Abgeordnetenhause, wir werden auch um
Steuern, die Personenverkehr auf den Eisenbahnen belasten, „nicht herum-
kommen"? Das schlechte englische Beispiel kann verkehrsfeindliche Steuern
bei uns nicht entschuldigen. England ist ein alterndes Staatswesen; es
will nach dem Kriege weniger neue Märkte erobern, als alte behaupten.

Wenn von „produktiven Kräften" die Rede ist, die vor neuen Steuer-
lasten bewahrt werden müßten, so denkt man dabei in der Regel noch in
erster Linie an Vermögen und Einkommen der „Besitzenden". Immer
wieder wird auch jetzt betont, daß direkte Steuern nur insoweit zur Deckung
der Kriegskosten herangezogen werden dürften, wie dadurch der „Kapital-
bildungsprozeß" nicht gehemmt werde. Mir scheint diese Furcht vor einer
Hemmung des „Kapitalbildungsprozesses" sehr kleinmütig. Man überlege:
500 Millionen Mark sollen die neuen Steuern einbringen, aber die Kriegs-
kredite, die vom Reichstag bisher für die gewaltigen Ausgaben bewilligt
wurden, bedingen schon einen Zinsendienst von zwei Milliarden Mark.
Wer mit offenen Augen um sich sieht, muß auf Schritt und Tritt wahr-
nehmen, wie der Krieg eine gemeinschädliche Zusammenballung von Kauf-
und Anlagekräften an wenigen Stellen begünstigt. Nnd zwar nicht nnr
in den eigentlichen Kriegsindustrien. Es wird nach dem Kriege nicht mehr,
sondern weniger Vieh bei uns geben als vorher, trotzdem oder gerade weil
riesig viel Geld in die Taschen von Viehzüchtern, Viehhändlern, Großschläch-
tern, Konservenfabrikanten geflossen ist. Hier wie anderwärts bedeutet der
durch die Kriegsverhältnisse hervorgerufene „Kapitalbildungsprozeß" einen
Vampyr an der Produktion. Wo liegt der Nntzen für die Volksgesamtheit,
wenn Bierbrauereien, von der Kriegskonjunktur begünstigt, erheblich mehr
Dividende ausschütten konnten als im Frieden? Auch den Bergwerksgesell-
schaften sind die Preissteigerungsmöglichkeiten, die die Verwirrung der
Marktverhältnisse im Kriege mit sich brachten, sehr zu statten gekommen.
Die Ilse-Bergbau-Aktiengesellschaft erzielte im Iahre Wö einen Rohgewinn
von js,5 Millionen Mark. Nach Abzug der (reichlichen) Ausgaben und der

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