Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft 1916)
DOI Artikel:
Corbach, Otto: Kriegssteuern
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0094

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Abschreibungen von 3,9 Millionen Mark verblieb ein Reingewinn von
^,2 Millionen Mark, gegen 3,6 Millionen im Iahre daraus konnten
26 v. H. Dividende auf die Stammaktien verteilt werden. Glaubt jemand,
daß solcher „Kapitalbildungsprozeß" in Industrien, die längst keines neuen
Anlagekapitals mehr bedürfen, nach dem Kriege günstig auf den gesamten
Wirtschaftsorganismus wirken werde? Im Gegenteil: einer Vertrustung
nach amerikanischem Vorbilde wird dadurch Vorschub geleistet werden. Wohin
die im Kriege zusammengerafsten Gewinne sich vorzugsweise wenden, das be--
weisen die rasch ansteigenden Preise von Rittergütern und Iagdgebieten.

Man kann die Kriegsgewinnsteuer viel ergiebiger gestalten als sie in
Gestalt der Regierungsvorlage zu werden verspricht, und man kann außer
dieser einmaligen Abgabe gleich eine dauernde allgemeine Besitzbelastung
einführen, ohne irgendwie die produktiven Kräfte in unserm Wirtschastsleben
empfindlich anzutasten. Man braucht nur den ernsten Willen zu hegen, das
Vermögen erst von der Grenze an zu belasten, wo es angesangen hat, mehr
Güter zu verwüsten als zu schaffen. Nun sollen die Bundesstaaten und
die Gemeinden die Quellen der direkten Steuern schon so sehr in Anspruch
nehmen, daß das Reich sich unbedingt mit indirekten Steuern behelfen
müßte. Als ob das Reich wirklich nach dem Kriege seine Bedürfnisse durch
indirekte Steuern befriedigen könnte, nachdem es in solchem Bestreben
jetzt schon auf so bedenkliche Versuche wie eine Lrhöhung der Postgebühren
und des Frachturkundenstempels, oder den Quittungsstempel versallen mußte!
Wenn aber eine allgemeine dauernde Besitzbelastung durch das Reich
unvermeidlich ist, warum macht man mit ihr jetzt nicht den Anfang?

Unter allen Regierungsvorschlägen außer der Kriegsgewinnsteuer kann
man sich nur mit der Tabaksteuervorlage gut abfinden. Grundsätzlich ist
nichts Stichhaltiges gegen neue Verbrauchsbelastungen zu sagen, wenn sie
Besitzbelastungen nicht ersetzen, sondern nur ergänzen sollen. Wie aber
derjenige Besitz in erster Reihe belastet werden soll, mit dem der Besitzende
Luxusbedürfnisse besriedigt, so auch die Verbrauchsgegenstände, die dem
Genuß, statt dem notwendigen Bedarf dienen. Der beste NLHrboden für
Steuern, die das Wirtschaftsleben nicht stören sollen, ist die Genußsucht in
weitestem Sinne. Wir gaben bisher jährlich für Bier N/s Milliarden
Mark aus, d. h. etwa soviel wie für Brotgetreide. An Weinen und Schaum-
weinen wurden 7^0 Millionen Mark, am Branntwein 760 Millionen,
zusammen also sVs Milliarde vertrunken. Zusammen verbrauchten wir
also sür alkoholische Getränke H Milliarden Mark, d. h. soviel wie für
sämtliche Steuerzahlungen an Reich, Bundesstaaten und Gemeinden. In
Tabaksqualm ging bei uns bisher jährlich eine Milliarde Mark aus.
Der Genuß von Alkohol und Nikotin verschlang also zusammen jährlich
5 Milliarden. Eigentlich sollten Trinker und Raucher ihre Genüsse so weit
zähmen können, daß sie davon künftig lieber eine Milliarde dem Reiche
zukommen ließen. Aber die Gewohnheitstrinker und -Raucher dürften,
wie wir Menschen sind, lieber auf einen Teil des Täglichen Brotes als auf
einen Teil ihres täglichen Gistverbrauches verzichten.

„Die wahre Quelle der Steuern", heißt es bei L. vonStein, „liegt in der
reproduktiven Krast ihrer Verwendung." Das entscheidet letzten Endes
über die innere Berechtigung einer Steuer: ob der Staat von der Kauf-
kraft, die er sich von einem bestimmten Kreis seiner Bürger übertragen läßt,
einen vernünftigeren Verbrauch zu machen versteht, als dieser Kreis. sm^

Otto Corbach

66
 
Annotationen