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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 14 (2. Aprilheft 1916)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0098

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Ls ist schade, daß der Verfasser
dieser Sätze sich nicht genauer aus»
spricht. Wer sind diese „man", die
etwas „oft" tun? Ich bekenne, daß
mir nicht viele solche Ungerechte be-
kannt sind. Der Dürerbund-Rat-
geber gehört jedenfalls nicht zu
ihnen. Das behaupte ich nicht nur,
sondern ich beweise es. In den
nicht ausdrücklich als „katholische
Literatur" bezeichneten Teilen dieses
Ratgebers finden sich folgende ka-
tholische Schriftsteller: Weber, Fr.
Bram, Federer, E. v. Handel-Maz-
zetti, M. Herbert, Is. Kaiser, P.
Keller, N. Lambrecht, I. v. Stach
und eine Reihe von Ausländern.
Hier sind also die Katholiken ganz
so behandelt wie alle anderen Deut-
schen. Bringt man dazu als Er-
gänzung, nicht als Seitenkam-
mer, einen von katholischer Seite
stammenden Bericht, so kann wohl
nicht gemeint sein, daß dieser das
„herabsetzen" solle, was sogar von
den Nichtkatholiken anerkannt wird.
Diese Ergänzung aber ist notwen-
d i g. Sie ist wie solgt im Literari-
schen Ratgeber selbst begründet:

„Die folgenden Ratschläge er-
gänzen lediglich unsre sonstigen lite-
rarischen Abteilungen für katho-
lische Leser, wir teilen sie mit,
um die etwaige Befangen-
heit nicht katholischer Be-
urteiler durch das Anhören
der Katholiken selbst zu kon-
trollieren,- sie stammen also von
einem Katholiken; daß es dabei nicht
auf eine Absonderung der Katholiken
abgesehen ist, ergibt sich schon
daraus, daß eine ganze Reihe von
Namen dieser Abteilung auch in den
andern genannt werden. Nnmög-
lich erscheint es uns jedoch, aus all-
gemein psychologischen Gründen, die
schöne Literatur »einsach und schlecht«
hin nach ihrem literarischen Wert
und ganz unabhängig davon« zu be-
urteilen, ob man diese Werke in-
haltlich so hoch schätzen kann wie

die Katholiken: also ein sogenanntes
»rein-ästhetisches« Urteil. Ein nor-
maler katholischer oder nichtkatholi-
scher Leser würde überdies für einen
solchen Asthetenstandpunkt kaum Ver-
ständnis haben. Eine Dichtung ist
nun einmal nicht nur ein formales
Kunststück und die Widerspiegelung
irgendeines Inhalts, sondern auch
die Abertragung irgendeiner Per-
sönlichkeit auf den Leser, einer
Persönlichkeit, die als solche natür-
lich eine besondere Weltanschauung
und Lebensanschauung vertritt; beide
Faktoren vom Nrteil völlig auszu-
schließen erschiene ungerecht und
letztlich auch menschenunmöglich. Ist
das richtig, so leuchtet ein, daß ein
Leser einem Dichter von gleichge-
stimmter Welt- und Lebensanschau-
ung in sehr vielen Fällen leichter
folgen, daß mit seinem Fühlen auch
seine Phantasie leichter auf die Bah-
nen des Weltanschauungs-Genossen
einlenken und daß er also seine
Werte eher und stärker erkennen
wird. Auch nichtkatholischen Lesern,
so denken wir, wird darum diese
Ergänzung willkommen sein, zumal
die Literatur ja als Quelle zum
Kennenlernen des Katholizismus
überhaupt und jenes Katholizismus
im besonderen, wie er heute unsere
lebendige Mitmenschheit anderer
Konfessionen bewegt, nicht unwesent-
lich in Betracht kommt."

Ist das nicht eigentlich klar ge-
nug? Aus genau der gleichen
Lmpsindung, die den Mitarbeiter
der Kölnischen Volkszeitung bewegt,
aus der Abneigung gegen das Vor-
walten eines rein Lsthetischen Ge-
sichtpunktes, erklärt sich das Vor-
gehen des Ratgebers. Worauf also
gründen sich die Vorwürfe?

Ich will hier ein persönliches
Wort wagen. Die katholische Lite-
ratur hat allerdings, wie ich vor
drei Iahren schrieb und wie die Köl-
nische Volkszeitung zitiert, die ehe-
mals so strengen Grenzen zwischen

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