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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 16 (2. Maiheft 1916)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0213

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<es ihnen unter der englischen Herr-
schaft ging.

Antwort: man vergleiche geschicht-
lich, statistisch und soziologisch das
Schicksal der Polen und der Elsässer
mit dem der Iren. Ienen ging es
gut, diesen schlecht.

Aber was sind in der Welt Tat-
sachen? Die sind zwar, aber sie
gelten nicht. Was gilt, sind Mei-
nungen. Denn vorgedachte und vor-
geredete Meinungen einfach weiter-
zubehalten, ist ja so sehr viel be-
quemer, als sie nachzuprüfen.

Ein Neichsamt für Frarrem
dibnstpflicht?

^.,er Gedanke an eine allgemeine

'Dienstpslicht unsrer Frauen, schon
über ein Iahrhundert lang bald hier,
bald da erörtert, wurde durch die Lr-
fahrungen der Kriegszeit neu belebt.
Zahlreiche selbständige Schriftchen
und gegen dreihundert Zeitschriften-
und Zeitungsbeiträge suchen ihn zu
erörtern, und der Gsö in Breslau
gegründete „Bund für Frauen-
dienstpflicht^ arbeitet für ihn. Die
meisten halten die Frauendienstpflicht
für unmöglich, weil sie bei einer
Schar von rund 650 000 MLdchen
eines Iahrganges zu hohe Kosten
verursachen würoe. Mancherlei
Pläne tauchten auf, wie die Un-
kosten bestritten werden könnten,- vor
allem suchte man nach neuen
Steuern, namentlich nach Steuern
sür Ledige und kinderlose Familien.
Daß damit nur geringe Geldmittel
aufgebracht werden können, zumal
die Ledigensteuer bereits von einigen
Gemeinden für andre Zwecke erhoben
wird, liegt klar.

Betrachtet man die Frage der
weiblichen Ausbildungspflicht ent-
wicklungsgeschichtlich nach ihren
Zielen, so kommt man zu einer ein-
facheren Lösung: sie soll vor allem
hauswirtschaftliche Schulung in vol-
lem Umfange, Gesundheitspflege und
Mutterkunde und schließlich eine

Linführung in soziales Denken und
Fühlen, soweit es bei den jungen
Mädchen möglich ist, bieten. Durch
eine solche Ausbildungspflicht wer-
den aber die Anstalten und Ein-
richtungen, die sich sür die Erziehung
der Mädchen eins dieser Ziele ge-
steckt hatten, entweder in ihrer Wir-
kung überflüssig oder wesentlich be-
schränkt: was einzelne Mädchen
srüher in ihnen lernen wollten, das
fällt jetzt mit unter die allgemeine
Ausbildungspflicht. Solche Anstal-
ten können also in die Ausbildungs-
einrichtungen der weiblichen Dienst-
pflicht einbezogen werden, sie kön-
nen mit einigen Anderungen der
Durchführung der Frauendienst«
pflicht dienen. Ie größer ihre Zahl,
um so weniger neue Einrichtungen
brauchen wir zu trefsen, um so gerin-
ger werden auch die Unkosten für
eine Durchsührung der weiblichen
Dienstpflicht. Unsre Frauenschulen,
die Haushaltungs- und hauswirt-
schaftlichen Mädchenfortbildungs-
schulen, manche unsrer Töchterheime,
der Kochunterricht in den Volksschu-
len, Wanderhaushaltungskurse und
sonstige Veranstaltungen würden die
Durchführung einer weiblichen Aus-
bildungspslicht, soweit die Kosten in
Betracht kommen, möglich machen.

Aber selbst genauen Kennern die-
ser Verhältnisse wird es sehr schwer,
Zahl und Umfang dieser Hilfsmittel
zu berechnen, weil unsre Schulstatistik,
sowohl die des Reiches als auch die
der Einzelstaaten, darüber nur un-
genügende Angaben enthält. Will
man also eine weibliche Ausbil-
dungspslicht in Anlehnung an be-
stehende Verhältnisse durchführen,
so müßten wir die fehlenden An-
gaben an irgendeiner Stelle sam-
meln. Keine unsrer bestehenden Be-
hörden aber kann diese Arbeit über-
nehmen, weil sie selbst in ihrem bis-
herigen Gebiet genügend zu tun
haben und weil die Frauendienst-
pflicht als ein ungeheuer umfang-

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