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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

DOI issue:
Heft 17 (1. Juniheft 1916)
DOI article:
Niebergall, Friedrich: Wiedergeburt: zu den Pfingsten 1916
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0230

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ernpfindungen die Richtung auf alles einschlagen, was gut und heilig ist.
Wie der Instinkt der Selbsterhaltung im leiblich-geistigen Leben sofort
auf jeden Reiz unmittelbar richtig antwortet, so sollte das mit der Wieder-
geburt gepflanzte Leben sofort geradezu triebartig des rechten Weges nicht
verfehlen. Damit ist etwas gegeben, das tief unter allem Nachdenken mit
dem Für und Wider der Beweisgründe steckt; es ist wirklich die irratio-
nale Kraft eines höhern Lebens, das wie die des animalischen mehr instinkt-
artig sichere Weisheit in sich birgt, als wir mit unserm nachgeschaffenen
Intellekt aufbringen könnten. Solches unmittelbare Leben aber läßt sich
nicht machen, wenn auch als Niederschlag von oft wiedercholtem Handeln
in diesem Sinne im Geiste Spuren davon zurückbleiben mögen, die spate-
res Handeln derselben Art erleichtern. Zuletzt bleibt solches neues Leben
eine Schöpfung wie das animalische auch. Wie dieses wird es von gleichem
Leben gezeugt, dem schöpferischen Willen wesentlich gleich, aber doch immer
in der ganzen unberechenbaren Wunderfülle der besondern Eigenart, wie
sie das Geheimnis der Schöpfung in allen ihren Reichen bildet. So be-
zeichnet die Wiedergeburt, wie den Anfang der einfachsten Regungen des
höhern Lebens, so auch seinen Ursprung aus einem andern vorangehenden
Willen; doch nicht ohne daß ein Keim gegeben sein müßte, der von 'ihm
den Anstoß zur Entfaltung des Lebens empfinge. Wiedergeburt beruht
tatsächlich, weil es sich um Sein handelt, und Sein nicht gemacht wird,
nicht auf einer Tat, sondern auf einem starken, tiefeingreifenden Erleben.

Nun klärt sich schon manches: die zeugende Kraft ist der Geist. Mag
man ihn mit der biblischen Bildersprache von oben her ableiten oder mit
der mystischen Sprache Werte und Kräste unten oder innen suchen; er
tritt hervor als eine Kraft, die schöpferisch wirken muß, wenn ein Keim
zu höherem Leben in der Seele gesetzt ist. Damit wird aber auch offenbar,
daß jene Begeisterung biblisch gesprochen von unten her, mystisch gesprochen
von außen her ist. Enthusiasmus gehört dem Reich der Sinnlichkeit an
und schafft nichts als Wellenschlag und Schaum auf der Oberfläche. Nnd
noch mehr: auch die größten Ereignisse können an sich nicht mehr wirken
als die halbsinnlichen Suggestionen, die von einzelnen erregend auf die
Masse überspringen. Kriegsausbruch und Krieg haben an sich gar keinen
schöpserischen Wert. Sie sind nur Erreger mit starken Reizen, aber ohne
schöpferische Kraft, so wenig der Pflug, der den Acker durchfurcht, Samen
schafsen kann; er kann nur alles um und um werfen, damit was drunten
von Keimen liegt, emporwachse, oder damit sich der Acker öffne für den
Samen, den die Hand des Säemanns hineinwirft. So erkennen wir die
großen Ereignisse, deren Zeugen wir waren, als die Bahnbrecher des Geistes
in die Seele hinein. Krieg und Geist — die Werkzeuge des Weltenwillens,
der neues Leben schaffen will, der Krieg unfruchtbar ohne den Geist, der
Geist erstickend oder verwelkend ohne den Pflug, der ihm den Eingang in
die Tiefe bahnt, wo er wachsen kann. Krieg und Geist — wer sie in ihrer
innerlich notwendigen Zusammengehörigkeit erkannt hat, der hat einen
ahnenden Blick in die Tiefe der Welt getan, wo Wirklichkeit des Seins
und Geschehens und die Fülle der Werte darauf warten, einander genähert
und miteinander verbunden zu werden.

G
 
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