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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

DOI Heft:
Heft 17 (1. Juniheft 1916)
DOI Artikel:
Niebergall, Friedrich: Wiedergeburt: zu den Pfingsten 1916
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0232

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geworden und das Auge tiefer; immer freilich wird sich das Wort be-
währen, daß nur dem gegeben wird, der hat, und dem, der nicht hat, ge-
nommen wird, weil ja der Krieg nichts schafft, sondern nur der Anlaß, ist,
daß sich entfalte, was im Menschen war, oder daß in ihn hineindringt, wozu
er bereitet ist. Und oft genug sindet man, daß ernster Sinn für das Ganze
alleBegeisterungüberdauert und sestbleibt allenEnttäuschungen durchStumpf-
heit und Undank zum Trotz. So reisen wertvolle Menschen unter der Hitze
und dem Sturm der Zeit heran und stärken den Glauben daran, daß Worte
wie Ideale und Wiedergeburt keine leeren Redensarten sind, sondern uns
hier und da ihre Verwirklichung in echten Menschen schauen"lassen.

(Z

^ann man denn nichts tun, damit solcher Leute mehr werden, damit die
^Sonne etwas schneller auch die Abhänge des Berges erreiche? Nicht
viel. Es handelt sich ja um Sein, und Sein kann man nicht machen, Sein
muß werden. Es handelt sich um das Werden von echter eigner Inner-
lichkeit, die um so stärker ist, je mehr sie ganz unmittelbar und naiv bleibt.
Sie dars in ihrem Keimen und Wachsen nicht mit tzänden betastet werden,
die sie machen und sördern wollen, damit sie ja von sich selber nichts weiß;
denn sowie sie von sich etwas weiß, ist ihr Schmelz und ihre Kraft dahin.
Aller Methodismus ist vom Abel, auch der beste pädagogische; und es geht
in der Welt des Geistes so gerecht zu, daß sich solcher immer bestraft, indem
er entweder zur Heuchelei und Gefallsucht oder zu einem Rückfall in
brutale Natürlichkeit führt. Darum kann man nur eines: man kann für
die Bedingungen sorgen, die das neue Leben braucht, um zu keimen und
zu wachsen. Nnd für diese sorgt man, wenn man die Amwelt mit Geist er-
füllt, der sich dann den Empfänglichen mitteilen kann. Ob man nun diesen
Geist von oben erwartet, wie die christliche Ausdrucksweise anleitet, oder aus
der Tiefe oder sonstwoher, wenn wir es nun einmal nicht lassen können,
für den Nrsprung geistiger Kräfte bildhafte Bezeichnungen von Orten zu
suchen; wir müssen sorgen, daß die Umwelt voll Geistes werde, damit der
ungeheuren Macht des Bösen ein Gegengewicht geboten und dem keimen-
den Geistesleben Nahrung zugebracht werde. Wir schaffen aber Amwelt,
indenr wir, was wir nur können, beginnen, um die Gestalten, in denen
der Geist Form gewonnen hat, unter die Leute zu bringen. Von unsrer
eignen Person sei dabei nicht geredet, wenngleich eine solche Verkörperung
des Geistes immer am eindrucksvollsten ist. Aber was nur von Bild und
Stein und Ton, was in Prosa und Gedicht wirklich etwas von jenem Geist
enthält, das darf nicht unter dem Schefsel bleiben, sondern muß heraus.
Das ist der Sinn von allen idealen Einrichtungen, Anstalten und Bünden,
die sich nicht mehr den Luxus erlauben dürfen, sich gegenseitig nur von
ihrer schlechten Seite anzusehn: daß sie die Umwelt von Iung und Alt
mit solchem Geist füllen, der bald schnell, bald langsam wieder geistiges
Sein in empfänglichen Menschen schafst. Denn alles Sein und zumal
das Sein in dem Höchsten wird niemals gemacht, sondern empfangen, und
alles Leben wird vom Leben gezeugt und gefördert. smj

Heidelberg Friedrich Niebergall
 
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