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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 21.1903

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Beck, Paul A.: Zeit- und Sittenverwechslungen (Anachronismen) in der darstellenden Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.18333#0047
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39

hauptet worden ist und darnach Conradin
seinen Halß vnder die fallen gesteckt hat".
Nach der Wiedemannschen Chronik von
Schwäbisch-Hall aus dem 16. Jahrhundert
und nach dem alten Crusius scheint in
Schwabe» die Hinrichtung mit einem Werk-
zeug, der sogenannten Diele (im Norden
auch „Planke" genannt), zwischen dem
12. und 13. Jahrhundert eingeführt worden
zu sein. „Vor Zeiten" — sagt dieser
Chronist doch zweifelsohne mit besonderem
Bezüge ans Schwaben — „geschah die
Enthauptung auch in Deutschland nicht
mit dem Schwert, sondern mit einem
eichenen Holz oder Diele, woran ein
scharf schneidendes Eisen war. ... Ich
selbst habe ei» solches Instrument zu H all
an dem alten Siechenhanse gesehen, ehe
selbiges abgebrannt und das jetzige daselbst
aufgebant worden. Wenn jemand ent-
hauptet werden sollte, so wurde diese Ma-
schine von dannen heraus und nach voll-
zogenem Urteil wieder hiueiugebracht. Der
Dielen sähe aus wie ein ZwagstuhlJ)
hatte an beiden Seiten Grundleisten, auf
welchem der Diel, an dessen Ende sich ein
wohlschneidendes Eisen befand, auf-
soß. Wenn nun der arme Sünder mit
seinem Kopfe an den Stuhl gebunden
war, gleich als wollte man ihn zwagen,
so ließ der „Trockenscherer" (Strafvoll-
ziehei) den Diel, welcher an einem
Seilehing, herabfallen, und das unten
befindliche Eisen stieß dem armen Sünder
den Kopf ab." Es scheint dann diese
Köpfmaschine nach und nach infolge der
Neception des römischen Rechtes, welches
die Enthauptung einzig und allein durch
das Schwert anordnete (».... vita
adimitur, ui puta si damnatur alicsuis,
eit rZadio in eurn animadverbatur.
Leck auimadverli Ziudio oportet, non
securi«, D. 8 Oi^. 48, 19 de poenm),
aus Deutschland wieder verdrängt und znm
Schwerte zurückgekehrt worden zu sein.
Von Italien sind Hinrichtungen mit einer
solchen Maschine, hier Mannaja genannt,
') Der Zwagstuhl (nicht Zwangstuhl, wie
da und dort geschrieben wird) war ein kleines,
zuin Auflegen des Kopfes, den man waschen
wollte, bestimmtes Gestell, zu dom man ans zwei
Stnfen Hinaufstieg. Man traf denselben häufig
in den Bad- oder Barbierstuben an; eine Ab-
bildung bei Gratcr a. a. O.

sowie von England („Köpfgalgeu" genannt)
aus dem 16., vou Frankreich, hier Doloire
genannt, erst aus dem 17. Jahrhundert
bekannt, und zwar scheint sie vorzugsweise
bei wohlhabenderen Verurteilten angewendet
worden zu sein. Wenn nun in dem Auf-
sätze : „Ein paar Worte über den alten
Gebrauch der Guillotine" (im „Neichs-
anzeiger" von 1707 Nr. 185) sowie noch
an andern Orten ans die vorangeführte
Stelle der »Historia« rc. zurückgegriffen
und gesagt wird, die Hinrichtung Kon-
radins von Schwaben sei älteren Nach-
richten zufolge nichtdurch dasSckwert,
sondern durch eiueArt v 0 uGuil -
lotine, die Welsche Falle genannt,
vollzogen worden, so ist dies aber zu weit
gegangen. Denn die gleichzeitigen
Quellen der Geschichte reden sämtlich von
Enthauptung, keine einzige von
der fraglichen Maschine. Petrus de
Petro, Konradins Vizekanzler, in seiner
bald nach dessen Tode geschriebenen:
Zedlrortatio ud Heuricum illrwtrem,
Dnud^rauiumUruiinAiae nennt im Gegen-
teil das schon gezückte Schwert (»uudutum
jam Alaäiulrr«), welches gegen das Haupt
dieses SchlachtopserS gezückt gewesen sei
ss. Herm. Schminck, iVI. ?etri de ?etro
vice cauoeliarii Conradi IV reZis I4o-
manorum et Liciliae udlrortatio ....
9ua latalem casum Couradiui describit,
4-uZd. Latuv., 1744, 4 °, vergl. mit
Nik. Heinr. Gundling, allerhand An-
merkungen von dem letzten Herzog vou
Schwaben, Konradin und seinem Schicksal
in den 6undlin§iana I p. 5 Nr. 2 und 30
(Halle, 1716, 8°), Dan. Kveler, §sueu-
ioAm Rmiliae LtLukieusis (Altdorf,
1721,4°), H und können angesichts dieser
zeitgenössischen Nachrichten weder die
bildliche Darstellung i m. L 0 rcher
Kloster, zumal derselben auch kein
glaubwürdiger geschriebener Be-
richt zur Seite steht, noch die Erzählung
in der »Umtoria« rc., als beide erst aus
dem 16. Jahrhundert stammend, für die
thalsächliche Hinrichtung Konradins mit
0 In Räumers „Geschichte der Hohen-
staufen" :c. IV. Bd., 4. Auflage (Leipzig bei
F. A. Brockhnus, 1872, S. 381), wo es bloss heißt:
„er empfing den Todesstreich", ist die Frage, ob
Konradin mit dem Schwerte oder der „welschen
Falle" enthauptet worden, nicht berührt.
 
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