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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 24.1906

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Beck, Paul A.: König Friedrichs Versuche einer Neuordnung der katholischen Kirche in Württemberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.18485#0130
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122

wo die Verhandlungen hin und her
schwankten". Es war also dieser plötz-
liche Abbruch mehr eine Rücksichtslosigkeit
Napoleons als der päpstlichen Kurie gegen
den König! Napoleon wollte eben nicht,
daß ein Mitglied des rheinischen Bundes
einen selbständigen, eigenmächtigen bezw.
Scparatvertrag mit Nom abschließe, und
eine deutsche Nationalkirche im Sinne des
Herrn v. Wessenberg wollte Napoleon
am allerwenigsten; er wollte nicht bloß
Protektor des Rheinbundes in
politischen und weltlichen, sondern
auch in kirchlichen und geistlichen
Angelegenheiten sein, wie er sich
allerdings auch in energischer und an-
erkennenswerter Weise zu Zeilen des
rheinischen Bundes der unter den neuen
protestantischen Landesfürsten sehr
gedrückten katholischen Ein-
wohner, wohl auch um sich deren Zu-
neigung und Vertrauen zu verschaffen, an-
nahm und sich gegen deren schlechte
Behandlung, welche übrigens weniger
von den Regenten als von der eingesessenen
Bnreankratie herkam, nachdrücklichst ver-
wahrte; halten doch gerade Württem-
berg und Baden aus den neuen an-
nektierten katholischen Landes-
teilen, also aus katholischem Hab und
Gut, überreichen Gewinn und Nutzen
für sich, ihren Staat, ihre Beamtensippen
und ihr Fürstenhaus gezogen! Ju einer
Protestnote Champagnys an den badischen
Hof — eine ähnliche soll auch an
Württemberg, dessen Neligionsedikt
vom 14. Februar 1803 neben vollkommener
Religionsfreiheit noch ausdrücklich die Be-
stimmung enthielt, daß die Religion bei Be-
setzung herrschaftlicher Aemter keinen Unter-
schied machen dürfe, ergangen sein! — läßt
sich der Kaiser verbitten, daß man die
diesen Ländern zngeteilten Katholiken
als rechtlose Untertanen, als
Sklaven und gleichsam als He-
loten behandle, und verlangt sofort
eine anständige und gerechte Behandlung
derselben. „Das gegen sie befolgte System
werde" — fährt Champagny fort —
„sonst verderbliche Folgen für den Frieden
und die Sache Badens bezw. Württem-
bergs haben und als Rückschlag auch für
die benachbarten Länder und namentlich
auch für den Rheinbund im ganzen."

Der Wunsch des Kaisers, daß die Höfe
unverzüglich ein entgegengesetztes System
annehmen, jede Verfolgung, Unter-
drückung und jede ungerechte Zu-
rück s e tz n n g (!) abstellen und daß in den
Ministerien sowie in jeder Abteilung und
jedem Zweige des Staatsdienstes den
Katholiken die entsprechende
Zahl der Aemter zu teil werde,
ist schon mehr — Befehl! — In Paris,
wo nun 1807/08 Genga gemeinschaft-
lich mit den Kardinälen Caprara und
Bayane über ein Konkordat verhandeln
sollte, kam aber anch nichts zu stände;
Napoleon war eben anch zu sehr von
politischen Dingen und den unaufhörlichen
Kriegen in Anspruch genommen, um in
einer so schwierigen und langwierigen An-
gelegenheit, wie es die Neuordnung der
katholischen Kirche in all den neu zn-
sammengeschweißten Ländern war, vorwärts
zu kommen. Zunächst wollte er eben vor
allem den Nuntius ans Deutschland weg-
haben und den Papst kommandieren bezw.
unterjochen. Dadurch war die katholische
Kirche in Deutschland wieder ihrem alten
Elend preisgegeben; und es ist ein Ver-
dienst und ebenso ein Zeichen von Selb-
ständigkeit König Friedrichs, wenn er,
zwar noch entrüstet über das Benehmen
Gengas das Jahr zuvor, nachdem er ver-
geblich auf ein unter de» Auspizien Napo-
leons abzuschließendes Konkordat zwischen
Rom und dem Rheinbund gewartet, im
Jahre 1808, ohne sich an seinen Herrn
und Meister zu ühien, Keller, der sein
besonderes Vertrauen genoß, wieder nach
Rom zwecks Wetterführung der Verhand
lnngen mit dem hl. Stuhl sandte, wobei
man württembergischerseits an die Er-
richtung eines Erzbistums in Ellw äugen
und je eines Bistums in Rottweil und
Weingarten dachte. Wohl pflog
Keller dieselben mit Klugheit und Um-
sicht, allein sie sollten wieder ohne den
erwünschten Abschluß bleiben, da sie mitt-
lerweile durch die gewaltsame Wegführnug
des Papstes nach Savona am 9. Juli
1809 abgebrochen bezw. hinfällig geworden
waren. Ebenso ergebnislos war die be-
reits oben ausführlich berichtete Mission
Kellers im Jahre 1811 nach Paris. So
wurde denn der Zustand der kaiholischen
Kirche in Deutschland (und dadurch auch
 
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