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älter war. Bartholomew versuchte sich nämlich, bevor er aus-
schließlich zur Bildhauerei überging, längere Zeit in der Malerei;
und beide Knnstjünger diskurirten mit Eifer die Gesetze der Ma-
lerei, und man sah sie häufig zusammen prächtige Gebäude und
schöne Natnrscenen beobachten. Einer ermunterte den Andern,
den steilen Weg zum Ruhme empor zu klimmen.*)
Nachdem Church mit Thomas Cole (geboren im Februar
1801 zu Bolton le Moor in England, ausgewandert nach Amerika
1819, gestorben 1848) bekannt geworden war, ließ er sich mit
diesem ausgezeichneten Künstler, der stets darüber klagte, daß er
von Italien nicht die italienische Luft und den italienischen Him-
mel mit nach Amerika hatte hinübernehmen können, am Fuße
des Catskillgebirges im Staate New-Iork nieder. Es wird von
Sachverständigen ziemlich allgemein anerkannt, daß so leicht kein
amerikanischer Maler sich mehr in seinen Gemälden mit der
Landschaft seines Vaterlandes hat identificiren können, als dies
Thomas Cole in vielen von seinen Werken, z. B. in seinem
vortrefflichen Bilde „Des Jägers Heimkehr" (The Hunters
Return), in Bezug auf sein Adoptivvaterland Amerika gelungen
ist. Man darf sich daher nicht wundern, daß der Umgang, den
Church mit Cole Pflegte, und die Lehren, welche der strebsame
Jüngling von den nach europäischen Mustern gebildeten Meister
empfing, ersteren in seiner Kunstanschaunng und Knnstausbildung
wesentlich förderten. Dennoch bestand und blieb zwischen Schüler
und Meister ein scharf ausgesprochener Unterschied. Während
sich in Cole und seinen Werken ein hochpoetischer Zug, ein tiefes,
fast philosophisches Naturgefühl bemerkbar machte, war Church's
Streben vor allen Dingen daraus gerichtet, durch ein genaues
Studium der Natur letztere künstlerisch effektvoll wiederzugeben.
Church wurde nicht, wie Cole, durch eine tiefe, an Ehrfurcht
grenzende Liebe zur Natur und deren Schönheit und Erhaben-
heit beherrscht, er suchte vielmehr in selbstständiger, origineller
Weise die Natur in ihrem großartigen Wirken und Schaffen zu
belauschen und die gewonnenen Resultate mit künstlerischer Ge-
schicklichkeit aus die Leinwand zu bringen. Das berechnende
Wesen eines Neu-Engländers und eines Iankees ist in den
Werken von Church malerisch zur Anschauung gebracht. Der
Maler Church konnte oder wollte niemals den Iankee Church
ganz überwinden. Mit Recht sagt daher der scharfblickende
Henry T. Tuckermann von ihm: „Church exhibits the New-
England mind picturally developed; bis great attribute
is skill.“ Hierzu kommt, daß Church, ähnlich wie der Bild-
hauer Erastus D. Palmer, der in County Onondaga des Staats
Newyork geboren wurde, niemals Amerika verlassen hat, um in
der alten Welt sich nach den klassischen Werken der Kunst zu
*) E. S. Bartholomew lebte nur in dürftigen Verhältnissen, dennoch
machte er es durch eigenen Fleiß und mit Hülfe einiger Freunde möglich,
daß er nach Italien ging. Hier hielt er sich namentlich in Rom auf und
gewann bald einen gewissen Ruf als Bildhauer; seine „Bereuende Eva" (Eve
Repentant) ist wohl sein bestes Werk. Kurze Zeit vor seinem Tode besuchte
er einst den englischen Kirchhof zu Rom und sagte, über die Gräberreihen
hinblickend, im Vorgefühl seines nahen Todes: „Bald wird auch mich solch'
ein grüner Hügel decken." Um seine Gesundheit zu stärken, ging er nach
Neapel, starb aber nach kurzem Aufenthalte daselbst am 2. Mai 1858.
bilden. Mit bewundernswerther Ausdauer und seltener Genauig-
keit beobachtete er dagegen die großartigen Naturwunder der neuen
Welt, den donnernden Niagarafall, die feuerspeienden Berge
Südamerikas und die arktischen Eisberge, bis in die kleinsten
Details und gab sie dann mit seinem Pinsel so treu, so wirkungs-
voll und so natürlich wieder, daß er das uneingeschränkte Lob
wissenschaftlich gebildeter Naturkenner und tüchtiger Kunstkritiker
gewann. —-
Seine Lehrjahre bei Thomas Cole hatten Church das
Catskillgebirge so Werth gemacht, daß er, selbst zum Meister
geworden, seinen bleibenden Sommeraufenthalt in der Nähe des-
selben nahm. Und so wohnt er fast jeden Sommer, vier eng-
lische Meilen vom Hudsonsluße, in einem schön und angenehm
gelegenen Farmhause, die Catskiüberge in nicht zu großer Ent-
fernung vor sich. „Oft beschleicht mich," schrieb er einst an
seinen Freund, „ein wundersames Gefühl, wenn ich meinen Blick
„auf die prachtvollen Naturscenen werfe, die von außen mein
„kleines Arbeitszimmer umgeben, und dann wieder das Oeltuch
„ansehe, welches auf meiner Stasfelei ruht." —
Das Catskillgebirge, etwa 3800 Fuß hoch, ist aber auch
in der That eine wahre Fundgrube von trefflichen Studien-Mo-
tiven für amerikanische Landschaftsmaler. Im Sommer besuchen
Tausende von Touristen diesen interessanten Gebirgszug bis auf
seine höchsten Höhen, welche ein prachtvolles Panorama eröffnen.
Man erblickt eine Anzahl von Farmen und üppigen Wiesen,
dunkle, bewaldete Hügel wechseln mit spiegelklaaren See'n ab,
und durch das Ganze zieht sich wie ein lang geschwungener
Silberfaden der amerikanische Rhein, der Hudsonfluß. Den
Maler aber, welcher die Catskills durchstreift, ziehen vor Allem
an die waldigen Schluchten und die glänzenden Wasserfälle, das
wilde Felsgestein und die schönen Gruppen uralter Bäume. Mag
es Sommer sein oder Winter, Frühling oder Herbst, — der
Künstler und Naturfreund findet hier stets und überall die rei-
zendsten und erhabensten Naturbilder, lieber eine reiche Berg-
und Waldlandschaft wölbt sich der schönste Himmel, die reinste
Atmosphäre. Kunst und Literatur haben aus den Catskills reiche
Beute davon getragen. Die anziehendsten amerikanischen Legenden
finden hier den dankbarsten Stoff. Hier studirte Asher Brown
Durand die Riesenbäume des Urwaldes und wurde der eigent-
liche Gründer der amerikanischen Landschaftsmalerei, hier sam-
melte, wie gesagt, Thomas Cole die Sujets für seine vater-
ländischen Gemälde, hier lernte John F. Kensett seine charak-
teristischen Felsengruppen malen, hier entwarf R. Swain Gifford
die Skizzen zu seinen düsteren Waldschluchteu.
Zu den Erstlingswerken von Church gehört der in der ame-
rikanischen Geschichte bekannte „East Rock" bei New-Haven im
Staate Connecticut; dann folgen der „Kommende Sturm" (the
hfting of the Storni Cloud) und der „Abend nach dem Sturm"
(Evening alter a Storni) u. s. w. Die Kritik lobte an diesen
Bildern die Genauigkeit der Zeichnung und eine große mecha-
nische Fertigkeit in der lebhaften Wiedergabe von Naturschön-
heiten. Church's Fortschritt in der Kunst war langsam, aber
sicher; in der Farbenbehandlunss war er noch zurück.
(Schluß folgt.)
älter war. Bartholomew versuchte sich nämlich, bevor er aus-
schließlich zur Bildhauerei überging, längere Zeit in der Malerei;
und beide Knnstjünger diskurirten mit Eifer die Gesetze der Ma-
lerei, und man sah sie häufig zusammen prächtige Gebäude und
schöne Natnrscenen beobachten. Einer ermunterte den Andern,
den steilen Weg zum Ruhme empor zu klimmen.*)
Nachdem Church mit Thomas Cole (geboren im Februar
1801 zu Bolton le Moor in England, ausgewandert nach Amerika
1819, gestorben 1848) bekannt geworden war, ließ er sich mit
diesem ausgezeichneten Künstler, der stets darüber klagte, daß er
von Italien nicht die italienische Luft und den italienischen Him-
mel mit nach Amerika hatte hinübernehmen können, am Fuße
des Catskillgebirges im Staate New-Iork nieder. Es wird von
Sachverständigen ziemlich allgemein anerkannt, daß so leicht kein
amerikanischer Maler sich mehr in seinen Gemälden mit der
Landschaft seines Vaterlandes hat identificiren können, als dies
Thomas Cole in vielen von seinen Werken, z. B. in seinem
vortrefflichen Bilde „Des Jägers Heimkehr" (The Hunters
Return), in Bezug auf sein Adoptivvaterland Amerika gelungen
ist. Man darf sich daher nicht wundern, daß der Umgang, den
Church mit Cole Pflegte, und die Lehren, welche der strebsame
Jüngling von den nach europäischen Mustern gebildeten Meister
empfing, ersteren in seiner Kunstanschaunng und Knnstausbildung
wesentlich förderten. Dennoch bestand und blieb zwischen Schüler
und Meister ein scharf ausgesprochener Unterschied. Während
sich in Cole und seinen Werken ein hochpoetischer Zug, ein tiefes,
fast philosophisches Naturgefühl bemerkbar machte, war Church's
Streben vor allen Dingen daraus gerichtet, durch ein genaues
Studium der Natur letztere künstlerisch effektvoll wiederzugeben.
Church wurde nicht, wie Cole, durch eine tiefe, an Ehrfurcht
grenzende Liebe zur Natur und deren Schönheit und Erhaben-
heit beherrscht, er suchte vielmehr in selbstständiger, origineller
Weise die Natur in ihrem großartigen Wirken und Schaffen zu
belauschen und die gewonnenen Resultate mit künstlerischer Ge-
schicklichkeit aus die Leinwand zu bringen. Das berechnende
Wesen eines Neu-Engländers und eines Iankees ist in den
Werken von Church malerisch zur Anschauung gebracht. Der
Maler Church konnte oder wollte niemals den Iankee Church
ganz überwinden. Mit Recht sagt daher der scharfblickende
Henry T. Tuckermann von ihm: „Church exhibits the New-
England mind picturally developed; bis great attribute
is skill.“ Hierzu kommt, daß Church, ähnlich wie der Bild-
hauer Erastus D. Palmer, der in County Onondaga des Staats
Newyork geboren wurde, niemals Amerika verlassen hat, um in
der alten Welt sich nach den klassischen Werken der Kunst zu
*) E. S. Bartholomew lebte nur in dürftigen Verhältnissen, dennoch
machte er es durch eigenen Fleiß und mit Hülfe einiger Freunde möglich,
daß er nach Italien ging. Hier hielt er sich namentlich in Rom auf und
gewann bald einen gewissen Ruf als Bildhauer; seine „Bereuende Eva" (Eve
Repentant) ist wohl sein bestes Werk. Kurze Zeit vor seinem Tode besuchte
er einst den englischen Kirchhof zu Rom und sagte, über die Gräberreihen
hinblickend, im Vorgefühl seines nahen Todes: „Bald wird auch mich solch'
ein grüner Hügel decken." Um seine Gesundheit zu stärken, ging er nach
Neapel, starb aber nach kurzem Aufenthalte daselbst am 2. Mai 1858.
bilden. Mit bewundernswerther Ausdauer und seltener Genauig-
keit beobachtete er dagegen die großartigen Naturwunder der neuen
Welt, den donnernden Niagarafall, die feuerspeienden Berge
Südamerikas und die arktischen Eisberge, bis in die kleinsten
Details und gab sie dann mit seinem Pinsel so treu, so wirkungs-
voll und so natürlich wieder, daß er das uneingeschränkte Lob
wissenschaftlich gebildeter Naturkenner und tüchtiger Kunstkritiker
gewann. —-
Seine Lehrjahre bei Thomas Cole hatten Church das
Catskillgebirge so Werth gemacht, daß er, selbst zum Meister
geworden, seinen bleibenden Sommeraufenthalt in der Nähe des-
selben nahm. Und so wohnt er fast jeden Sommer, vier eng-
lische Meilen vom Hudsonsluße, in einem schön und angenehm
gelegenen Farmhause, die Catskiüberge in nicht zu großer Ent-
fernung vor sich. „Oft beschleicht mich," schrieb er einst an
seinen Freund, „ein wundersames Gefühl, wenn ich meinen Blick
„auf die prachtvollen Naturscenen werfe, die von außen mein
„kleines Arbeitszimmer umgeben, und dann wieder das Oeltuch
„ansehe, welches auf meiner Stasfelei ruht." —
Das Catskillgebirge, etwa 3800 Fuß hoch, ist aber auch
in der That eine wahre Fundgrube von trefflichen Studien-Mo-
tiven für amerikanische Landschaftsmaler. Im Sommer besuchen
Tausende von Touristen diesen interessanten Gebirgszug bis auf
seine höchsten Höhen, welche ein prachtvolles Panorama eröffnen.
Man erblickt eine Anzahl von Farmen und üppigen Wiesen,
dunkle, bewaldete Hügel wechseln mit spiegelklaaren See'n ab,
und durch das Ganze zieht sich wie ein lang geschwungener
Silberfaden der amerikanische Rhein, der Hudsonfluß. Den
Maler aber, welcher die Catskills durchstreift, ziehen vor Allem
an die waldigen Schluchten und die glänzenden Wasserfälle, das
wilde Felsgestein und die schönen Gruppen uralter Bäume. Mag
es Sommer sein oder Winter, Frühling oder Herbst, — der
Künstler und Naturfreund findet hier stets und überall die rei-
zendsten und erhabensten Naturbilder, lieber eine reiche Berg-
und Waldlandschaft wölbt sich der schönste Himmel, die reinste
Atmosphäre. Kunst und Literatur haben aus den Catskills reiche
Beute davon getragen. Die anziehendsten amerikanischen Legenden
finden hier den dankbarsten Stoff. Hier studirte Asher Brown
Durand die Riesenbäume des Urwaldes und wurde der eigent-
liche Gründer der amerikanischen Landschaftsmalerei, hier sam-
melte, wie gesagt, Thomas Cole die Sujets für seine vater-
ländischen Gemälde, hier lernte John F. Kensett seine charak-
teristischen Felsengruppen malen, hier entwarf R. Swain Gifford
die Skizzen zu seinen düsteren Waldschluchteu.
Zu den Erstlingswerken von Church gehört der in der ame-
rikanischen Geschichte bekannte „East Rock" bei New-Haven im
Staate Connecticut; dann folgen der „Kommende Sturm" (the
hfting of the Storni Cloud) und der „Abend nach dem Sturm"
(Evening alter a Storni) u. s. w. Die Kritik lobte an diesen
Bildern die Genauigkeit der Zeichnung und eine große mecha-
nische Fertigkeit in der lebhaften Wiedergabe von Naturschön-
heiten. Church's Fortschritt in der Kunst war langsam, aber
sicher; in der Farbenbehandlunss war er noch zurück.
(Schluß folgt.)