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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 16.1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.13554#0402

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233

Aphorismen und Wiscellen.

55.

;n den steifen, schmalen, langen Gestalten und der symme-
trischen Anordnung der byzantinischen Bilder sehe ich
keineswegs eine so unschuldige Kindlichkeit, die nicht weiß,
was sie will und erstreben möchte. Vielmehr erscheint
mir hier auf der Holztafel und in Farben dieselbe Rich-
tung, welche sich kurz zuvor auf dem rein geistigen Felde
der Scholastik verosfenbart hatte. Das Christenthum hatte
die Welt von Grund aus umgekehrt und der mensch-
lichen Seele ein Gebiet eröffnet, auf welchem sie sich nur
tappend bewegte. Durch die Scholastik suchte sie sich zu
orientiren, das schwankende Göttliche auf die Festigkeit
des Begriffs zu bringen, das unerklärbar Eine durch die Entgegensetzungen
der Dialektik dem Verstände anzunähern. Die erste Kuustform, welche nach
der Scholastik und zum Theil noch gleichzeitig mit den späteren Entwicklungen
derselben durch Occam auftrat, zeigt nun alle diese Elemente vereinigt und
zugleich das Ehrwürdige wie das Subtile und Dürftige jener Richtung.
Ganz bewußt, mathematisch streng, nicht etwa schwach gemüthlich bildet der
Kirchenglaube die Grundlage der Werke, von diesem gehen sie ans; in der
Steifheit und Magerkeit der Formen erscheint der ,,Begriff", und in
der symmetrischen Anordnung die „Dialektik", kurz jene Bilder sind
nichts als gemalte Scholastik.

Diese verfiel, der Glaube verlor von seiner Strenge, der Geist suchte
in Freiheit sein Ziel und konnte auf diesem Wege der ganzen Fülle der
Realitäten nicht entbehren. Wieder treu diesem Vorgänge schreitet die Knust
der Periode nach, von welcher Cimabue und Giotto die Anführer sind. Das
Strengkirchliche tritt mehr und mehr zurück, „Maria" wird ein schönes, wunder-
bares Weib, „Christus" ein begeisterter Lehrer, statt der symmetrischen bildet
sich die dramatische Gruppe aus, und wenn die Maler nun allerdings
Muskeln statt der parallelen und triangulairen Linien malen, so sind es doch
Muskeln in Handlung, mithin nur Träger einer geistigen Bewegung. Auch
hier ist es nicht die sinnliche Natur, welche gesucht wird, sondern der Geist
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57.

die Gestaltlosigkeit solcher Leute, wie Zach. Werner, Brentano,
Arnim, sagt Goethe: „Kein Mensch will begreifen, daß die höchste und einzige
Operation der Natur und Kunst die Gestaltung ist und in der Gestaltung
der Specifikation" (Jndividualisirung), „damit jedes ein Besonderes und
Bedeutendes werde, sei und bleibe. Es ist keine Kunst, sein Talent nach in-
dividueller Bequemlichkeit humoristisch" (oder sentimental) „walten zu lassen,
wie aus dem verschütteten Saamen Vulcan's ein wundersamer Schlangenbube
entsprang. — Sehr schlimm ist es dabei, baß das Humoristische, weil es keinen
Halt und kein Gesetz in sich selbst hat, doch zuletzt früher oder später in
Trübsinn und üble Laune ansartet, wie wir davon die schrecklichsten Beispiele
an Jean Paul („Traum eines Wahnsinnigen") und Görres erleben müssen.
Uebrigeus gicbt es noch immer Menschen genug, die dergleichen Dinge au-
staunen und verehren, weil das Publikum es jedem Dank weiß, der ihm den
Kopf verrücken will. (Aus Goethe's Briefen.)


58.

kein Naturvorbild der Nachahmung ist, ist auch eine objektive Werth-
fchätzung, eine künstlerische Kritik nicht möglich; wo keine Vergleichung
wirklicher Dinge gegeben ist, da ist auch ein Ideal nicht mög-
lich; ohne das eine und das andere ist aber eine wahre Kunst und ein wahres
Kunstwerk ebenso wenig möglich.

(Gervimrs: „Händel und Shakespeare.")

(P^ 59.

<^s^toethe sagt in Dichtung und Wahrheit: „Wie das Erhabene von Däm-
merung und Nacht, wo sich die Gestalten vereinen, gar leicht erzeugt wird,
so wird es dagegen vom Tage verscheucht, der Alles sondert und trennt, und
so muß es auch doch durch jede wachsende Bildung vernichtet werden" (nil
admirari?), „wenn es nicht glücklich genug ist, sich mit dem Schönen zu
einigen, wodurch dann beide gleich unsterblich und unverwüstlich sind." Goethe
freilich konnte kein Freund des Erhabenen sein, da er mit seiner klaren und
starken Individualität die Unbegreiflichkeit der Größe, überhaupt die Unend-
lichkeit in ihrer Einfachheit nicht bewältigen konnte und darum abstoßen mußte.

E . 60.

ist ein schönes Verdienst der modernen Poesie, daß so vieles Gute und
Große, was in den Verfassungen, der Gesellschaft, der Schulweisheit verkannt,
verdrängt und verscheucht worden war, bei ihr bald Schutz und Zuflucht,
bald Pflege und eine Heimath fand. Hier, gleichsam auf die einzige reine
Stätte in dem unheiligeu Jahrhundert, legten die wenigen Edlern die Blüthe
ihres höheren Lebens, das Beste von Allem, was sie thaten, dachten, genossen
und strebten, wie auf einen Altar der Menschheit nieder.

_ (fr. v. Schlegel.)

E 61.

^A^ines der vorzüglichsten Kennzeichen des Verfalls der Kunst ist die Ver-
mischung der verschiedenen Arten derselben.

Die Künste selbst, sowie ihre Arten, sind unter einander verwandt, sie
haben eine gewisse Neigung, sich zu vereinigen, ja sich in einander zu ver-
lieren; aber eben darin besteht die Pflicht, ja das Verdienst des echten
Künstlers, daß er das Kunstfach, in welchem er arbeitet, von andern abzu-
sondern, jede Kunst und Kunstart auf sich selbst zu stellen und sie auf's
Möglichste zu isoliren wisse. (Goethe: „Propyläen".)

62.

führen alle bei Gelegenheit leicht unser ordentliches Gespräch mit
Nebeumenschen; gleichwohl ist nichts seltener als ein Schriftsteller, der einen
lebendigen Dialog schreiben kann. (Äean Paul.)

p 63.

|a§ man weiß, sieht man erst. —

(Goethe: „Propyläen".)

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