58
sondern sogar carex ampulacca erkennt, auf dem der Stempel richtig
stumpfkantig, Blätter bläulichgrün u. s. f. sind. Manche Herren
von der kritischen Feder halten sich blindlings an das Alle und
sehen mit vornehmem Nasenrümpfen auf das Moderne herab. Die
Künstler aber pfeifen auf deren Ansichten, wie der Pfalzgraf vom
Rheine auf die sauren Weine.
Wenn wir zu den Figurenbildern übergehen, so müssen wir
den „Herbstreigen" von Gabriel Max schon deshalb zuerst er-
wähnen, weil seit der Ausstellung desselben unter den Künstlern nicht
nur großes Interesse hervorgerufen wurde, sondern auch weil man
die heterogensten Urtheile über das Bild zu hören bekommt. Es
ist hier leider eine Thatsache, die freilich in allen Kunststädten vor-
kommt, daß, wenn ein bedeutendes Werk ausgestellt wird, sofort die
Künstler und Halbkünstler über dasselbe herfallen und es nach allen
Regeln der Kunst unter das kritische Secirmesser legen. Man fragt
zuerst nach dem Gegenstände, der Zeichnung und Farbe. Was den
ersten betrifft, so stellt das Bild, wie schon der Titel sagt, einen
Tanz im Herbste dar. Es sind jedoch keine Paare, welche nach den
Vorschriften der Franaaise antreten, sondern junge Mädchen, die sich
wie wir vermuthen, zu einem Gesellschaftsspiele im Freien versam-
melt haben und sich eben zu einem Tanze anschicken, wobei wenige
Männer Statistenrollen übernommen haben. Die Kostüme sind im
mittelalterlichen Schnitte gehalten, etwa wie sie Leys in seinen Bil-
dern darstellt, der Schauplatz ist eine Waldwiese. Die Mehrzahl
der Köpfe sind mit großer Empfindung gemalt, einige tragen einen
wirklich seelenvollen Ausdruck. Wenn das Bild nach der ideellen
Seite hin uns mehr als die so bequeme Kostümmalerei zeigt, so ist
letztere trotzdem nicht vernachlässigt, sondern im Gegentheile von einer
ganz vortrefflichen Darstellung. Das Kolorit macht in seinem Streben
Front gegen die Piloty'sche Richtung, der es hauptsächlich auf den
streng realistischen Vortrag ankommt, trotzdem Max ehemals zu den
Piloty-Schülern zählte. Die Lokalfarben sind vielmehr dem gelb-
lichen Gesammtton untergeordnet, der dem sehr bedeutenden Bilde
eine tiefwarme harmonische Wirkung verleiht.
Das Affenbild „Mignon" hätten wir an Stelle des Künstlers
nicht gleichzeitig mit jenem Werke ausgestellt. Das Publikum macht
seine Späße darüber und auch nicht ganz ohne Unrecht.
Während der „Herbstreigen" buchstäblich durch das tiefe Ko-
lorit wirkt, hat ein anderer Künstler, Joseph Brandt, in seinem
„Karpathen-Uebergang einer polnischen Proviantkolonne nach der
Schlacht von Wien" die Wirkung in ein helles sonniges Kolorit
gelegt. Der Künstler dachte sich eine Frühstimmung, in welcher die
Sonne mit dem Nebel kämpft. Der Schauplatz stellt kein Hoch-
gebirge der Karpathen, sondern eher einen der niedrigen Ausläufer
dar. Es ist eine lange Reihe von Wagen, die sich in verschwinden-
der Perspektive den Hohlweg herabbewegt. An einem der Wagen
ist ein Rad gebrochen, mit dessen Ausbesserung sich die Soldaten
und Knechte zu schaffen machen. Bei der schwierigen Darstellung
der Beleuchtung hat der Künstler die Aufgabe außerordentlich glück-
lich gelöst. Das sonnige Kolorit findet seinen entsprechenden Gegen-
satz in den tiefen Schatten der Pferde und Wegen, so daß das Bild
trotz der hellen Farbengebung der Luft und des Terrains doch
kräftig und tonig wirkt. Die reiche Komposition der einzelnen
Gruppen ist mit der dem Künstler in so hohem Grade eigenen
Auffassung für das Lebendige und Actionelle gegeben. — Bon den
übrigen Neuigkeiten nennen wir noch das „Schaukelpferd" von Hugo
Kauffmann und ein „Genrebild" von dem Tyroler Mathias
Schmid.
Außerdem sind noch die für die diesjährige Verloosung des
Kunstvereins augekauften Werke ausgestellt, von denen wir die her-
vorragenderen schon früher besprochen haben.
8. Wien, 16. Februar. (Die Konkurrenz-Entwürfe zum
Beethoven-Monumente.) Dieselben sind seit Kurzem im glas-
gedeckten Arkadenhofe des Kunst- und Jndustriemuseums ausgestellt.
Drei Künstler, die Herren Prof. Zumbusch, Wagner und Benk,
erhielten die Aufforderung zu konkurriren, und sind derselben auch
nachgekommen. Außerdem hat Herr Pilz unaufgefordert einen Ent-
wurf im „Kunstverein" ausgestellt. Wir hegen bezüglich der drei
ersteren nicht nur den frommen Wunsch, sie mögen nicht ausgeführt
werden, wir können uns sogar der begründeten Hoffnung hingeben,
daß dem so sein werde. Und der im Vorhinein übergcgangene Pilz
hat ohnehin keine Aussichten auf Erfüllung seines Wunsches. —
Prof. Zumbusch hat eine schöne Arbeit geliefert, einen Sockel,
welchen Genien umkreisen. Aber was hieran Schönes ist, gehört
nicht zu einem Beethoven-Monumente, der gefeierte Mann ist der
geringste Theil des Ganzen, der massenhaft repräsentirten Symbolik
wegen wird der Hauptgegenstaud geradezu Nebensache.*) Ein monu-
mentaler Gedanke darf nicht so zersplittert werden und in den kleinen
Figürchen-Reigen ausarten. Ein Anderes ist es, wenn sich ein Held
an Spitze seiner Zeitgenossen über denselben erhebt und einem Auf-
bau so den imposanten Abschluß giebt. Die sitzende Figur des
Tonheros ist unbedeutend in der Haltung, überhaupt werden alle
Künstler, welche nach dem überaus gelungenen sitzenden Schubert
Kundtmann's einen sitzenden Musiker im Mantel-Falteuwurfe er-
zeigen wollen, ein schweres Produciren haben. Dies gilt sofort von
Benk's ebenfalls derartigem Beethoven, an dessen Sockel rechts
und links sich zudem zwei herkömmlich gemachte Frauengestalten,.
Kirchenmusik und weltliche Musik befinden, enge an die Sockelwände
geschmiegt. — Wagner faßt Beethoven stehend auf, aber in sonder-
barer Weise; dieser, im herkömmlichen Mantel, hat eine Hand er-
hoben und sieht sehr düster drein. Die zwei Sockelfiguren sind
jedoch sehr schön, frei plastisch sich abhebend, eine „Macht der
Musik" auf einem Löwen, eine „begeisterte Psyche auf einer Sphinx",
an und für sich sehr verdienstliche Darstellungen und passender als
der gemarterte Prometheus am Sockel mitten im Reigen der kleinen
Genien, von Zumbusch. — Der Vierte und „Unberufene" zeigt
jedoch einen hohen Beruf. Der Beethoven von Pilz sitzt auf
einem Felsen, an der Seite des Felsens ragt eine große Lyra und
auf diese ist die Linke des sinnenden Meisters gestützt, die Rechte
streicht ihre Finger gerade durch die Fülle der Haare. Was Cha-
rakter anbelangt, ist hier Beethoven's am besten getroffen, die Körper-
bewegung, im einfachen Rocke, ist schön, imposant und ungezwungen.
Der ganze Entwurf hat unbedingt etwas Monumentales und auch
seine Einfachheit Bedeutendes in sich. Ein Sockel fehlt ganz, es
scheint, als ob der Künstler seine fruchtlose Mühe nicht weiter treiben.
*) Dies Urtheil unsers Herrn Korrespondenten steht mit dem, welche?
wir (unter Chronik) aus einem Bericht der Augsb. Allg. Ztg. mittheilen, in
so auffallendem Widerspruch, daß wir anfangs Bedenken trugen, den bereits
in Druck gegebenen Artikel aus der A. A. Z. aufzunehmen. Allein gerade
der großen Meinungsverschiedenheit halber haben wir uns entschlossen, beiden
in derselben Nummer Platz zu gewähren, um womöglich eine gründlichere
und rein objektive Beurtheilung der Entwürfe, wozu wir hiemit ausdrücklich
auffordern wollen, hcrvorzurufen. Soweit übrigens unsrerseits — da wir
die besprochenen Werke nicht gesehen — ein Urtheil über den Inhalt der
beiden Artikel möglich ist, müssen wir bekennen, daß der Bericht in der
A. A. Z. allzu unbedingtes Lob enthält, als daß er auf den unbefangenen
Leser nicht in Etwas den Eindruck einer enthusiastischen — und darum be-
fangenen — Reklame machte. Ob, im Gcgentheil dazu, unser Herr Korre-
spondent nicht vielleicht mit allzu scharfem kritischen Auge gesehen, vermögen
wir nicht zu beurtheilen; jedenfalls können wir die Gründe, welche er für
fein Urtheil angiebt, als solche nur unterschreiben.
D. Red.
sondern sogar carex ampulacca erkennt, auf dem der Stempel richtig
stumpfkantig, Blätter bläulichgrün u. s. f. sind. Manche Herren
von der kritischen Feder halten sich blindlings an das Alle und
sehen mit vornehmem Nasenrümpfen auf das Moderne herab. Die
Künstler aber pfeifen auf deren Ansichten, wie der Pfalzgraf vom
Rheine auf die sauren Weine.
Wenn wir zu den Figurenbildern übergehen, so müssen wir
den „Herbstreigen" von Gabriel Max schon deshalb zuerst er-
wähnen, weil seit der Ausstellung desselben unter den Künstlern nicht
nur großes Interesse hervorgerufen wurde, sondern auch weil man
die heterogensten Urtheile über das Bild zu hören bekommt. Es
ist hier leider eine Thatsache, die freilich in allen Kunststädten vor-
kommt, daß, wenn ein bedeutendes Werk ausgestellt wird, sofort die
Künstler und Halbkünstler über dasselbe herfallen und es nach allen
Regeln der Kunst unter das kritische Secirmesser legen. Man fragt
zuerst nach dem Gegenstände, der Zeichnung und Farbe. Was den
ersten betrifft, so stellt das Bild, wie schon der Titel sagt, einen
Tanz im Herbste dar. Es sind jedoch keine Paare, welche nach den
Vorschriften der Franaaise antreten, sondern junge Mädchen, die sich
wie wir vermuthen, zu einem Gesellschaftsspiele im Freien versam-
melt haben und sich eben zu einem Tanze anschicken, wobei wenige
Männer Statistenrollen übernommen haben. Die Kostüme sind im
mittelalterlichen Schnitte gehalten, etwa wie sie Leys in seinen Bil-
dern darstellt, der Schauplatz ist eine Waldwiese. Die Mehrzahl
der Köpfe sind mit großer Empfindung gemalt, einige tragen einen
wirklich seelenvollen Ausdruck. Wenn das Bild nach der ideellen
Seite hin uns mehr als die so bequeme Kostümmalerei zeigt, so ist
letztere trotzdem nicht vernachlässigt, sondern im Gegentheile von einer
ganz vortrefflichen Darstellung. Das Kolorit macht in seinem Streben
Front gegen die Piloty'sche Richtung, der es hauptsächlich auf den
streng realistischen Vortrag ankommt, trotzdem Max ehemals zu den
Piloty-Schülern zählte. Die Lokalfarben sind vielmehr dem gelb-
lichen Gesammtton untergeordnet, der dem sehr bedeutenden Bilde
eine tiefwarme harmonische Wirkung verleiht.
Das Affenbild „Mignon" hätten wir an Stelle des Künstlers
nicht gleichzeitig mit jenem Werke ausgestellt. Das Publikum macht
seine Späße darüber und auch nicht ganz ohne Unrecht.
Während der „Herbstreigen" buchstäblich durch das tiefe Ko-
lorit wirkt, hat ein anderer Künstler, Joseph Brandt, in seinem
„Karpathen-Uebergang einer polnischen Proviantkolonne nach der
Schlacht von Wien" die Wirkung in ein helles sonniges Kolorit
gelegt. Der Künstler dachte sich eine Frühstimmung, in welcher die
Sonne mit dem Nebel kämpft. Der Schauplatz stellt kein Hoch-
gebirge der Karpathen, sondern eher einen der niedrigen Ausläufer
dar. Es ist eine lange Reihe von Wagen, die sich in verschwinden-
der Perspektive den Hohlweg herabbewegt. An einem der Wagen
ist ein Rad gebrochen, mit dessen Ausbesserung sich die Soldaten
und Knechte zu schaffen machen. Bei der schwierigen Darstellung
der Beleuchtung hat der Künstler die Aufgabe außerordentlich glück-
lich gelöst. Das sonnige Kolorit findet seinen entsprechenden Gegen-
satz in den tiefen Schatten der Pferde und Wegen, so daß das Bild
trotz der hellen Farbengebung der Luft und des Terrains doch
kräftig und tonig wirkt. Die reiche Komposition der einzelnen
Gruppen ist mit der dem Künstler in so hohem Grade eigenen
Auffassung für das Lebendige und Actionelle gegeben. — Bon den
übrigen Neuigkeiten nennen wir noch das „Schaukelpferd" von Hugo
Kauffmann und ein „Genrebild" von dem Tyroler Mathias
Schmid.
Außerdem sind noch die für die diesjährige Verloosung des
Kunstvereins augekauften Werke ausgestellt, von denen wir die her-
vorragenderen schon früher besprochen haben.
8. Wien, 16. Februar. (Die Konkurrenz-Entwürfe zum
Beethoven-Monumente.) Dieselben sind seit Kurzem im glas-
gedeckten Arkadenhofe des Kunst- und Jndustriemuseums ausgestellt.
Drei Künstler, die Herren Prof. Zumbusch, Wagner und Benk,
erhielten die Aufforderung zu konkurriren, und sind derselben auch
nachgekommen. Außerdem hat Herr Pilz unaufgefordert einen Ent-
wurf im „Kunstverein" ausgestellt. Wir hegen bezüglich der drei
ersteren nicht nur den frommen Wunsch, sie mögen nicht ausgeführt
werden, wir können uns sogar der begründeten Hoffnung hingeben,
daß dem so sein werde. Und der im Vorhinein übergcgangene Pilz
hat ohnehin keine Aussichten auf Erfüllung seines Wunsches. —
Prof. Zumbusch hat eine schöne Arbeit geliefert, einen Sockel,
welchen Genien umkreisen. Aber was hieran Schönes ist, gehört
nicht zu einem Beethoven-Monumente, der gefeierte Mann ist der
geringste Theil des Ganzen, der massenhaft repräsentirten Symbolik
wegen wird der Hauptgegenstaud geradezu Nebensache.*) Ein monu-
mentaler Gedanke darf nicht so zersplittert werden und in den kleinen
Figürchen-Reigen ausarten. Ein Anderes ist es, wenn sich ein Held
an Spitze seiner Zeitgenossen über denselben erhebt und einem Auf-
bau so den imposanten Abschluß giebt. Die sitzende Figur des
Tonheros ist unbedeutend in der Haltung, überhaupt werden alle
Künstler, welche nach dem überaus gelungenen sitzenden Schubert
Kundtmann's einen sitzenden Musiker im Mantel-Falteuwurfe er-
zeigen wollen, ein schweres Produciren haben. Dies gilt sofort von
Benk's ebenfalls derartigem Beethoven, an dessen Sockel rechts
und links sich zudem zwei herkömmlich gemachte Frauengestalten,.
Kirchenmusik und weltliche Musik befinden, enge an die Sockelwände
geschmiegt. — Wagner faßt Beethoven stehend auf, aber in sonder-
barer Weise; dieser, im herkömmlichen Mantel, hat eine Hand er-
hoben und sieht sehr düster drein. Die zwei Sockelfiguren sind
jedoch sehr schön, frei plastisch sich abhebend, eine „Macht der
Musik" auf einem Löwen, eine „begeisterte Psyche auf einer Sphinx",
an und für sich sehr verdienstliche Darstellungen und passender als
der gemarterte Prometheus am Sockel mitten im Reigen der kleinen
Genien, von Zumbusch. — Der Vierte und „Unberufene" zeigt
jedoch einen hohen Beruf. Der Beethoven von Pilz sitzt auf
einem Felsen, an der Seite des Felsens ragt eine große Lyra und
auf diese ist die Linke des sinnenden Meisters gestützt, die Rechte
streicht ihre Finger gerade durch die Fülle der Haare. Was Cha-
rakter anbelangt, ist hier Beethoven's am besten getroffen, die Körper-
bewegung, im einfachen Rocke, ist schön, imposant und ungezwungen.
Der ganze Entwurf hat unbedingt etwas Monumentales und auch
seine Einfachheit Bedeutendes in sich. Ein Sockel fehlt ganz, es
scheint, als ob der Künstler seine fruchtlose Mühe nicht weiter treiben.
*) Dies Urtheil unsers Herrn Korrespondenten steht mit dem, welche?
wir (unter Chronik) aus einem Bericht der Augsb. Allg. Ztg. mittheilen, in
so auffallendem Widerspruch, daß wir anfangs Bedenken trugen, den bereits
in Druck gegebenen Artikel aus der A. A. Z. aufzunehmen. Allein gerade
der großen Meinungsverschiedenheit halber haben wir uns entschlossen, beiden
in derselben Nummer Platz zu gewähren, um womöglich eine gründlichere
und rein objektive Beurtheilung der Entwürfe, wozu wir hiemit ausdrücklich
auffordern wollen, hcrvorzurufen. Soweit übrigens unsrerseits — da wir
die besprochenen Werke nicht gesehen — ein Urtheil über den Inhalt der
beiden Artikel möglich ist, müssen wir bekennen, daß der Bericht in der
A. A. Z. allzu unbedingtes Lob enthält, als daß er auf den unbefangenen
Leser nicht in Etwas den Eindruck einer enthusiastischen — und darum be-
fangenen — Reklame machte. Ob, im Gcgentheil dazu, unser Herr Korre-
spondent nicht vielleicht mit allzu scharfem kritischen Auge gesehen, vermögen
wir nicht zu beurtheilen; jedenfalls können wir die Gründe, welche er für
fein Urtheil angiebt, als solche nur unterschreiben.
D. Red.