Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0159
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
151

H. K. Wien, Anfang Mai. (Ausstellung im Künstler-
hause. Forts.) Wenn wir die Ausführung der Thiermalerei in
Bezug auf deren Zweck betrachten, müssen wir allerdings den dahin
gehörenden Werken in der Weltausstellung volle Anerkennung zollen,
können uns jedoch nicht der Bemerkung enthalten, daß in dieses
Genre sich etwas Zünftiges, vom Meister auf den Lehrling streng
gesetzlich Ueberkommendes eingeschlichen und es deshalb sich weniger
empfänglich für die neuesten Fortschritte der Malerei gezeigt habe.
Auch hierin haben sich die Franzosen zuerst emancipirt, wie ihre
Thierstücke im Künstlerhause, von denen A. Cortes „Kühe im
Walde" und F. Brissot „Kühe auf der Weide" gefertigt haben,
es bezeugen. Aber der Rhein ist keine chinesische Mauer und wir
sehen daher auch in Deutschland das gleiche Streben nach einer Re-
generation der Thiermalerei. Beschauen wir nur diese. F. Pau-
singer's „Abgestürzt" läßt ein Reh, tödtlich getroffen, in einen
Abgrund rollen. Die Lage des Thieres war hier unstreitig bei der
Ausführung das Schwerste und von: Natürlichen bis zum Unnatür-
lichen war nur ein Schritt. Diese Frage wurde nun aus eine Weise
gelöst, welche den Beschauer zwingt, anzunehmen, entweder daß der
Fall eben im Momente erfolgt sei, oder daß das edle Thier im
Todeskampfe liege. Die koloristische Behandlung des Rehs sowohl
als der dasselbe umgebenden Winterlandschaft ist eine so naturgetreue,
wie sie nur immer die münchencr Schule wünschen mag; dieses Bild
kann ihr zur Ehre gereichen. Noch ist sie vertreten durch CH. Mali
im „Viehtransport am See" — einem Bilde, bei dem besonders
die vorzügliche Gruppirung in die Augen fällt — und M. Wolfs
„Schafe".

In Wien scheinen Ranzoni und Bühlmayer die gesammte
Thiermalerei gepachtet zu haben, doch gereicht dies unserer Stadt
durchaus nicht zum Schaden. Ranzoni zeigt uns „Pflügende Ochsen",
„Die Heimkehr", „Schafe" und eine „Ruhende Viehheerde". Wir
müssen das letztgenannte Gemälde eines der besten dieses Künst-
lers nennen. Vor Allein muß hier die Beleuchtung durch die eben
untergehende Sonne in ihrer ganzen Vorzüglichkeit anerkannt werden.
Die Lichtfärbung des Waldsaumes, des Erdgrundes, der Vieheerde
könnte dem besten Landschaftsmaler Ehre machen. An der Viehheerde
bemerken wir nicht allein deutlich die Ruhe, sondern auch ein Wohl-
behagen, das wir unter den,warmen Sonnenstrahlen fast Mitempfin-
den. — K. Bühlmayer malte „Ruhende Thiere", „Kühe am See",
den „Heimtrieb einer Schasheerde" und „Kühe am Wasser"; überall
zeigt er eine fein nuancirte Ausarbeitung und treffliche Komposition.
— Es klingt vielleicht komisch, bei Thierstücken von individuellem
Gepräge reden zu hören, aber L'Allemand's „Herrenlos" trägt
wirklich ein solches an sich. Es stellt ein Pferd dar, das in der
Schlacht seinen Reiter verloren hat und nun in wilder Unruhe unter
Kanonendonner und Trompetenklang die Reihen durchsprengt. Mau
sieht, daß dem Thier hier eine aktive Rolle ertheilt und dadurch ein
persönliches Interesse abgewonnen wurde, das freilich nur iu dem glück-
lichen Pinsel L'Allemand's seine Begründung findet. — In ähnlicher
SBeife behandelte Z. Nottermann seine „Streitenden Assen", aber
mit großer Komik. Auch machen sich bemerkbar: A. Schrödl,
R. Ribarz, A. Reichert, oftmals und vortheilhaft; die Anwesen-
heit von A. Peters und Cl. Nielßen registriren wir ohne weitere
Bemerkung ein. F. Rumpler's „Austritt zur Parforcejagd"
führt uns wieder zur Landschaft. Willroider ist darin Meister.
Sein Kolorit ist tief und kräftig in der „Landschaft aus Kärnthen",
in der Behandlung jedes einzelnen Details naturgetreu, ohne das
eine aus Kosten des anderen glänzen zu lassen. Diesen letzteren so
häufig vorkommenden Fehler finden wir in Halauska's Landschaft
«Aus dem Hagenthal bei St. Audrä", in der wir nach einer so

sorgsamen und in die Augen fallenden Behandlung des Boden-
Vordergrundes für die hinten aufsteigende reiche Vegetation uns
nicht mehr interessiren können, obwohl dieses Gemälde des frisch
lebendigen Kolorits, der vortheilhaften Zeichnung und Komposition
wegen mit Recht gelobt werden muß. Die jungen hübschen Bauern-
mädchen machen die Gegend nur noch anziehender, welche durch eine
Viehheerde an Lebhaftigkeit gewinnt. — L. Vöscher's „Passage zur
Schyniger Platte mit dem Blicke auf die Brenner Hochalpen" leidet
gleichfalls an botanischer Herzbeklemmung. Denn ob dies kein Uebel
sei, daß inmitten einer großartigen Gebirgswelt uns nur Blüthen-
sträucher, freilich im herrlichsten Kolorit, handgreiflich vor die Augen
gerückt werden, bedarf schwerlich einer Beweisführung. Auch fühlen
wir den Boden jeder Symmetrie unter unseren Füßen bedenkliche
Schwenkungen machen, wenn wir die Größe des erwähnten blühen-
den Gebüsches mit jener der unmöglich von demselben weit entfernten
Touristen beiderlei Geschlechtes vergleichen wollen. Aber, wie bereits
gesagt, entschädigt ein prächtiges Kolorit mit gehöriger Licht- und
Schattenvertheilung, eine Sonnenbeleuchtung, deren gewiß nicht leichte
Aufgabe es ist, an einem in die klaren Lüfte ragenden schwarzen Felsen
sich zu brechen, reichlich für die angedeuteten Mängel, die ihre An-
wesenheit auch in den beiden anderen Gemälden dieses Künstlers:
„Die Monte-rosa-Kette" und „Der Hoch-Vernagt", ferner im „Oetz-
thaler Gletschergebiete" nicht verleugnen. In beiden stört die Ge-
drücktheit, welche die au die Rahmen fast anstoßenden Berghäuptcr
erregt haben, ferner, besonders im letzteren, die Komposition, welche,
indem sie den Theil, das Kleine, groß macht und z. B. die einzelne
Eisscholle mit vollendeter Künstlerschaft und wunderbarer Naturtreue
zeichnet, das große Ganze klein macht und den Beschauer dadurch
in eine Lage versetzt, in der er vergeblich nach einer Perspektive von
seinem Standpunkt ans sich Umsehen kann. Bö sch er und viele
andere münchener Künstler schreiten muthigen, verwegenen Schrittes
daher auf dem hohen Seile der Naturwahrheit; aber nur Ein Fehl-
tritt — und sie liegen im Abgrunde der Naturverstümmelung.

(Schluß folgt.)

n. New-Nork, 11. April. (Monument von William
H. Seward.) Das Seward-Monument, welches für den new-
yorker Central-Park bestimmt ist, nähert sich, wie Herr Randolph
Rogers, einer der bedeutendsten unter den jetzt lebenden amerika-
nischen Bildhauern, aus Rom schreibt, seiner Vollendung und wird
im Frühjahr 1875 ausgestellt und enthüllt werden können. Das
Denkmal ist 16'/, Fuß hoch und wird, einschließlich der Kosten des
Transports über den Ocean und der Aufstellung 25,000 Dollars
kosten. Diese Summe ist bereits vollständig durch Subscription
gedeckt und zum größten Theile (18,000 Dollars) auch schon ein-
gezahlt, so daß das betreffende Comitü sich in der angenehmen
Lage befindet, seine dem Künstler gegenüber eingegangenen pekuniären
Verpflichtungen pünktlich zu erfüllen. Eine eingehendere Besprechung
des Monumentes behalte ich mir vor. — Am 11. März d. I. starb,
wie Ihnen wohl bereits bekannt sein wird, der Bundessenator für
Massachusetts, Charles Sumaer; und es ist bereits im Werke,
daß auch ihm, dem cutschiedensten Feinde der Negersklaverei und
treuesten Freunde der farbigen Bevölkerung dieses Landes, ein
Denkmal gesetzt werden soll. William H. Seward und Charles
Sumaer gehören zu den größten Rednern und Staatsmännern der
nordamerikanischen Union; Sumaer aber zeichnete sich noch außerdem
durch seine verständnißvolle Liebe zur Kunst aus und zählte, was
ich noch besonders hinzufügen möchte, zu seinen wärmsten Freunden
unfern talentvollen Landsmann Karl Schurz, den Befreier Gottfried
Kiukel's.
 
Annotationen