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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0235
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227

Kunstkritik.

Hu „st mul Junstiiillustrie in der Weltausstellung.

Von tzarl Älvcrt Ztegnet.

XXIX..

nf den ersten Blick rnochte man eS als ein Glück für
Oesterreich betrachten, daß es als Unternehmer der
Ausstellung nicht mit dem Raume zu geizen brauchte,
wie das wohl andere Länder thun mußten. Dieses
Glück hatte aber auch seine Schattenseite; der weite
Raum bot auch deni Mittelmäßigen, Veralteten und
Unfertigen die Möglichkeit, sich behaglich auszubreiten. Wenn der
Gesannnteindrnck der österreichischen Abtheilung gleichwohl ein über-
aus güstiger war und mit dem der französischen erfolgreich wett-
eifern konnte, so liegt darin das glänzendste Lob für die österreichische
Industrie.

Ein kurzer Umblick in dieser Abkheilung genügte schon, die
Ueberzeugung zu verschaffen, daß auf allen Gebieten der Kunst-
Jndnstrie ein früher unerhörtes Leben sich regte und daß vor Allem
im Großen und Ganzen eine gewisse Uebereinstimmung der Absichten
bemerkbar wurde, die, wenn auch auf verschiedenen Wegen und mit
verschiedenen Mitteln, wesentlich darauf gerichtet war, die französische
Richtung zu bekämpfen, welche wie in Deutschland so in Oesterreich
seit Ludwigs XIV. Tagen die Alleinherrschaft ansgeübt hatte.

Da ist es denn zunächst die Renaissance, deren Stylformen
wir in der österreichischen Abtheilnng vorwiegend begegneten, soweit
es sich überhaupt um einen Bruch mit der Vergangenheit handelte,
und daneben der Dekoration im Geschmacke des Orientes, letztere
freilich fast ausschließlich auf die Teppichweberei beschränkt.

Nirgend tritt uns die Stärke der Reform ausgesprochener ent-
gegen als auf dem Gebiete der Möbel. Von den tausend charakte-
ristischen Arbeiten dieser Sphäre können natürlich nur einzelne her-
vorgehoben werden; so ein Surporte von F. Schoenthaler in
Wien, das ebenso gut in Marmor hätte auSgeführt werden können,
ohne an feinem inneren Charakter zu verlieren, eine Thür eines
Speisezimmers im Styl der Spätrenaissance von ebendemselben,
eine Uhr von Koenig n. Feldscharek, ausgesührt von Hann sch und
Dziedzinski in Wien, ein Nußbanmholzschrank mit Bemalung
von Jos. Kraus u. Sohn in Wien; Stühle von Storck, aus-
gcführt von Haas u. Söhne in.Wien; Tabourete ans Ebenholz
ans derselben Fabrik, ein Jagdschrank aus Eichenholz von C. Graff,
ansgeführt von Jrmler in Wien; das prächtige Ebenholzkästchen
mit vergoldeter Bronze und Email von Ratzersdorfer daselbst
u. A. — Daran reihen sich die stylvollen Möbel- und Tapeten-
stoffe von Phil. Haas u. Söhne in Wien, die an Schönheit
und Solidität von keiner anderen Fabrik übertroffen werden, die
vielfach.au antike Formen anknüpfende Produkte der Bobbinet- und
Spitzen-Fabrik von Faber & Comp, in Wien, die Leinendamaste,
nach Jos. Storck, ausgeführt von Küsferle daselbst, im reinsten
griechischen Geschmacke; die feinen nach Lieb's Entwürfen von Giani
in Wien ansgeführten Möbelstickereien und die prächtigen Imitationen
alter persischer Teppiche von Phil. Haas n. Söhne in Wien.

Die Fabrikation orientalisch dekorirter Stoffe in Wien hat ihre
eigene, nicht uninteressante Geschichte. Seit 1867 hat der Handel
mit solchen Stoffen in Wien bereits eine großartige Ausdehnung
erreicht, obwohl vor diesem Jahre daselbst auch nicht ein einziges
Stück Zeug dieser Art daselbst producirt worden war. Im ge-
nannten Jahre hatte das österreichische Museum orientalische Stoffe
verschiedener Art angekauft und kurze Zeit danach holte man aus
dein kaiserlichen Lustschlosie Schönbrunn alte persische Teppiche her-

vor. Die ihnen nachgebildeten wiener Fabrikate übertreffen nun die
neueren persischen vielfach an Schönheit der Zeichnung und Farbe,
und Wien führt einen ungemein ausgedehnten Handel selbst nach
dem Orient: Phil. Haas u. Söhne produciren solche Teppiche
im Preise bis zu 5000 Gulden. Und was von höchstem Interesse:
diese abendländischen Erzeugnisse übertreffen viele der modernen
orientalischen, weil sie nach alten Arbeiten hergestellt sind, deren
Farbenpracht und Zeichnung heute im Orient nicht mehr erreicht
werden.

Aber die oben erwähnte Fabrik von Phil. Haas u. Söhne ist
nicht die einzige in Oesterreich, welche die Reformbestrebungen der
Gegenwart in Bezug auf Möbelstoffe vertritt, sieben den Mnster-
leistungen im österreichische» Kaiserpavillon, muß rühmend hervor-
gehoben werden, was Giani in Brokaten und Seidenstoffen in
durchaus selbstständiger Weise geleistet und der Angehörige des
neuen großen deutschen Reiches konnte nicht umhin, sich zu gestehen,
daß was Deutschland in seiner Abtheilnng im Allgemeinen und im
Pavillon des deutschen Kaisers im Besonderen nach dieser Richtung
geleistet, weit hinter den einschlägigen Leistungen Oesterreichs zurück-
blieb, an denen Storck, Schoenthaler, Fr. O. Schmidt n. A. einen
so glänzenden Antheil genommen.

Daß der französische Geschmack noch keineswegs aus dem Felde
geschlagen worden, ward schon oben angedeutet und es wäre unbillig
zu verkennen, daß in dieser Richtung von österreichischen Producenten
gleichfalls Mustergiltiges geschaffen worden. Als Beispiel dieser Pro-
duction mag das Prachtbett von Hassa u. Sohn in Wien angeführt
werden, das im Style Ludwig XIV. ausgeführt war.

Das Bild, welches die österreichische Glas-Industrie in der
Ausstellung dem überraschten Blicke bot, war eines der großartig-
sten und unbedingt das blendendste im ganzen Industrie-Palaste.
Die prächtigsten Spiegel in vergoldeten oder aus einzelnen Spiegel-
stücken, die kunstvoll zusammengesetzt waren, bestehenden Rahmen be-
deckten die weiten Wände. Aus hundert elegant gesonnten Schränken
und von ebenso vielen Tischen und Tischchen glitzerten Tausende von
vielgestaltigen Glasgefäßen den, Beschauer entgegen. Aber ihr Glitzern
und Blitzen vermochten doch den Blick nicht so zu fesseln wie die un-
zähligen von der Decke der laugen Gallerie herabhängendeu schimmern-
den Kronleuchter. Und schien nun gar die Sonne durch die hohen
Bogenfenster, so war das ein so wunderbares Flimmern und Glitzern,
Glänzen und Strahlen in allen Farben des Rcgenbogens ans tausend
und abertausend Glasprismen, so daß man sich kaum von dem reizen-
den Anblick trennen konnte.

Da war es denn zuvörderst das berühmte böhmische Glas, da?
die Aufmerksamkeit des Besuchers in Anspruch nahm. Früher konnte
man an demselben eigentlich nur die gute und solide Arbeit loben,
während der Geschmack viel zu wünschen übrig ließ. Nun tritt uns
in den böhmischen Glasarbeiten auch ein weit besserer Geschmack ent-
gegen: die aus dem sechszehnten Jahrhundert auf uns gekommenen
prächtigen Gefäße aus Bergkrystall mit cingeschliffener Arbeit sind
es, die den Producenten heute als Muster dienen und die tüchtig-
sten künstlerischen Kräfte der Reichshanptstadt, wie Hansen, Storck
u. A., unterstützen sie in ihrem rühmlichen Streben. Den ersten
Anstoß dazu aber gaben Lobmeyer und Kralik in Wien und ihre
Leistungen zählen zu den ersten dieser Art in der Gegenwart.

Jahrhunderte hindurch war Böhmen der einzige Sitz der öster-
reichischen Glasindustrie und aus dieser Zeit stannnt es, wenn man
 
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