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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 3.1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.1196#0060
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Manches der Art, was bisher ganz übersehen, aber von wesent-
licher Bedeutung für Cranach's Leben war, eingereiht, vor Allem
aber eine grosse Menge archivarischer Notizen und Urkunden,
besonders aus den weiraarischen Archiven, beigebracht, aus
denen sich zum Theil höchst charakteristische und bezeichnende
Beiträge für das Leben und die Wirksamkeit des alten Meisters
ergeben. So durfte der Verf. mit gutem Rechte sagen, dass
der grösste Theil seines Buches, schon in dieser Beziehung,
neu ist; wer von Cranach's Lehen eine Anschauung gewinnen
will, wird in der That fortan nur dies Werk als gültige Quelle
betrachten können.

Wie schon angedeutet, enthält der genannte Abschnitt,.—
obgleich auch er den ausdrücklichen Titel führt, — keine wirk-
liche Beschreibung oder Schilderung von Cranach's Leben. Es
sind die Mittheilungen der festen Punkte über dasselbe, die kri-
tischen Untersuchungen über Dunkles oder Zweifelhaftes, die
Widerlegungen irrthümlicher Ansichten, und überall an den be-
treffenden Stellen eingereiht die Berichte von Zeitgenossen im
Original und, wo es nöthig war, in der Ueberselzung, die Briefe,
die Dokumente, die Masse alter Quittungen, deren unscheinbare
Form so oft den schätzbarsten Inhalt hat. Das Werk erscheint
hienach mehr zum SpezialStudium als zur Leetüre geeignet und
bestimmt. Es kommt uns, zumal bei diesen äusserst dankens-
werthen Gaben, nicht zu, mit dem Verf. darüber zu rechten,
dass er eben nur Materialien gab und sie nicht zugleich in hö-
herem Sinne biographisch bearbeitete; es wird um so besser
vielleicht in Zukunft auf diesem Grunde, im Hinblick auf die
allgemeinen, so mächtig bewegten geschichtlichen Verhältnisse
jener Zeit und durch das Vermögen einer künstlerisch geschicht-
lichen Darstellung getragen, ein Lebensbild ausgeführt werden
können, das in Wahrheit zu den interessantesten, wie für die
Kunstgeschichte, so für die culturgoschichtlichen Verhältnisse
der Reformationsepoclie gehören dürfte '). Das aber wäre aller-
dings vom Verf. zu fordern gewesen, dass er seine Mittheilun-
gen — etwa durch Unter-Abschnitte und deren Bezeichnungen
— etwas übersichtlicher gegliedert hätte, dass er Alles, auch
das Verschiedenartigste, nicht in durchaus ununterbrochener
Folge aneinandergereiht, dass er dabei jedem Vorkommniss
seine bestimmte Stelle gegeben und Wiederholungen vermieden
hätte, dass er Text und Anmerkung nicht gelegentlich mitein-
ander in Widerspruch gesetzt und dass er, da e'r doch keine
biographische Arbeit im höheren Sinne beabsichtigte und da
keine Anforderung eigner dichterischer Befähigung an ihn ge-
stellt war, die Massen lateinischer Verse, die er als urkundliche
Zeugnisse mit angeführt, nicht in unlesbare deutsche Verse,
sondern in eine einfach natürliche deutsche Prosa übersetzt
hätte2). Es ist zu wünschen, dass der Verf., wenn es zur
zweiten Auflage seines Werkes kommt, diesen, nur die bessere
Benutzbarkeit des letzteren bezweckenden Bemerkungen freund-
lich Rechnung tragen möge 3). —

1) Um Missverständnissen vorzubeugen, bemerke ich, dass ich mit einer
solchen Darstellung in keiner Weise jenen ausgeschmückten blumenreichen
Vortrag meine, gegen den sich der Verf. aus guten Gründen im\Vorworte
verwahrt. Vielmehr halte ich auch zur eigentlichen Geschichtsdarstellung
volle Naivetät des Vortrages für unbedingt erforderlich. Kur ist sie eben
etwas ganz Anderes, als das Zusammenhängen von Materialien und kritischen
Vorstudien, wie häufig es auch heutiges Tages von den Historikern beliebt
werden mag, Arbeiten solcher Art den Titel der Gescbichtsclireibung zu geben.

2) Unter den hunderten hieher gehöriger Beispiele nur eins. Den la-
teinischen Pentameter:

Credibile est pingi se zohdsse Dcum
übersetzt der Verf.', S. 104:

„Malen dass Gott sich gewollt, glaube ich gerne, von Dir."

3) Wäre dem Verf. für den Gesammtplan seiner biographischen iYlitthei-
lungen ein abweichender Vorschlag zu machen gewesen, so würde ich die

Es wird dem Interesse der Leser entsprechen, wenn ich
hier eine gedrängte Uebersicht der Lebensverhältnisse Cranach's,
wie sie sich nach diesen Mittheilungen herausstellen, folgen lasse.
Lucas Cranach ist, wie bekannt, im J. 1472 zu Kronach
in Franken geboren. Dass sein ursprünglicher Familienname
„Sunder" geheissen habe, ist nicht hinlänglich verbürgt. (Dass
der angebliche Familienname „Müller" auf einer völlig willkür-
lichen Annahme beruht, ist längst erwiesen.) Die Familie übte
schon in früheren Gliedern die Kunst der Malerei; er lernte
dieselbe bei seinem Vater. Dass er, wie neuerlich vermuthet
worden, ein Schüler des Matthäus Grünewald gewesen, ist un-
wahrscheinlich; näher liegt die Vermuthung, dass der letztere
sein Mitschüler war. Bis zu seinem zwei und dreissigsten Le-
bensjahre ist nichts Näheres über ihn bekannt; doch ist es, aus
Gründen, wahrscheinlich, dass er schon vor dieser Zeit u. A.
Wien besucht und dort gemalt hat. Dass er, wie überall be-
hauptet worden, den Kurfürsten Friedrich den Weisen im Jahre
1493 auf dessen Wallfahrt nach dem gelobten Lande begleitet
habe, ist nicht zu erweisen und völlig unwahrscheinlich.

Im J. 1504 trat er in die Dienste dieses Kurfürsten und
Hess sich in Wittenberg häuslich nieder; er empfing in diesem
Verhällniss sofort ein Jahrgeld von 100 Gulden, während die
andern Maler, die in Diensten des Kurfürsten standen, nur 40
Gulden empfangen hatten. Er war also ohne Zweifel ein Künstler
von bereits anerkanntem Rufe J). Wenige Jahre später, in einem
Sendschreiben, womit ihm Dr. Scheurl im J. 1509 eine akade-
mische Rede widmete, wird er als der erste deutsche Maler
nächst Dürer bezeichnet; besonders wird hiebei die Natürlichkeit
seiner Bilder gerühmt, womit er Menschen und Thiere täusche
und wird ihm die, durch steten Fieiss erworbene, „bewunde-
rungswürdige Schnelligkeit", mit welcher er seine Bilder aus-
führe, zum besonderen Verdienst angerechnet, ebenso, wie er
vier und vierzig Jahre später, auf der Inschrift seines Grab-
steines, als der grösste Schnellmaler fpicior celerrimusj ge-
rühmt wird2). Ausserdem wird in dem genannten Sendschrei-
ben die Liebenswürdigkeit seines persönlichen Verhallens her-
vorgehoben. Im J. 1508 empfing er durch den Kurfürsten einen
Wappenbrief und mit diesem das Wappen einer geflügelten
Schlange, die er übrigens schon vorher als Künstlerzeichen ge-
führt hatte. Vielleicht ist diese persönliche Auszeichnung mit
der Reise in die Niederlande, die Cranach im J. 1509 im Auf-
trage des Kurfürsten, — mit einer diplomatischen Mission, wie
es den Anschein hat, unternahm, in Verbindung zu bringen.
Er malte auf dieser Reise den damals achtjährigen Karl (nach-

Zusammenstellung sämmtlicher urkundlichen Anführungen zu einem besonder»
Urkunüenbuche für wünschenswerth gehalten haben. Dann hätte viel-
leicht auch eine ziemlich beiläufige, aber eigentümlich wichtige Mittheilung
(in der Anmerkung I, S. 87) vielleicht eine ihrer Bedeutung mehr zusagende
Stelle erhalten können. Dies ist die urkundliche Angabe der Kosten, welche
das von Hervmann Vischer gearbeitete bronzene Denkmal des Kurfürsten
Johann des Beständigen in der Schlosskirche z« Wittenberg erfordert hatte
und welche sich auf 897 Gulden 4 Gr. 2 Pf. heliefen.

1) Das Datum 1504^ das frühste bisher bekannte auf Gemälden Cra-
nach's, tragt jenes, auch von dem Verf. beiläufig erwähnte Gemälde in der
Gallerie Sciarra zu Rom, welches eine heilige Familie und eine Masse En-
gelchen in einer Landschaft darstellt. Dies zierliche und schon ganz in Cra-
nach's eigenthümlicher Weise behandelte Bildchen ist, wie ich hier beifügend
bemerke, ausser der Jahreszahl mit einein verschlungenen LC bezeichnet,
völlig in der Weise und nur feiaer gebildet, wie das Monogramm No. 6
(vom J. 1506) auf Schuchardt's Monogrammentafel.

2) Man hat früher geglaubt, dem Steinmetzen, der den Grabstein ge-
arbeitet, einen Schreibfehler zur Last legen und den Cclerrimus in einen
Celeberrimvs verwandeln zu müssen. Die anderweitigen Zeugnisse für Cra-
nach's in der That ungewöhnliche Schnellmalerei beweisen aber, dass diese
philologische Emendation, wie so häufig die aus ungenügender Sachkennt-
niss hervorgegangenen Textverbesserungen, eine völlig willkürliche war.
 
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