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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 7.1856

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https://doi.org/10.11588/diglit.1200#0091
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82

dessen Vortrag der Kunstgeschichte gehörte Aeußerung, daß die Mi-
niaturmalerei in der süßlichen Punktirmanier, mit welcher sie bis
jetzt betrieben worden, eigentlich gar nicht zur Kunst gehöre, den Ent-
schluß in ihm hervorrief, diesem Zweig der Malerei fest und un-
widerruflich getreu zu bleiben, aber auch seine ganze Kraft an die
Erhebung desselben auf eine der Kunst würdige Stufe zu wenden.

Ueber die Erfahrungen, die er sofort bei dem Versuch machte,
die Oelbilder alter Meister in ihrer Farbentiefe mit Wasserfarbe auf
Elfenbein überzutragen, lassen wir ihn selbst sprechen:

„Ich begann, sagt er, meine Arbeit an einem Bilde von van
Dyck, das mich sehr ansprach, indem ich ein Farbenspiel darin ent-
deckte, das ich nicht kannte. Ich malte einige Zeit an diesem Bilde,
aber je weiter ich kam, desto fremder schienen mir auch die Farben,
denn sie waren nicht diejenigen, die ich im Leben sah und kennen
lernte. Ich suchte Wahrheit und konnte sie nicht finden; dies machte
mich ganz melancholisch, und vollends auf die Versicherung des Di-
rektors v. Dillis hin, daß die Farben des Originals rein der
Natur entnommen seien, glaubte ich mich unfähig, richtig zu sehen,
denn auch bei anderen Bildern fand ich Farben, die ich bei 600
Bildern, die ich vorher nach dem Leben malte, nie entdeckt hatte.
Einige Tage verstrichen mir qualvoll, und was ich auch malte, war
ohne weitere Berechnung. Da geschah es, daß ich an einem schö-
nen Abend durch eine Allee in München ging; unwillkürlich blieb
ich stehen, um einen vorübergehenden Mann anzustaunen, der wie
bemalt war mit den Farben, die mir so . unbekannt schienen. Andere
Personen sahen desgleichen aus.

Mir ging ein Licht auf wie eine Fackel. Es war die Sonne,
welche die Färbung machte, und obgleich ich solche schon tausendmal
ebenso sähe, so blieb sie mir doch auf so lange Zeit in meinem mit-
ternächtlichen Malerlicht zur Anwendung fremd.

Ich konnte den Morgen kaum erwarten, um wieder auf mei-
nen Wagen zu kommen, ich phantasirte mir die Sonne auf die Far-
ben, und wenn ich auch einen Titian vor mir gehabt hätte, ich hätte
ausrufen müssen: ja das ist Wahrheit! Ich malte nun mit voller
Zuversicht, die mir auch seither nicht mehr genommen wurde, weiter,
und konnte nach und nach mit jedem Kolorit übereinstimmen, lernte
aber auch von da an die Färbung im Leben mit ganz andern Au-
gen ansehen. Es hat sich damals fast augenblicklich ein unabsehbares
Feld in meinem Fach für mich aufgeschlossen. Kein Kolorit wurde
mir mehr schwer, und ich wußte bald jedem Original nach dem
Leben eine passende Beleuchtung zu geben."

Das bezeichnete Studium nach alten Bildern setzte Holder wäh-
rend ungefähr 12 Jahren in den Galerien zu München, Dresden,
Prag, Paris in der Art fort, daß er je die eine Jahreshälfte über
in der Heimath mit der Anwendung des Gewonnenen auf das Leben
sich beschäftigte. Von den Vorständen der Galerien wurden seine
Bemühungen sehr entgegenkommend unterstützt und die von ihm zu
Dresden ausgeführte Uebertragung des Zinsgroschens von Tizian,
zu welcher ihm das Original aus der Sammlung in ein Arbeits-
zimmer verabfolgt war, veranlaßte seine Ernennung zum Ehrenmit-
glied der Akademie.

Mit welchem Erfolg Herr Holder seinen Vorsatz, die Miniatur-
malerei auf die Stufe echter Kunst zu erheben, zur Ausführung ge-
bracht hat, das ist der Kunstwelt bekannt, und durch das oben an-
geführte vollgültige Urtheil der Münchener Kommission belegt. Eine
Frucht seiner Bemühungen, bei welchen von Anfang bis zu Ende
im Grunde ganz allein er selbst sein Lehrmeister war, hat er in dem
Besitz eines schönen Vermögens geerntet; eine höhere Frucht, die er
wünscht, ist, daß das Ergebniß seiner Anstrengungen der Kunst selbst
dauernd zu Statten komme, und die Förderung dieses Wunsches ist
der einzige Beweggrund der Veröffentlichung der besonderen Technik
seiner Malerei, die er folgendermaßen beschreibt:

„Meinem Vorhaben, die Miniaturmalerei auf eine höhere Stufe
künstlerischer Vollendung zu bringen, und die Werke derselben vor
der bisherigen, oft allzu raschen Vergänglichkeit zu bewahren, traten
viele und große Schwierigkeiten in den Weg, die durch Erfahrung
und Studium erst gehoben werden mußten, ehe ich mich eines be-
friedigenden Resultates erfreuen durfte. Unter die hauptsächlichsten
dieser Schwierigkeiten zähle ich

1. die Präparirung der großen, oft zu braunen Elfenbeinplatten
zu weißen und durchsichtigen Tafeln;

2. die häufig unebenen und störrigen Platten auf feste Unterlagen
zu bringen, das Abspringen von diesen zu verhüten und den
Platten eine schöne dauernde Fläche zu sichern;

3. dem Ausbleichen mancher Farben vorzubeugen, und

4. den Gemälden jenen kräftigen und klaren Ton zu geben, der
mir im Leben wie in alten Bildern entgcgentrat. Daß die-
ses in der bisher geübten Weise nicht zu erreichen war, mußte
ich bald bemerken und einsehen, daß, je mehr ich meine Mit-
tel erschöpfte, je trüber und flauer meine Bilder wurden.

Diesen Uebelständen begegne ich nun in nachstehender Weise:

Betreffend Nr. 1 und 2, so ist auf kleine Elfenbeinplatten, die
gewöhnlich weiß sind, wenig Rücksicht zu nehmen. Dieselben dürfen,
wie später bei den großen gezeigt wird, blos abgeschliffen und auf
weißes Papier aufgeleimt werden, und sie sind zum Malen vor-
bereitet.

Ein anderes ist's mit den großen Elfenbeinplatten, die meistens
krumm und störrig, gelb und undurchsichtig sind, daher in diesem
Zustand für ein Helles Kolorit nicht taugen. Diese hänge ich auf
etwa 24 Stunden in einen Schwefelkasten, bis sie bleich werden;
wird dadurch der Zweck nicht ganz erreicht, so bestreiche ich dieselben
mit einem Teig von Pfeiffererde, welche nach einiger Zeit das Fett
genügend herauszieht, und es wird die nöthige Durchsichtigkeit be-
zweckt sein. Nun lege ich die Platte, die meistens unschmiegsam ist,
auf so lauge ins Wasser, bis sie weich genug ist, um als naß auf
ein dickes Glas ganz geschmeidig aufgelegt werden zu können. Ich
bringe eine Lage von feinstgeschlemmtcm Bimssteinmehl daraus und
schleife mittelst eines Glasreibers das Elfenbein so lange, bis alle
Sägeritzen und Unebenheiten verschwunden sind. Nun muß die Platte
mittelst Gummi arabicum auf eine weiße, ebene Unterlage aufgezo-
gen werden. Würde dies im nassen Zustande geschehen, so würde
sie gewiß, wenn sie trocken wird, zerspringen oder die Unterlage
krumm ziehen, was mir nur zu oft begegnete; es hat mir sogar
liniendicke Zinkplatten krumm gezogen. Da aber das Bild wäh-
rend der Arbeit ganz eben sein und auch bleiben muß, so bin ich
nach vielen vergeblichen Proben auf folgende Behandlung gekommen,
die sich mir bisher als ganz zweckmäßig gezeigt hat.

Ich lasse mir von ganz abgelagertem weiMn Ahornholz, wel-
ches am meisten im Ein- und Ausgehen mit dem Elfenbein gleichen
Schritt hält, Brettchen schneiden, etwas größer als die Bilder, von
stark \ Linie bis f Linien Dicke. Wenn dieselben krumm werden,
so müssen sie ganz leicht durch das Glas im Zaum gehalten werden
können, sonst sind sie zu dick.

Ich befeuchte ein ziemlich starkes weißes Papier, bestreiche das
Brettchen mit starkem Gummi, streiche mit dem Finger den Ueber-
fluß ab, lege das Papier darauf, und bringe das Ganze auf einige
Stunden in eine Presse, bis es gut getrocknet ist. Hierauf nehme
ich das getrocknete Elfenbein (wenn es geschmeidig ist), bestreiche es
auf der ungeschliffenen Seite mit starkem Gummi, lege cs auf das
aufgezogene Papier und bringe cs wieder in die Presse, gleichfalls
auf so lange, bis es gut getrocknet ist. Ist aber die Elfenbeinplatte
ungeschmeidig und krumm, so berechne ich den ungeschlachten Theil
für den Hintergrund oder das Kleid, bringe demselben vermittelst
Federmesser und Lineal einen durchgehenden Schnitt bei, so weit er
 
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