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bar; denn ans absichtliche Veredlung und Jdealisirung dürfte Wohl
kaum zu schließen sein.
Daß man aber diese untergeordnete Sphäre des Dämonischen
auch im höheren Styl behandeln könne, hat der „letzte Maler-
Italiens,-" wie er genannt worden, hat Salvator Rosa an seiner
„Hepe von Endor" (im Louvre) zeigen dürfen, dem besten Werk
seines Pinsels vielleicht, seines Genius sicher. Es ist vielleicht nicht
zu viel gesagt, daß man davor den Unglauben an Geistererschei-
nungen vergessen kann? So unheimlich-momentan steht der Pro-
phet im Leichentuch vor dem zitternden König, so fremdartig däm-
mert um beide das fahle Licht, so sinnverwirrend rauscht Nachtge-
flügel, stiert das gespenstische Gaulskelett ans dem Dunkel! Was
uns aber am nächsten angeht, die Hexe selber -— es ist wahr, daß
ihre greise abgemagerte Gestalt sich fast tänzerhast spreizt, aber es
ist eben so wahr, daß diese „ phantastisch slügelmännischen Beschwö-
rungsgeberden" (wie Göthe dergleichen zu nennen pflegt) hier völlig
am Ort sind. Wir wissen nicht recht, was sie vor hat mit dem
antiken ehernen Dreifuß, — ob sie zauberisches Räuchwerk darüber
anzündet, oder was sonst, -— König Saul hat es auch nicht gewußt.
Aber so muß die Canidia des Horaz, so muß die antike Hepe über-
haupt sich geberdct und ausgesehen haben; nur die Dichter haben
uns ihre Gestalten bewahrt, aber wie durch Inspiration, dünkt uns,
hat sie der Maler errathen.
Und nun bleibt uns, ehe wir den Boden älterer Kunstentwickc-
lung verlassen, nur noch eine malerische Individualität zu betrachten
übrig, in welcher die „Diablerie" gleichsam ihren Kreislauf durch
das ganze Gebiet figürlicher Darstellung vollenden sollte. Gewisser-
maßen von der Arabeske (der alten Miniaturen) ausgehend, hatte
sie die historische Kunst treulich bis zu ihren höchsten Spitzen in
Dürer, Michelangelo und Raphael begleitet, hatte andrerseits von Bosch
zu Teniers das Gebiet des Genre bis ins Thicrstück, ja bis an
die Grenzen des Stilllebens durchwandelt, um nun am Arm des
Jacques Callot, den letzten übrigen Kreis, den der Carica-
tur zu betreten.
Die Behauptung mag bizarr scheinen, wie ihr Gegenstand selbst,
daß des Bosch und Brenghel mißgestaltete Lieblinge noch erst Cari-
caturen werden könnten, aber wir wüßten keinen entsprechenderen
Ausdruck für den eigenthümlichen Charakter frivoler Ironie' (statt
der srühern düstern Phantastik, oder des spätern, etwas schwerfälligen
Humors) zu finden, der Callots Teufel auf seiner großen Versu-
chung des heiligen Antonius (wenn nicht der besten, doch der be-
rühmtesten Version diesen fruchtbaren Sujets) von allen ihren
Vorgängern unterscheidet. Keine der letzteren sind so liederlich ge-
nial in der Form, so geistreich frech im Ausdruck, aber (um gerecht
zu sein) auch keine von solcher Freiheit und solch sprechendem Witz
in der Conception, und wenn diese, wie wir oben sagten, die Hy-
pochondrie oder der Wahnsinn, so müßte jene, die Callot'schen, ein
toller Champagnerransch erzeugt haben.
Der Heilige und die Versuchung selbst sind, fast wie bei Bosch
der Himmel, nunmehr auch räumlich in den Winkel gedrängt von
dem wilden Geistercarneval, in dem freilich manche alte Bekannte
neckend auftauchen, vorherrschend aber doch eine bewunderungswerthe
Fülle völlig origineller Erfindungen wie eine Legion verkörperter
Calembourgs caracolirt und Rad schlägt. Pfaffen und Advocaten,
Soldaten und Hofschranzen — man könnte alle Stände und Ver-
hältnisse einer corrumpirten menschlichen Gesellschaft aufs ergötzlichste
dargestellt finden, aber (zum Unterschied z. B. von Breughels Tod-
sünden) nicht von strafendem Ernst, sondern von zügelloser Laune
gegeißelt. Ernst und Wahrheit sind hier überhaupt, wie vielleicht
noch nie außer Cours. Dies luftige Gesindel, sagt uns nicht bloß
der Verstand, kann nicht existiren: es macht auch wirklich nicht An-
spruch darauf, sonderu scheint sich grinsend über seine eigene innere
Unmöglichkeit zu amüsiren.
Daraus ergiebt sich denn unmittelbar ein zweites Moment,
was den höheren Kunstregionen leider schon früher nicht fremd
mehr, jetzt zum erstenmal in die Hölle eindringt; — wollte Gott,
es hätte nie anderswo Eroberungen gemacht! Diese Nachtwächter-
krebse mit Spieß und Laterne, diese aufgepufften, degenklirrenden
Capitaine und Feuerwerker sind noch etwas anders als Caricaturen.
Sie sind nicht Larven mehr, im antiken Sinne, sondern Masken
im allermodernsten, sie sind mit einem Wort — theatralisch.
Legt man die italienischen Comödienfignren desselben Meisters da-
neben, den Scaramuz und Pulcinella, den renommistischen Capitain
Cardoni und den pedantischen Doctor Maramao, — betrachtet man
diese spitzen saugerüsselartigen Nasen, diese Fühlhörnern ähnlichen
überlangen Hutfedern, dieses Aermel- und Beinkleiderwesen, das
hängenden Flügeldecken gleicht, — (man weiß nicht, ob sich Insek-
ten zu Menschen oder umgekehrt maskirt haben) so wird man die
äußere, und bei Vergleichung ihres ganzen Auftretens, auch die
innere Verwandtschaft unverkennbar finden.
So hat sich denn für diesmal das Böse in seine eigene lachende
Parodie aufgelöst und daö letzte Wort ist auf lange hin in diesen
Dingen gesprochen. Diese Grimassen vermögen nur Kinder und
alte Weiber zu erschrecken: Männer lachen darüber — das ist die
gefährliche Moral, mit der sich das leichtsinnige Franzosenthum jener
Zeit, in und außer Frankreich, mit dem ewigen Grundbegriff des
Bösen abfindct.
Aber auch wir schließen ab, wenn auch ebenfalls nur für dies-
mal. Eine ernstere Zeit hat den ernsten Gedanken wieder ausge-
nommen, und alsbald hat auch die Kunst nach langer Pause den
alten schlimmen, aber interessanten Kumpan wieder ausgesucht, der
trotz Hegels Verneinung, doch immerdar für sie eine dankbare
Aufgabe bleiben wird. Diese Wiederaufnahme sei denn, deutschem
Triebe zur Vollständigkeit gemäß, der Gegenstand unserer Schluß-
betrachtung.
Ku nsflifürntnr.
Künstler - Briefe, übersetzt und erläutert von Dr. Ernst Guhl.
Zweiter Baud. Berlin, Verlag von L. Guttentag. 1856.
Von G F. Waagen.
Der zweite Band dieses Werkes, dessen ersten ich in: D. Kunst-
blatte besprochen habe, enthält vornehullich Briese von italieni-
schen Künstlern aus den: Ablauf des 16. und aus dem 17. Jahr-
hundert. Von Künstlern anderer Nationen sind nur wenige ver-
treten, aber freilich bieten zwei so bedeutende, wie Rubens und
Nicolas Poussin, eine Reihe von Briefen dar, welche an Interesse
des Inhalts die der sämmtlichen Italiener weit übertreffen. Und
das ist auch sehr begreiflich. Denn wie willig ich auch die großen
Verdienste der Carracci und ihrer Schule, sowie die minder be-
deutenden des Michelangelo da Caravaggio und seiner Nachfolger
anerkenne, so erscheint doch diese ganze spätere italienische Malerei
im Vergleich zu den wunderwürdigen Leistungen derselben im 15. und
den ersten vierzig Jahren des 16. Jahrhunderts immer nur als eine
schöne Nachblüthe, welche als neues Moment in Italien nur den
Anbau der Landschaft, als eine besondere Gattung, aufzuweisen hat.
Dagegen dürfte nur eine Stimme darüber herrschen, daß die Malereides
17. Jahrhunderts in den Niederlanden, wie hoch man auch die Brüder
van Eyck und ihre Schule halten mag, den Namen einer zweiten Blüthe
in vollem Maße verdient, da sie nicht allein die Aufgaben der ftü-
bar; denn ans absichtliche Veredlung und Jdealisirung dürfte Wohl
kaum zu schließen sein.
Daß man aber diese untergeordnete Sphäre des Dämonischen
auch im höheren Styl behandeln könne, hat der „letzte Maler-
Italiens,-" wie er genannt worden, hat Salvator Rosa an seiner
„Hepe von Endor" (im Louvre) zeigen dürfen, dem besten Werk
seines Pinsels vielleicht, seines Genius sicher. Es ist vielleicht nicht
zu viel gesagt, daß man davor den Unglauben an Geistererschei-
nungen vergessen kann? So unheimlich-momentan steht der Pro-
phet im Leichentuch vor dem zitternden König, so fremdartig däm-
mert um beide das fahle Licht, so sinnverwirrend rauscht Nachtge-
flügel, stiert das gespenstische Gaulskelett ans dem Dunkel! Was
uns aber am nächsten angeht, die Hexe selber -— es ist wahr, daß
ihre greise abgemagerte Gestalt sich fast tänzerhast spreizt, aber es
ist eben so wahr, daß diese „ phantastisch slügelmännischen Beschwö-
rungsgeberden" (wie Göthe dergleichen zu nennen pflegt) hier völlig
am Ort sind. Wir wissen nicht recht, was sie vor hat mit dem
antiken ehernen Dreifuß, — ob sie zauberisches Räuchwerk darüber
anzündet, oder was sonst, -— König Saul hat es auch nicht gewußt.
Aber so muß die Canidia des Horaz, so muß die antike Hepe über-
haupt sich geberdct und ausgesehen haben; nur die Dichter haben
uns ihre Gestalten bewahrt, aber wie durch Inspiration, dünkt uns,
hat sie der Maler errathen.
Und nun bleibt uns, ehe wir den Boden älterer Kunstentwickc-
lung verlassen, nur noch eine malerische Individualität zu betrachten
übrig, in welcher die „Diablerie" gleichsam ihren Kreislauf durch
das ganze Gebiet figürlicher Darstellung vollenden sollte. Gewisser-
maßen von der Arabeske (der alten Miniaturen) ausgehend, hatte
sie die historische Kunst treulich bis zu ihren höchsten Spitzen in
Dürer, Michelangelo und Raphael begleitet, hatte andrerseits von Bosch
zu Teniers das Gebiet des Genre bis ins Thicrstück, ja bis an
die Grenzen des Stilllebens durchwandelt, um nun am Arm des
Jacques Callot, den letzten übrigen Kreis, den der Carica-
tur zu betreten.
Die Behauptung mag bizarr scheinen, wie ihr Gegenstand selbst,
daß des Bosch und Brenghel mißgestaltete Lieblinge noch erst Cari-
caturen werden könnten, aber wir wüßten keinen entsprechenderen
Ausdruck für den eigenthümlichen Charakter frivoler Ironie' (statt
der srühern düstern Phantastik, oder des spätern, etwas schwerfälligen
Humors) zu finden, der Callots Teufel auf seiner großen Versu-
chung des heiligen Antonius (wenn nicht der besten, doch der be-
rühmtesten Version diesen fruchtbaren Sujets) von allen ihren
Vorgängern unterscheidet. Keine der letzteren sind so liederlich ge-
nial in der Form, so geistreich frech im Ausdruck, aber (um gerecht
zu sein) auch keine von solcher Freiheit und solch sprechendem Witz
in der Conception, und wenn diese, wie wir oben sagten, die Hy-
pochondrie oder der Wahnsinn, so müßte jene, die Callot'schen, ein
toller Champagnerransch erzeugt haben.
Der Heilige und die Versuchung selbst sind, fast wie bei Bosch
der Himmel, nunmehr auch räumlich in den Winkel gedrängt von
dem wilden Geistercarneval, in dem freilich manche alte Bekannte
neckend auftauchen, vorherrschend aber doch eine bewunderungswerthe
Fülle völlig origineller Erfindungen wie eine Legion verkörperter
Calembourgs caracolirt und Rad schlägt. Pfaffen und Advocaten,
Soldaten und Hofschranzen — man könnte alle Stände und Ver-
hältnisse einer corrumpirten menschlichen Gesellschaft aufs ergötzlichste
dargestellt finden, aber (zum Unterschied z. B. von Breughels Tod-
sünden) nicht von strafendem Ernst, sondern von zügelloser Laune
gegeißelt. Ernst und Wahrheit sind hier überhaupt, wie vielleicht
noch nie außer Cours. Dies luftige Gesindel, sagt uns nicht bloß
der Verstand, kann nicht existiren: es macht auch wirklich nicht An-
spruch darauf, sonderu scheint sich grinsend über seine eigene innere
Unmöglichkeit zu amüsiren.
Daraus ergiebt sich denn unmittelbar ein zweites Moment,
was den höheren Kunstregionen leider schon früher nicht fremd
mehr, jetzt zum erstenmal in die Hölle eindringt; — wollte Gott,
es hätte nie anderswo Eroberungen gemacht! Diese Nachtwächter-
krebse mit Spieß und Laterne, diese aufgepufften, degenklirrenden
Capitaine und Feuerwerker sind noch etwas anders als Caricaturen.
Sie sind nicht Larven mehr, im antiken Sinne, sondern Masken
im allermodernsten, sie sind mit einem Wort — theatralisch.
Legt man die italienischen Comödienfignren desselben Meisters da-
neben, den Scaramuz und Pulcinella, den renommistischen Capitain
Cardoni und den pedantischen Doctor Maramao, — betrachtet man
diese spitzen saugerüsselartigen Nasen, diese Fühlhörnern ähnlichen
überlangen Hutfedern, dieses Aermel- und Beinkleiderwesen, das
hängenden Flügeldecken gleicht, — (man weiß nicht, ob sich Insek-
ten zu Menschen oder umgekehrt maskirt haben) so wird man die
äußere, und bei Vergleichung ihres ganzen Auftretens, auch die
innere Verwandtschaft unverkennbar finden.
So hat sich denn für diesmal das Böse in seine eigene lachende
Parodie aufgelöst und daö letzte Wort ist auf lange hin in diesen
Dingen gesprochen. Diese Grimassen vermögen nur Kinder und
alte Weiber zu erschrecken: Männer lachen darüber — das ist die
gefährliche Moral, mit der sich das leichtsinnige Franzosenthum jener
Zeit, in und außer Frankreich, mit dem ewigen Grundbegriff des
Bösen abfindct.
Aber auch wir schließen ab, wenn auch ebenfalls nur für dies-
mal. Eine ernstere Zeit hat den ernsten Gedanken wieder ausge-
nommen, und alsbald hat auch die Kunst nach langer Pause den
alten schlimmen, aber interessanten Kumpan wieder ausgesucht, der
trotz Hegels Verneinung, doch immerdar für sie eine dankbare
Aufgabe bleiben wird. Diese Wiederaufnahme sei denn, deutschem
Triebe zur Vollständigkeit gemäß, der Gegenstand unserer Schluß-
betrachtung.
Ku nsflifürntnr.
Künstler - Briefe, übersetzt und erläutert von Dr. Ernst Guhl.
Zweiter Baud. Berlin, Verlag von L. Guttentag. 1856.
Von G F. Waagen.
Der zweite Band dieses Werkes, dessen ersten ich in: D. Kunst-
blatte besprochen habe, enthält vornehullich Briese von italieni-
schen Künstlern aus den: Ablauf des 16. und aus dem 17. Jahr-
hundert. Von Künstlern anderer Nationen sind nur wenige ver-
treten, aber freilich bieten zwei so bedeutende, wie Rubens und
Nicolas Poussin, eine Reihe von Briefen dar, welche an Interesse
des Inhalts die der sämmtlichen Italiener weit übertreffen. Und
das ist auch sehr begreiflich. Denn wie willig ich auch die großen
Verdienste der Carracci und ihrer Schule, sowie die minder be-
deutenden des Michelangelo da Caravaggio und seiner Nachfolger
anerkenne, so erscheint doch diese ganze spätere italienische Malerei
im Vergleich zu den wunderwürdigen Leistungen derselben im 15. und
den ersten vierzig Jahren des 16. Jahrhunderts immer nur als eine
schöne Nachblüthe, welche als neues Moment in Italien nur den
Anbau der Landschaft, als eine besondere Gattung, aufzuweisen hat.
Dagegen dürfte nur eine Stimme darüber herrschen, daß die Malereides
17. Jahrhunderts in den Niederlanden, wie hoch man auch die Brüder
van Eyck und ihre Schule halten mag, den Namen einer zweiten Blüthe
in vollem Maße verdient, da sie nicht allein die Aufgaben der ftü-