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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0162
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ivartet: Heilige- und Helden-Geschichten statt der Thier- und Land-
schastsbilder, statt des Genresthls der hohe historische, statt Schil-
dereien häuslichen Zimmerschmucks Gemälde von monumentalem
Charakter, Cartons von Fresken. Jener Schild des Achilles von
Veit, dessen wir im Eingang gedachten, ist auch hier nur gleichsam
Beigabe und das Einzige, was an die Antike erinnert: alles Andere
gehört der Bibel oder dem Mittelalter an. So gleich das zweite
Werk desselben Malers: Die sieben fetten Jahre Aegyptens, dargestellt
als eine Mutter in der Mitte von sieben im Ueberflüß lebenden
Kindern, ein Kreidecarton zu Freskobildern der Geschichte Josephs,
welche Veit mit Cornelius, Overbeck und Schadow in dem
Hause des Generalconsul Bartholdi auf Trinita de Monti in Rom
gemalt hat. Ferner von St ei ule: colorirte Cartons und Zeich-
nungen aus dem Alten und Neuen Testament von den Freskomale-
reien in der Schloßkapelle der Burg Rheineck; von Schnorr: Car-
tons aus Ariost's rasendem Roland zu Fresken in Villa Massimi in
Rom. Von Ramboux' colorirten Zeichnungen zu Dante's gött-
licher Comödie wissen wir freilich nicht, wozu sie zunächst bestimmt
sind; sie scheinen ein Werk für sich, denn die eine derselben ist als
Titelblatt bezeichnet; jedenfalls würden sie großes Format erfordern.
Schadow aber hat in seinen fünf klugen und fünf thörichten Jung-
frauen ein selbständiges in Farben ausgeführtes Gemälde geliefert,
welches eine ganze Langwand von beinahe zwölf Fuß Breite und
acht Fuß Höhe ausfüllt. Von den sechs Cartons Schnorr's, die
der Katalog angiebt, fanden wir nur einen: einen Bogenschützen, der
von der Stadtmauer hinabsieht, nämlich um den Einzug Carl's des
Großen anzuschauen, eine tüchtige Gestalt in wohlgetroffener natür-
licher Haltung. An den Steinle'scheu Cartons dagegen haben wir
gerade diese zum Theil vermißt: der Christus in der Bergpredigt ist
entschieden theatralisch. Aber diesem Fehler des nicht Natürlichen, der
wirklichen Situation nicht unbefangen Entsprechenden verfällt diese
Richtung zu leicht, die, indem sie im Gegensatz gegen die der vori-
gen Schule, welche gelegentlich nur zu natürlich wird, Vorgänge
eines idealen Lebens geschichtlich darstellen will, auch einen Lesondern
idealen Ausdruck wählen zu müssen meint und dadurch bald gewisse
conveutoneü gewordene Stellungen und Bewegungen unter allen Um-
ständen wieder aubringt, bald bei eigner Erfindung in das Forcirte
und gemacht Ausdrucksvolle geräth. Auch in Schadow's großem
Bilde, dem die Merkmale der Meisterschaft in geistreich erfundenen
Situationen und in den vortrefflich gezeichneten und gemalten, auch
wirklich ausdrucksvollen einzelnen Figuren nicht abzusprechen sind,
fehlt dem Christus, der der Verklärte sein soll, zu sehr das Lebens-
volle und Gewaltige; er erscheint mehr wie ein Nachtwandelnder und
in einer Weichheit, die weder die Pforten des Himmels zu öffnen
noch die thörichten Jungfrauen zurückzuweisen die Kraft hat. Und
geht dieser Fehler des nicht Natürlichen, einer wirklichen Situation
nicht Entsprechenden und darum denn auch Leeren und eigentlich
Bedeutungslosen nicht zuletzt auch auf den Inhalt? Was soll es
bedeuten, daß die fünf klugen Jungfrauen dem Kommenden ihre
Lampen entgegenstrecken? Kommt er denn wirklich nur, diese zu
revidiren, und ziemt den in seinem Sinne Klugen diese Ostentation,
oder gehört er zu den „Leuten", vor denen man erst sein Licht leuch-
ten lassen muß, damit sie die guten Werke sehen und den Vater im
Himmel preisen? So wird dem Gleichniß seine Spitze abgebrochen
und der hohe Gegenstand in das Nichtige herabgezogen; war er aber
malerisch vielleicht nicht anders zur Anschauung zu bringen: warum
wählt denn diese Kunst solche Gegenstände?

Doch wir sagten, daß dies Zimmer uns passend den Uebergang
biete zunächst in das vorher übersprungene dritte. Passend einmal,
weil wir auch da von einem Meister derselben Richtung ein großes
Gemälde finden und sodann, weil religiöse Gegenstände ja wesentlich
der Vorwurf wie der italienischen, so auch der altdeutschen Bilder

sind, die es enthält. Freilich tritt hier dasselbe Quiproquo ein, wie
in dem großen Saal, der ihm voranging. Bereiteten dort die Por-
traits von Meister Wilhelm, Schoreel, Cranach, Dürer, Eyck, Hol-
bein u. A., welche die Decke schmücken, eigentlich auf die altdeutsche
Schule vor, während überwiegend die neudeutsche und die nieder-
ländische vertreten war, so scheinen hier die Deckenbildnisse Bra-
mante's, Fiesole's, Giotto's, Raphaels, Michelangelos u. A. auf die
ursprüngliche Bestimmung für die italienischen Bilder hinzuweisen,
welche wir bereits im ersten Zimmer der Gemäldegalerie trafen.
Jndeß wird dieser Abstand hier besser ausgeglichen. Das neuere
Bild, dessen wir gedachten und das die ganze Wand zur Linken des
Eintretenden einnimmt, ist Overbecks Triumph der Religion in
den Künsten. Da sehen wir, während die himmlische Region von
der begeisterten Maria beherrscht wird, die ihren Lobgesang schreibt,
umgeben von heiligen Gestalten des Alten und Neuen Testaments
und der christlichen Tradition, die der Kunst ausübend oder als
Gegenstand vornehmlich gedient haben: in der irdischen Region um
den Doppelspringquell, in dem sich die himmlischen und die irdischen
Dinge abspiegeln, jene Gestalten der Decke und die übrigen erha-
bensten Vertreter italienischer Architektur, Sculptur und Malerei mit
Dürer und Lucas von Leiden, den van Eycks, Hemling und dem
Meister des Kötner Dombildes, mit Pewr Bischer, und den Mei-
stern des Stephansthurms und des Straßburger Münster traulich
und freundlich vereint. Es ist eben der Gegenstand, der sie einigt,
jenes Ideal, dem sie dienen und dessen wesentlichen Mittelpunkt die
himmlische Erscheinung, die ihren Häuptern obschwebt, gewiß eben
so richtig wie geistvoll wiedergiebt: Madonna mit dem Kinde und
den heiligen Gestalten der christlichen und kirchlichen Tradition, die
sich um sie schaaren. Aber passend hat auch Overbeck sowohl in seinem
Bilde, da er Maria darstellte, wie sie den heiligen Lobgesang schreibt,
als in seiner eignen Erklärung derselben, indem er sagt „sie vertrete
die Stelle der Poesie, des Centrums aller Kunst", das Moment
bezeichnet, durch welches gerade dieser Gegenstand Mittelpunkt der
mittelalterlichen Kunst war: durch die ewig frisch schaffende, sich gar
nicht erschöpfen könnende Poesie, die sich an ihn knüpft, durch die
Begeisterung, die er noch wahr und ungetrübt dem kindlich anschauen-
den Zeitalter einhaucht! Doch derselbe Overbeck deutet auch da-
rauf hin, wie diese heiligen Gegenstände mit aller Poesie und aller
Begeisterung dafür dennoch nicht genügen, die Kunst auf sich selbst
auszubauen: er breitet dem Sarkophag aus der früheren Periode
christlicher Knust, den Nicola Pisano und andere Bildhauer studirend
betrachten, Trümmer eines antiken Bildwerkes unter; er legt den
Grundriß einer Basilika, aus dem der Meister des Stephansthur-
mes seinen Schülern die Grundlagen auch der germanischen Bau-
kunst entwickelt, auf ein antikes Kapitäl: und er thut nur Unrecht
daran, daß er überall nur Trümmer der alten Kunst vorführt, ja
er begeht geradezu ein Falsum von tiefergreifender Bedeutung, wenn
er jenen frühsten der italienischen Bildhauer und den Schöpfer der
christlichen Sculptur aus einem christlichen Sarge und seinen Bil-
dern die Herrlichkeit seiner Kunst schöpfen läßt, die ihm bekanntlich
aus dem Studium eines antifett Sarcophags aufging. Von dem
Bilde zweier Knaben ferner, die sich in dem Wasser spiegeln, läßt
Overbeck die Venetianer Bellini und Titian ihre Carnation unck
Farbenpracht und die Motive ihrer naiven Lebensbilder entnehmen,
und ein schöner knieender Knabe, der sich jenen betrachtenden Bild-
hauern zugesellt hat, ist auch ihm Versinnlichung des Wohlgefallens,
das die Sculptur an Anmuth der Form und Bewegung hat: da den-
glet er selbst das andere Element an, aus dem die Kunst sich erbaut:
i das Studium der Natur und des Lebens. Aber die Tendenz seines
! Bildes brachte es mit sich, beides nur anzudeuten: nichts desto we-
! niger ist es wahr, daß alle gesunde Kunst, auch des' Mittelalters,

' auch die, welche aus der Religion ihre Begeisterung schöpfte, erst
 
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