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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0179
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163

gebrauchen, denn auch bei den Niedrigeren wie z. B. beim Bassano
ist selbst in den Thieren von eigentlicher „Natürlichkeit" und von
„.Genreartigem" keine Spur. Eben so wird schwerlich ein Urtheils-
fähiger das Colorit Tizians oder Correggio's „natürlich oder natu-
ralistisch", wohl aber unvergleichlich schön und wahr nennen, aber
eö ist dieses doch nur verbunden mit deren Composition, Empfin-
dung, Gestaltung u. s. w., weshalb denn auch alle dahin zielenden
eklektischen Bestrebungen einer andern Reihe unsrer irre gehenden
jüngeren Künstler zu nichts als zu Nachahmungen führen, denen
selbständiger Geist und. Ganzheit, also inneres Leben und somit
Wahrheit fehlt.

Um nun auch von dem erwähnten Rühmen vergaitgener Zeit
zu sprechen, so dient zu seiner Rechtfertigung hinsichtlich des hier
verhandelten Gegenstandes die nicht wegzuläugnende Thatsache, daß
keiner der jüngeren Künstler das geworden ist, was die älteren grö-
ßeren Männer unsrer norddeutschen Schule waren und sind. Oder
giebt es, um mit den Idealisten zu beginnen, einen zweiten Corne-
lius, Overbeck, Veit, Kaulbach, Schnorr, H. Heß, Steinle, Schwind,
Koch, Fries, Rottmann? oder aus der naturalistischen Schule stam-
mend einen zweiten Lessing, Bendemann, Rethel, Deger? (Ich nenne
hier nur einige der mir persönlich Bekannten, welche Schüler bilde-
ten oder Nachfolger fanden, und bitte die übrigen tüchtigen Männer,
dieses nicht als eine Zurücksetzung ihrer Leistungen und Fähigkeiten
anzusehn.) So viel mir bekannt, zeigen sich bis jetzt keine solche
Größen ersten und zweiten Ranges, wo aber diese abnehmen, da
muß doch selbstverständlich die Kunst, welche erst durch sie zur Er-
scheinung gelangt, im Sinken begriffen sein. Aber vielleicht bieten
sich den Jüngeren keine solche Gelegenheiten wie jenen Aeltern, ihre
Fähigkeiten zu entfalten, denn wie man sagt: „Gelegenheit macht den
halben Künstler". Das Letztere ist wahr, aber die Aelteren führten
selbst die Gelegenheit dadurch herbei, daß sie gleich im Anfang mit
Werken auftraten, die unverkennbar den Funken zeigten, der später
zur Flamme werden sollte; so u. a. Cornelius schon in seinem Faust,
Overbeck in seinem ersten Entwurf zum Einzug in Jerusalem, Kaul-
bach selbst in der einzelnen Flußgöttin im Münchner Bazar, Schnorr
in seinen Jugendarbeiten bei H. von Quandt, H. Heß in seinen
ersten kleinen Bildern, Schwind, Führig, Lessing, Bendemann, Rott-
mann in ihren frühesten Arbeiten. Und ungünstigere Verhältnisse
haben die Jüngeren auch schwerlich zu bekämpfen als jene Männer,
die ihre Anschauung und Richtung gegen ein verwöhntes Publikum
und ein Heer von Akademikern erst zur Geltung bringen mußten und
oft in den drückendsten Lagen waren, wie mir z. B. der liebe alte
Koch, der selbst sein Lebelang arm war, von Thorwaldsen erzählte,
daß dieser jenem Zeichnungen zum Ossian corrigirte, wofür er vom
armen Koch einen Skudo pro Zeichnung erhielt und diesem nur
eben so viel übrig blieb. Trotzdem stellte Thorwaldsen seinen Ja-
son hin, und von dem Moment an war seine später so glänzende
Bahn eröffnet. Endlich könnte wohl noch entgegnet werden, daß
eben die natürliche Begabung der jüngeren Künstler weniger groß
sei; dem ist jedoch nicht so, denn ich kenne gar manche, die von Na-
tur hinreichendes Material besaßen, um mit der Zeit sich unfern
größten Künstlern anznreihn, aber sie gingen entweder in der glau-
bensleeren Romantik oder im Naturalismus, Genre- und Virtuosen-
thum oder in Manier unter, und gelangten ohngeachtet jahrelangen
Besuchs der Akademien so wenig zur Ausbildung ihrer wirklich emi-
nenten Fähigkeiten, daß sie untüchtig blieben, irgend ein größeres
vollendetes Werk selbständig hinzustellen und nicht über Illustrationen
hinauskamen.

Läßt sich demnach das Sinken unsrer Kunst nicht bestreiten, so
entsteht bei jedem sie Liebenden die natürliche Frage: „Was konnte,
da fast alle genannten Künstler ersten und zweiten Ranges noch

fortwirken sowohl durch Lehre als durch Werke, die theilweise höher
stehn als ihre früheren, und da jüngere Kräfte von hinreichender
natürlicher Begabung vorhanden sind, die Ursache des so schnellen
Verfalls einer Kunst sein, die in der verhältnißmäßig kurzen Zeit
von 30—40 Jahren so Großes leistete, daß sie nur von den Grie-
chen und dem Mittelalter übertroffen wird, und deren Quelle ge-
wiß eine längere Daner und eher ein fortwährendes Steigen als
Fallen versprach, weil sie nicht aus dem Fleisch, d. h. dem Natu-
ralismus, sondern aus dem Geist, und zwar aus dem des Christen-
thums und der Nationalität entsprang; die ferner keine Hof-, Aka-
demie-, Salon- und Modekunst, sondern in so fern eine Volkskunst
war, als sie mit der nationalen Erhebung des Befreiungskampfes
und theilweise durch sie erwachte? Denn unsre Schule fußte aus der
altdeutschen Malerei, begann fast dnrchgehends mit christlichen Dar-
stellungen und rang vor allem nach Wiederherstellung der Inner-
lichkeit, welches alles in der kurz vorhergegangenen Zeit der Antiken-
götzendienste und des Franzosenthums fast ganz verloren gegan-
gen war.

Die Mehrzahl weiß auf jene Frage keine andre Antwort, als:
„Die Ursache der jetzigen Richtung liegt im Geschmack des Publi-
kums, dem wir folgen müssen, da wir für dieses und nicht für uns
malen." Aber eine solche Antwort kann doch unmöglich genügen,
da jeder Geschmack seine Ursache hat, und nie ein von vornherein
fertiger, sondern immer ein werdender durch vorhandene Kunstwerke
gebildeter ist. Fragen wir nun weiter nach jener Ursache und wer
den Geschmack gebildet hat, so bleibt die einzige Antwort: „die Ver-
fertiger jener Kunstwerke, die Künstler". Aber auch diese sind noch
viel weniger von vorn herein fertig, am allerwenigsten als Schüler,
und die Art ihres Werkes, ja selbst die Stufe welche sie erreichen,
wird bedingt, nächst ihrer Fähigkeit und Anstrengung, durch' die
Schulen, in welchen sie gebildet, seien diese nun, wie in früheren
Zeiten, die einzelner Lehrer oder unsre jetzigen Akademieen. Hier
ist also die Wurzel des Uebels zu suchen und hier ist sie nach mei-
ner Ueberzeugung auch vorhanden, weil das Grnndprincip die-
ser Anstalten mit dem unserer Regeneratoren durchaus
nicht übereinstimmt, und sie demnach ihr jetzt nur schaden, aber
erst dann ihr werden nützen können, wenn mit der wiedererlangten
Übereinstimmung des Princips auch Studiengang, Einrichtung u. s. w.
eine durchgreifende Aenderung erleiden. Dieses zu beweisen, ist Zweck
und Aufgabe der folgenden Erörterungen.

(Fortsetzung folgt.)

«

Die neuen Jrunneu in Berlin.

Wenig Befriedigung im Publikum gewähren einige eben ausgestellte
öffentliche Brunnen, welche im Gefolge der neuen Wasserleitung an den
Tag getreten sind. Diese Wasserleitung, eine der segensreichsten und herr-
lichsten Einrichtungen, die man sich für unsere Residenz denken kann, ist
im großartigsten Style zur Ausführung gebracht und muß eine bewun-
derungswürdige Schöpfung genannt werden. Die allgemeine Anerkennung,
die ihr bis jetzt spärlich gezollt zu werden scheint, kann und wird endlich
nicht ausbleiben. Es lag sehr nahe, dieser nützlichen Einrichtung auch den
Schmuck von öffentlichen Brunnen hinzuzufügen, eine Zierde, welche Wie
Stadt mit Ausnahme des Wasserspiels auf dem Lustgarten vor dem alten
Museum noch immer hatte entbehren müssen. Wiederum lag es nähe,
hier eine vorzügliche Gelegenheit zu sehen, wo sich den doch änzüerkennen-
den Berliner Bildhauerwerkstätten ein Schauplatz der reizvollsten Thätig-
keit eröffnete, und.man hatte wohl ein gewisses Recht auf die Hoffnung,
daß das heitere und poetische Spiel der Springbrunnen hier allmählich
ein anmuthiges und würdiges Skulpturwerk nach dem andern Hervorrufen'
würde. Der Belle-Allianceplatz allein ist so glücklich, schon seit Jahren
 
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