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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0243
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227

Man beachte das sorgfältige Zeit- und Kostümstudimn: die klein-
städtischen Häuser, die große Postmaschine mit den Gäulen, den Markt-
brunnen, die Schuljungen, endlich das reizende junge Paar, Alles getreu

aus der Herrmann- und' Dorotheenzeit. Und nicht minder getreu im
Charakter das folgende Interieur:

Ist es nicht, als ob wir die alten Gemächer der Vorältern, wie sie
hier und da noch zu sehen sind, mit den Figuren belebt sehen, die wir
nur noch aus alten Familienportraits zu kennen gewohnt sind? Und wenn
unsere Leser sich der Situation erinnern, wie Elisabeth aufstand, als
Neinhardt das verhängnißvolle: „Meine Mutter hat's gewollt", gelesen
hatte: ist nicht auch der Ausdruck der Köpfe der angemessene? Die voll-
ständige Hingabe an den Dichter ist aber auch um so mehr eine dem
Illustrator aufgelegte Nothwendigkeit, als er in dem Nachtheil ist, die
Phantasie eines jeden Lesers zum Mitarbeiter zu haben. Wie oft begeg-
net es uns nicht, daß uns ein Schauspieler oder ein Maler eine ganz
andere Figur und eine ganz andere Auffassung vor Augen bringt, als
wir uns beim Lesen abstrahirt haben. Je objectiver die Verkörperet der
Dichtkunst zu Werke gehn, desto leichter werden sie durch ihre Bilder die-
jenigen Vorstellungen, welche wir uns selber gemacht haben, bestätigen,
ergänzen oder — verdrängen. Die vorliegenden Bilder können kaum
überzeugender im Geiste des Dichters gedacht werden. Wir sind dem
Illustrator das Zeugniß schuldig, daß wir wohl gewünscht hätten, der-
selben Treue, die er gegen den Dichter beobachtet hat, auch bei der
Uebertragung in Holz zu begegnen. Etwas größere Sorgfalt — und

der genauer Betrachtende hätte nicht auf manche Flüchtigkeiten (z. B. bei
den Händen) und Abschwächungen der Zeichnungen, die wir vorher zu
sehen Gelegenheit hatten, stoßen können; auch hat der Drucker nicht
immer den wünschenswerthen Fleiß bewiesen. —. Von den Initialen
geben wir gleichfalls oben eine Probe; die Leser werden sich der „Wafser-
lilie" erinnern. Noch ist eines Farbendrucks zu gedenken, von un-
serm trefflichen Riefstahl gezeichnet und von Reubke mit Tüchtigkeit
ausgeführt, welcher als Titelkupfer das Buch ziert. Er stellt den Schau-
platz, den Jmmensee, in Heller Tagesbeleuchtung vor. Im Uebrigen hat
das Büchlein, von stattlichem Format, eine so splendide Ausstattung von
Seiten des Verlegers erhalten, daß man sich kaum ein anmuthigeres Ge-
schenk denken kann.

Es sei uns schließlich noch erlaubt, den Wunsch auszusprechen, daß
wir von des Künstlers Hand Goethe's „Wilhelm Meister" illustrirt sehen
möchten. Zwar sind wir aus andern Arbeiten in ganz anderer Sphäre
überzeugt, daß er sich leicht in andre Darstellungskreise, als durchaus
vorliegenden, zu versetzen weiß; aber eben dieser ist es, der uns jenen Ge-
danken eingab, und so viel Goethe sonst illustrirt worden, das für diesen
Zweck dankbarste seiner Werke fehlt uns noch. F..E.

t i t u tt g.

Aerlm. Die A. 5-, welcher wir in unsrer No. 24 die Mittheilung aus
München über den muthmaaßlichen Verlobungsring Luthers entnahmen,
hat inzwischen folgende Zuschrift ä. ä. Wildbad, 2. Juni erhalten: „Zur Erklä-
rung des Bestehens einer Anzahl ganz gleicher Lutherringe bin ich im Stande
mitzutheilen, daß in der Silberwaarenfabrik von P. Bruckmann und Sohne in
Heilbronn solche Ringe geprägt werden. Der Stempel dazu wurde durch mei-
nen Vater P. Bruckmann, wahrscheinlich im Jahre 1817 zur Zeit des Refor-
mationsfestes, angefertigt und damals eine Anzahl solcher Ringe verkauft. Aus
meiner eigenen Erfahrung, d. h. in den letzten ftmszehn Jahren, ist mir nur ein
einziger Fall bekannt, daß ein solcher Ring von uns angefertigt wurde: als
nämlich Ron ge im Jahre 1847 nach Heilbronn kam, trug er einen solchen
Ring, den er als den Trauring Luthers zum Geschenk erhalten hatte. Ich er-
kannte ihn als unser Fabrikat, und da Pfarrer Roth von Siebenbürgen, damals
in Heilbronn (seitdem in der ungarischen Revolution umgekommen), einen solchen
wünschte, ließ ich für ihn einen anfertigen. Vor ungefähr einem Jahre trug
mir ein Jude einen solchen Ring zum Kauf an; er war ebenfalls aus unsrer
Fabrik, und ich bot ihm an, ihm jeden Tag hundert Stück davon zu liefern.
Natürlich sind diese Ringe ohne Inschrift geprägt, letztere kann aber nach Ge-
fallen eingravirt werden. P. Bruckmann, Chef der Silberwaarenfabrik
P. Bruckmann u. Söhne in Heilbronn."

— 8— Mlnncherr. Kunstverein. Unter den Genrebildern der

beiden letzten Ausstellungen nahmen besonders drei die Aufmerksamkeit für sich
in Anspruch: „Kaffeevisite" von I. Eman. Gaisser in Augsburg, „Ein Trom-
peter im Quartier" von Aug. Bischer und „eine Rinderheerde auf der Alp"
von Rud. Koller aus Zürich. Das erste dieser Bilder war im Geschmack der
Geher'schen Bilder gehalten und zeugte von unverkennbarem Talent zu charakte-
ristischer, lebendiger Darstellung. Es enthält überhaupt vier Figuren, die in zwei
Gruppen zerfallen. Die erste derselben besteht aus einer schon ältlichen Dame,
die einer jüngeren, wahrscheinlich vorn Lande herein gekommenen mit dem vollsten
Eifer einer ächten Kaffeeschwester und unter der höchsten Verwunderung ihrer
Znhörerin das neueste Capitel der ollrouihue sennänleuse mittheilt; die andere
Gruppe wird aus einem Herrn und einer jungen eleganten Dame gebildet, deren
wechselseitiges Verhältniß sich nicht mit voller Sicherheit erkennen läßt. Der
Herr, in vertraut-nachlässiger Haltung auf eine Stuhllehne gelehnt, scheint den
günstigen Moment, während dessen die beiden andern Damen nur für sich selbst
Aug' und Ohr haben, zu irgend einer Mittheilung oder Offerte zu benutzen,
welche der jungen Dame ein wenig das Blut in die Wangen treibt und sie
veranlaßt, den Blick ein wenig von ihm abzuweuden, während ihm das Ohr
offenbar mit großer Spannung lauscht. Sollte er etwa einen Herrn vorstellen,
der sich um ihre Gunst bewirbt, so folgt er dabei jedenfalls unter den Göthe'schen
Regeln:

Geh' den Weibern zart entgegen,

Du gewinnst sie, auf mein Wort!

Und wer rasch ist und verwegen,

Kommt vielleicht.noch besser fort.
 
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