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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0484
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man bei der im 17. Jahrh. erfolgten marmor-prächtigen Herstellung
der Kirche bei Seite gestellt hat, und zu dessen Anfertigung nur die
zufällige Anwesenheit eines in dieser in Italien nicht sehr beliebten
Gattung geübten deutschen Künstlers Anlaß gegeben haben kann.
Gehen wir von da nach dem benachbarten Pisa, so finden wir in
der Akademie ein Altarbild mit der h. Ursula und einer deutschen
Stadt im Hintergründe, dem ein alter Italiener sich in den dazu
gemalten Seitentafeln möglichst akkomödirt hat; Dies kann indessen
auch im Wege des Handels hleher gekommen sein, dagegen mogte
ich bei den bekannten, schon von Vasari erwähnten Bildern des
Hugo v. d. Goes in S. Maria Nnova zu Florenz die Anwesenheit
des Malers in Italien vermuthen, obgleich, man von einer solchen
sonst nichts weiß und der Stifter Fulco Portinari, da er eine Zeit-
lang als Geschäftsführer der Medici in Brügge lebte, ihn wohl
dort kennen gelernt haben wird. Denn nicht bloß die Gesichtszüge
der Familie des Stifters, sondern auch die anbetenden Hirten haben
ganz italienischen Typus, während die idealen Gestalten, namentlich
die Engel ganz unverändert niederländischen Charakter haben. Ueber-
haupt trifft man nicht selten in Italien deutsche Bilder, an denen
ein italienischer Einfluß sichtbar ist, und die daher von hier anwe-
senden Künstlern gemalt sein müssen. Ein sehr ausgezeichnetes Werk
dieser Art befand sich während meines römischen Aufenthaltes neben
mehreren andern deutschen Gemälden in der großen aber wandelbaren
Sammlung des Monte di Pieta, auf deren Bedeutung Ernst aus
dem Werth schon vor Jahren aufmerksam gemacht hat. Es war
offenbar nicht für einen Altar, sondern nach damals neuer italieni-
scher Sitte als Madonnenbild für häuslichen Besitz gemalt, aber
unzweifelhaft von der Hand eines Niederländers aus dem ersten
Viertel des 16. Jahrh. Die Jungfrau, etwa zwei Drittel der Le-
bensgröße, sitzt in grünem Kleide und dunkelrothem Mantel in
leichter Haltung an einen mächtigen Baumstamm gelehnt auf dem
Grase, der linke entblößte Fuß ist vorgestreckt, der rechte zurückge-
zogen; das feine Oval ihres schönen Gesichts, die weichen Augen-
lieder, der breite Raum zwischen den Brauen zeigen ganz italienischen
Typus; das nackte, auf ihrem Schooße anmuthig liegende Kind, mit
einem Apfel in der Hand, ist nicht schön, aber ein wohl ausge-
führtes Porträt eines hübschen, etwas magern Knaben. Hinter dem
dunkeln Baumstamnie öffnet sich auf beiden Seiten die Landschaft
mit Bergen und Seen, Schlössern und Bauerhöfen, Brücken und
Wegen, in weiter Ferne mit jenen blaugrünlichen Tönen abschließend,
die wir an den damaligen Niederländern kennen. Man sieht, es ist
das Werk eines erregbaren, noch jugendlichen Künstlers, der seiner
heimischen Schule noch ganz anhängt, aber von der Schönheit der
italienischen Natur ergriffen ist und sie sich aneignen will. Es ist
kaum glaublich, daß er ein zweites Mal so gearbeitet haben wird;
das italienische Element wird die Oberhand gewonnen und das
heimische beeinträchtigt, oder die vorübergehenden Eindrücke werden
ihre Kraft verloren haben. Daher wage ich denn hier noch weniger
wie sonst nach vermeintlicher Verwandtschaft mit einem entfernten
Bilde auf den Namen eines bestimmten Meisters zu rathen.

Es ist bekannt, daß die niederländische Kunst auf die italienischen
Maler, nicht bloß wie wir gesehen haben in Genua, wie man sonst
weiß in Venedig und Neapel, sondern auch wo man es am We-
nigsten erwarten sollte, in Florenz einen nicht unbedeutenden Einfluß
ausgeübt hat, so daß Domenico Ghirlandajo und andre seiner Zeit-
genossen auf manchen ihrer Bilder, namentlich in Details, in
naturalistisch ausgeführten Gläsern, Blumentöpfen u. dgl. mit den
Niederländern förmlich wetteiferten. Weniger bekannt oder gewürdigt
ist aber eine Thatsache, welche damit im engsten Zusammenhänge
steht, die nämlich, daß sich in Florenz in der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts eine zahlreiche und fruchtbare Schule von Minia-
turmalern bildete, die mit unverkennbarer Nachahmung flandrischer

Kunst arbeitete. Wahre Schätze von ihren Händen sind in den
freilich sehr unhandlichen und nicht ganz leicht zugänglichen Chor-
büchern des Doms, der Kirche S. Lorenzo und andrer florentinischer
Kirchen verborgen. Nicht bloß die Farbenpracht der Arabesken, die
täuschende und glänzende Nachahmung von Perlen, Edelsteinen,
Blumen u. dgl. in den Einrahmungen, sondern sogar die Behand-
lung der Gewänder und besonders die landschaftlichen Hintergründe
der kleinen Bilder mit weiten Flußthälern, Städten und Menschen-
gruppen, in denen vorhergehende und nachfolgende Momente neben
der Haupthandlung dargestellt sind, zeigen das genauste Studium
nordischer Miniaturen. Das Schönste dieser Art ist ein Missale,
welches nach den vorhandenen Rechnungen ein gewisser Gherardo di
Giovanni, Organist in S. Egidio, in den Jahren 1474—1476 für
diese zu S. Maria nuova gehörige Kirche ausführte, und welches
neuerlich die Vorsteher des bekanntlich damit verbundenen Hospitals
in ihre Verwahrung genommen, damit das Kleinod in der Sakristei
nicht leide. Vasari sprjcht unmittelbar vor der Lebensgeschichte des
Domenico Ghirlandajo von diesem Gherardo, aber in sehr verwirr-
ter Weise, und die spätern Italiener bekümmerten sich überhaupt
um diese alterthümlichen Werke wenig; erst die Herausgeber der
neuen florentiner Ausgabe des Vasari haben die Aufmerksamkeit
wieder auf dieselben gelenkt, indem sie nicht bloß Vasaris Jrrthümer
berichtigt, sondern auch einen ausführlichen Bericht über die nock-
vorhandenen Werke dieser Art beigefügt haben- Ohne Zweifel war
dieser niederländische Einfluß nicht durch persönlichen Verkehr ver-
mittelt. Miniaturmaler Pflegen nicht zu reisen, um so mehr aber
ihre Werke. Die italienischen Maler des 14. Jahrh. hatten die
Miniaturmalerei nicht sehr geliebt; die großen Herren ließen sich
ihre kostbaren Gebetbücher aus Paris oder den Niederlanden kommen,
und für die Kirchen wurde im Wege des Handels gesorgt. Nosini
versichert in seiner Geschichte der Malerei, daß deutsche Miniaturen
in Italien damals so verbreitet gewesen, daß man noch jetzt täglich
bei Geistlichen oder bei Dilettanten, die sie von ihnen gekauft, der-
gleichen finde. Steht dies fest, so ist es denn auch sehr möglich,
daß jene niederländische Neigung des Ghirlandajo und andrer Maler
nicht direct durch größere Oelbilder oder wandernde Meister, son-
dern durch Miniaturen und durch den Vorgang ihrer mit solchen
beschäftigten Landsleute angeregt ist. Jedenfalls scheint sich das
Resultat zu ergeben, daß die Italiener mehr von den zu ihnen ge-
brachten Werken der nordischen Kunst, die deutschen Künstler des
15. Jahrh. aber mehr von der italienischen Natur gelernt'und
empfangen haben, bis sich dies im 16. Jahrh. sehr zu ihrem Nach-
theile änderte. Durch weitere Nachforschungen würde dieser an-
ziehende Wechselverkehr noch viel näher beleuchtet werden können,
und dazu aufzufordern ist der Zweck dieser geringen Beiträge.

K. Schnaase.

% t i t tt u g.

^ Aerlin. Unter den photographischen Prachtwerken, welche so vielfach
in neuester Zeit zusammengestellt werden, halten wir besonders eines für sehr
erwähnungswürdig, welches die bis jetzt im Stich oder Steindruck erschienenen
Werke nnsers vortrefflichen Ed. Meyerheim zu einem „Meyerheim-Album" ver-
einigt. Unter diesem Titel hat Gustav Schauer (Friedrichsstr. 188), einer un-
serer thätigsten und rührigsten Photographen, in eleganter Ausstattung eine Mappe
von 15 Blättern anfertigen lassen, welche jedem Freunde des liebenswürdigen
Meisters nicht anders als sehr besitzeuswerth Vorkommen wird. Außer dem
Vorzug einer sehr wohlgelungenen und sorgfältigen Ausführung, die besonders
bei einigen Blättern höchst meisterhaft genannt werden muß, bietet sich hier der
Reiz, jene köstlichen gemalten Dorfgeschichten bei einander zu haben, die mit all'
ihrem gemüthvollen Zauber immer von Neuem auf das Herz jedes Beschauers
 
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