Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 19.1906-1907

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Künstlerische Plakate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9554#0399
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wilhelm Michel—München :

J. V. CISSARZ—STUTTGART. Druck: W. Hoffmann-Dresden.

unsere Künstler die Distanz zwischen Bild
und Beschauer ständig vergrößert. Der
Standpunkt des Malers rückte, rein räumlich
genommen, immer weiter von dem dar-
gestellten Objekte ab, und dieses wurde nicht
mehr so geschildert, wie es dem Künstler
bei liebevollem, genauem Studium der ein-
zelnen Formen nach und nach ins Bewußt-
sein tritt, sondern so, wie es dem rasch
wandernden Blicke eines Vorübergehenden
erscheint. Zur Einführung der Distanz,
zur Darstellung des räumlichen Abstandes
zwischen Objekt und Beschauer hat sich der
Impressionismus bekanntlich verschieden-
artiger Mittel bedient. Der Impressionismus
ist ein psychologisches, kein technisches
Dogma. Er hat Viele nach dem Vorgange
Monets zum Prinzip der Farbenzerlegung
geführt, das in den Schöpfungen Paul Signacs
und seiner Anhänger seine äußerste, pedan-
tische Ausbildung erfuhr. Er hat aber auch
die flächenhafte Anschauungs- und Dar-
stellungsweise gezeitigt, die sich, noch ge-
fördert durch die Schöpfungen der Japaner,
bei vielen französischen Neu-Impressionisten
und der ganzen jungen Malergeneration
Deutschlands großer Beliebtheit erfreut. Zur

494

Alleinherrschaft aber ist die flächenhafte Art
des Sehens in der modernen Graphik gelangt.
Für die Graphik kam die Farbenzerlegung
bei der Eigenart des graphischen Materials
von vornherein nicht in Betracht. Wollte
sie daher Anschluß an die modernen im-
pressionistischen Prinzipien finden, so mußte
sie sich die Zusammenziehung der Nuancen
zu einheitlich gefärbten Flächen zu eigen
machen. Das ist geschehen, in einem Um-
fange, daß die Begriffe »flächiges Sehen«
und »graphisches Sehen« geradezu gleich-
bedeutend geworden sind. Das Streben nach
Fernwirkung ist das beherrschende Streben
der modernen Graphik, und da das Straßen-
plakat in allererster Linie nach Fernwirkung
strebt, lag nichts näher, als daß es sich
die Errungenschaften der zeitgenössischen
Graphik zu Nutze machte. Das moderne
Plakat kann geradezu als eine Tochter der
modernen Graphik bezeichnet werden. Aus-
schlaggebend für dieses Verwandtschafts-
verhältnis war neben dem Bedürfnis nach
Fernwirkung das Bedürfnis nach einer hohen

KÜNSTLER UNBEKANNT. Druck: Hollerbaum & Schmidt-Perlin.
 
Annotationen