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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Linde, Hermann: Tschudis Eingriff in ein Rubens'sches Bild
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Breuer, Robert: Der Verbandstag deutscher Kunstgewerbe-Vereine
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0097
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Der Verbandstag Deutscher Kunstgewerbevereine.

dem heutigen Bestreben in der Malerei, die Figuren
eng in den Rahmen zu schließen, sollten aber die
alten Meister doch nicht abgeändert werden, es
kommen auch wieder andere Geschmacksrich-
tungen auf, und dann sind die verlorenen Stücke
nicht wieder zu ersehen. —

Der materielle Schaden, den der Bayrische
Staat hierdurch erleidet und der nach den heuti-
gen Preisen für gut erhaltene alte Meister wohl
Hunderttausende betragen mag, ist im Verhältnis
zu der ideellen Entweriung so gering, dag nicht
davon gesprochen werden soll, noch weniger vom
Überstreichen der Seidentapeten. Hier sollte nur
einmal der Öffentlichkeit übergeben werden, was
die Gemüter vieler Künstler in hohem Maße erregt.

So segensreich in Bezug auf die moderne
Malerei eine so temperamentvolle und organisa-
torische Kraft, wie die des Herrn v. Tschudi sein
wird, — seine großen Verdienste um die National-
galerie lassen auch für die neue Pinakothek das
Günstigste hoffen — so verderblich kann für die
Werke der großen alten Meister ein Direktor
werden, der seinen persönlichen Geschmack in
den Vordergrund stellt. In den Sälen, in denen
die Gemälde unserer großen Vorfahren, zu Kunst-
werken krystallisiert, herrschen, sollte deren Ver-
walter einem Priester gleichen, der seine Aufgabe
darin sucht, die ihm anvertrauten Schäße, vor
jeglichem Eingriffe geschüßt, zukünftigen
Geschlechtern zu erhalten, herm. linde, maler.

DER VERBANDSTAG DEUTSCHER KUNSTGEWERBE-VEREINE.

Der 20. Verbandstag Deutscher Kunstgewerbe-
vereine hat am 13. März in Berlin getagt
und eine gute Presse gefunden. Die Zeitungen
aller Richtungen sind des Lobes voll über den
Eifer und über die Vielseitigkeit der Arbeit im
Kunstgewerbe. Auch die Regierungsvertreter
scheinen zufrieden. Solchen Symptomen gegen-
über befindet sich der Fachkritiker, der die Be-
wegung nicht nur beobachtet, der sie sich ent-
wickeln hilft, in einer etwas peinlichen Lage.
Nämlich darum, weil seiner Meinung nach diese
Berliner Tagung keineswegs Lob verdient. Wir
saßen da und hörten viele Reden und fragten uns
nur gar zu oft: was geht hier eigentlich vor, wozu
geschieht das? Gewiß, dem Fernstehenden mag
die Fülle der Themen und die Vielverzweigtheit
der Materie überraschend sein. Wir, die wir
zwischen den Schlachten stehen und selbst mit-
kämpfen, müssen, sofern wir es Ernst meinen, ob
dieses Conciliums bedenklich werden. Irgend
etwas scheint an diesem Unternehmen nicht zu
stimmen. Man bekam den peinlichen Eindruck der
Überflüssigkeit. Das muß gesagt sein; selbt auf
die Gefahrhin, oben wie unten anzustoßen. Der Fach-
kritiker hat eine ernstere Aufgabe als die Tages-
presse. Er darf sich auch durch taktische Gründe
nicht abhalten lassen, die Wahrheit zu sagen.
Darf dies um so weniger, wenn die Möglichkeit
nicht ausgeschlossen, daß dadurch eine Besse-
rung kommen könnte. (Freilich, allzu optimistisch
darf man in diesem Punkte nicht sein. Im ver-
gangenen Jahre haben wir an dieser Stelle ener-
gisch genug vor dem literarischen Dilettantismus
gewarnt; und diesmal hat die Kommission für
Flugschriften sich abermals ohne literarischen
Spezialisten konstituiert.) Der Verband der Deut-
schen Kunstgewerbevereine möge vor allem die

Inzucht fliehen. Wir sehen da Jahr für Jahr die
gleichen Herren erscheinen. Gibts denn keinen
Nachwuchs, keine elastische, meinetwegen hier
und da die Grenzen einmal gefährdende Jugend!

Die Delegierten sind selbst der Meinung,
müssen der Meinung gewesen sein, daß die
Plenarsißung eigentlich überflüssig ist. Wie hätte
sonst der Ausschuß, der tags zuvor arbeitete,
beschließen können: daß die Debatte der öffent-
lichen Sißung möglichst abzukürzen sei, und daß
der Vorsißende darauf hinweisen möge, daß die
Ausschüsse doch bereits alles besprochen hätten.
Ja, du liebe Zeit, wenn man keine ernsthaften
Beratungen im Plenum will, dann mag man es
doch mit den Besprechungen im Ausschuß ge-
nug sein lassen. Ich möchte aber meinen, daß
bei richtiger Zusammenseßung des Kunstge-
werbler-Parlamentes die Plenarsißungen vielen
Nußen bringen könnten. Vorausgeseßt, daß eine
vernünftige Tagesordnung aufgestellt wird. Eine
Tagesordnung aber mit 17 Positionen, eine Tages-
ordnung, die dem Referat nur 12 Minuten, der
Diskussionsrede höchstens 4 Minuten gewährt,
ist geradezu eine Prämie auf Oberflächlichkeit.
Und in der Tat: die vorüberhuschende Neutralität
war das Stigma aller Beratungen; die Probleme,
die zur Diskussion standen, wurden kaum ge-
streift. Wer stark ist, muß ehrlich gegen sich
selbst sein. Der modernen kunstgewerblichen
Bewegung, die sich mit Recht die eigentliche
Kulturbewegung nennen darf, wäre nichts gefähr-
licher als Vogel-Straußpolitik. Darum war es
eine Pflicht, die Einwände gegen die Art der
Verbandstage der Kunstgewerbevereine präzis
und offen darzulegen. Damit es besser wird,
wäre zu fordern: eine Tagesordnung mit wenigen
Positionen; Fragen, die bequemer durch Aus-

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