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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Breuer, Robert: Der Verbandstag deutscher Kunstgewerbe-Vereine
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0098

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Der Verbandsüig Deutscher Kunstgeiverbevereine.

Schüsse erledigt werden, finden dort ihre definitive
Lösung. Es wäre zu fordern: eine Verjüngung
des Parlamentes. Es wäre zu fordern: gründliche
Rede von Leuten, die etwas zu sagen haben.

Peter Jessen gab in'geschickter Fassung eine
Zusammenstellung der einzelnen Kapitel, mit denen
sich die Literatur und die Praxis der letjten Jahre
besonders intensiv befaßt hat. Nichts Neues,
aber ein gut filtrierter Extrakt; nürjlich genug,
um, wie beschlossen wurde, als Propaganda-
Broschürejgedruckt zu werden. Interessant war,
dag nunmehr auch Jessen, der bisher die Klein-
betriebe als den wichtigsten Faktor ansah, die
Schwenkung zum Großbetriebe und zur Industrie
gemacht zu haben scheint. — Die Eisenacher Ge-
bührenordnung hat sich, wie zu begreifen, noch
nicht recht eingebürgert; es haben sich an ihr
auch mancherlei Mängel gezeigt. Man will noch
nicht damit beginnen, das ganze Statut umzu-
arbeiten; man glaubte aber doch zum mindesten
den Paragraph 2 sofort abändern zu müssen.
Bisher waren unverlangt eingereichte oder frei-
willig angebotene Entwürfe nicht gebührenpflich-
tig. Jet)t soll für alle Entwürfe und Voranschläge,
auch wenn sie nicht zur Ausführung gelangen,
eine Gebühr gefordert werden. Das ist an sich
durchaus richtig, und es wird auch notwendig
sein, dies Prinzip durchzuführen. Dennoch lauert
hinter dieser Auffassung eine beachtenswerte Ge-
fahr: eine gewisse Überschärjung des papiernen
Entwurfes gegenüber der Ausführung. Es hat
doch seine Bedenken, daß jeder Entwurf honorar-
pflichtig sein soll; wie viele werden sich da-
durch abhalten lassen, zum Künstler zu gehen
und werden lieber fertige Ware kaufen. Auch
der Konkurrenz zwischen Bauunternehmer und
Architekt ist hier zu gedenken. Auf der andern
Seite freilich steht der grobe Unfug, wie ihn die
Textilindustrie kennt: Zeichnungen werden in
Massen geliefert, Honorar wird nur für das Karten-
schlagen gezahlt. Das bedingt die Züchtung übler
Musterzeichner. — Es sollen Flugschriften unter
dem Gesamttitel: „Der Geschmack im deutschen
Hause" herausgegeben werden. Man will diese
Heftchen zunächst an alle Mitglieder der Kunstge-
werbevereine absetzen, um so die finanzielle Basis
für das Unternehmen zu bekommen. Die eigent-
liche Absicht geht natürlich dahin, Fernstehende,
Aufjenseiter, Schlafende aufzuwecken. Die Idee
ist gewiß gut; es kann nie genug an Aufklärung
der Massen geschehen. Nur darüber sollte man
sich klar sein, daß die Abfassung solcher Flug-
schriften einen geschickten Pädagogen und einen
Meister des Wortes verlangt. Ob die gewählte
Kommission es verstehen wird, die richtigen
Kräfte heranzuziehen, bleibt abzuwarten. - Mit

einer Fixierung der Ansichten über das Geschmacks-
mustergeserj geht es nicht recht weiter. Auch
diesmal gab es wieder Vertagung; in zwei, drei
Jahren soll ein Kongreß zusammentreten, um sich
speziell mit dieser Angelegenheit zu befassen.

— Die vorwärtsschreitende Annäherung des Kunst-
gewerbes zur Volkswirtschaft nach Theorie und
Praxis konstatierte Dr. Hellmuth Wolff aus Halle.
Sein Referat enthielt einen plastischen Gedanken:
„die Fabrik spezialisiert und setjt den Konsu-
menten normative Werte vor". Von der wirt-
schaftlichen Qualitätsarbeit erwartet Wolff mit
Recht eine Verminderung der ordinären Markt-
ware, eine Einschränkung des Modeübels und der
Wirtschaftskrisen, eine Erleichterung des Absarjes,
eine Stabilisierung der Preise, eine bessere Be-
dienung der Konsumenten und eine höhere Be-
zahlung der Arbeiter. Diese Probleme sind oft
genug besprochen worden; sodaß es dem Refe-
renten nicht schwer wurde, das Interesse der
Versammlung zu gewinnen. Wenn sein Vortrag,
wie beschlossen wurde, gedruckt werden soll, so
wäre eine Vertiefung der Darstellung notwendig.

- Die wichtigste Position der Tagesordnung war
das Referat des Magdeburger Schmidt: „Über die
Geschmacksbildung des Kaufmannes". Es kam
dabei zur Sprache, daß es jetjt die Aufgabe
der Kunstgewerbevereine sei, die Arbeit, und
besonders die Agitation, zu spezialisieren. Der
großen, allgemeinen Propaganda sei genug ge-
schehen; es käme nun darauf an, Einfluß auf die
einzelnen Berufsgruppen zu bekommen. Das
waren Gedanken, für die der Berliner Verein bereits
eine Verwirklichung gefunden hat, dadurch, daß er
sich in Fachausschüsse aufspaltete. Schmidt will,
daß die Arbeit des Werkbundes, die durchaus
sachlich orientiert ist, durch die Kunstgewerbe-
vereine im Detail unterstüßt wird. Es war nur
selbstverständlich, daß der Geschäftsführer des
D. W. B. in die gleiche Kerbe hieb. Dr. Dohm
sagte: die allgemeine Propaganda ist erschöpft;
es kommt nur darauf an, das eroberte Land zu
kolonisieren, sich in den einzelnen Branchen ein-
zunisten, im idealsten Sinne realistisch zu werden.

Realistisch, der Wirklichkeit ins Auge sehend,
jedes Detail erwägend, so ist die Methode des
Deutschen Verbandes für das kaufmännische
Unterrichtswesen. Auch der tagte am Sonntag,
den 13. März. Die Abwicklung der Geschäfte war
mustergiltig, diffizil und entschieden. Die Kauf-
leute verlangen nach einer gründlichen Ge-
schmacksbildung. So gründlich, wie irgend mög-
lich. Darum arbeiten sie gemeinsam mit dem
Deutschen Werkbund. Auch den Kunstgewerbe-
vereinen und ihrem Verband kann keine bessere
Allianz empfohlen werden. robert breuer.

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