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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Bender, Ewald: Ausstellung der Berliner Secession: Berlin, Mai - Okt. 1910
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0290
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liivald Bender:

brechen der Zeit erfahren, der Kritiker dem
Künstler auch im Alter näher stehen, sollen
Urteil, Aufmunterung und Warnung ins Ziel
treffen und positiv wirken. Schon vor Jahren
sind Stimmen laut geworden, die in der Lei-
denschaft des Erkennens und aus dem Wunsch
zu helfen die längst reifen Zeichen der Zeit
zu deuten suchten. Aber, wie das immer ge-
schieht, man ist jung und ruft aus der Tiefe,
und die an gehobenem Orte standen, schauten
den Wolken von vorgestern nach. Erst als
Liebermann, begreiflicherweise verärgert durch
den jüngsten Angriff der Jungen und in Sorge
um die Zukunft der Secession, wenn Krisen
ähnlicher Art sich wiederholen sollten, in der
Eröffnungsrede der Ausstellung klar aus-
sprach, was er für die Wurzeln der Krank-
heitserscheinungen halte, da stießen plötz-
lich alle von der Kritik ins gleiche Horn. Man
muß es dem erfahrenen und klugen Künstler
hoch anrechnen, daß er mit seiner Beurteilung
des Nachwuchses nicht nur die Gebrechen
innerhalb der Secession traf, sondern allgemein

die Krankheit der Zeit zeichnete. Gewiß
herrscht unter den jungen Malern eine bedenk-
liche Ahnungslosigkeit über den Weg und die
Aufgaben der Kunst. Die meisten sehen die
eigentlichen Bildprobleme gar nicht und greifen
natürlich auch in der Wahl und Handhabung
der Darstellungsmittel fehl. Hat man das stoff-
liche Gerüst, sofern man sich überhaupt die
Mühe gibt, ein Bildproblem inhaltlich zu durch-
denken, in der ersten Niederschrift eben skiz-
ziert, so glaubt man schon ans Malen gehen
zu können. Die rohe Skizze wird vergrößert,
ohne zu bedenken, daß mit wechselndem For-
mat auch die Optik eine andere wird, daß bei
dem intimen Zimmerbild von bescheidenem
Format ganz andere Wirkungsfaktoren heraus-
gearbeitet werden müssen, als wenn man mo-
numentale Aufgaben auf Riesenleinwanden zu
lösen sucht. Man glaubt, wie beim impressio-
nistischenLandschaftsbild, alles getan zu haben,
wenn man der Leinwand, die mit ihren großen
Ausmessungen als Wandbild den Gesetzen der
Dekoration unterliegt, die Frische des ersten

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