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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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Michel, Wilhelm: Vom Schmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0186
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Vom Schmuck.

Fast kann man sagen, daß die letzten zwei
Jahrhunderte an Schmuck nichts hervorgebracht
haben, was sich mit den Erzeugnissen früherer
Zeiten vergleichen ließe. Der struktive Sinn ist
fast völlig geschwunden, die Materialbehandlung
trotz unserer „Errungenschaften" häufig viel
roher, als sie in jenen Zeiten war, die wir von
der Höhe unserer Kultur herab belächeln. Keine
Zeit ist mit den köstlichsten Materialien so um-
gegangen wie die unsere, in der man alberne,
negerhaft rohe Pflanzenformen mit zentral-
afrikanischem Geschmacke unter blitzenden
Brillanten und anderen Juwelen verschwinden
ließ, um das Ganze dann einer begüterten Dame
an den Hals zu hängen.

Auf dem Gebiete des Schmuckes hat das
19. Jahrhundert gehaust wieMummius inKorinth.
Es hat kostbare altererbte Materialkenntnisse
und Techniken untergehen lassen. Keine Ah-
nung mehr von dem Reichtum an Erfindung und
Motiven, der noch zur Zeit der Gotik und der
Renaissance bei uns herrschte; von unseren
Ringen sind die geschnittenen Steine, die dreh-
baren Siegelplatten, die Emaillierungen, die
Zellenverglasungen fast ganz verschwunden.

Die Gesinnung derEdelmetallbearbeitung ist ins
Unglaubliche entartet; Schmuck ist vorwiegend
verwandeltes und notdürftig zum Schaustück
umgemodeltes Geld geworden. Da Geldwert
notwendig mit ihm verbunden ist, erlag das, was
Geschmack und gute Gesinnung an ihm war,
der rohen Überschätzung des Besitzes.

Es war hohe Zeit, daß moderne Künstler mit
der Roheit und Lieblosigkeit, die die letzten
Jahrzehnte in der Behandlung edler Metalle
und Steine bekundeten, aufräumten, und mit
neuer Gesinnung, voller Achtung vor Material
und Technik, an das Problem des Schmuckes
herantraten. Wir wissen, wie vieles sie erreicht
haben. Wir wissen aber auch, wie jammervoll
das Publikum vor diesem Angebot versagt hat.
Nur sehr billige Modelle haben sich durchge-
setzt , die indes ihren Erfolg wohl mehr der
Wohlfeilheit als ihrem Geschmacke zu ver-
danken haben. Das eine haben wir schon er-
reicht, daß diejenigen, die ihr Besitz dafür prä-
destiniert, sich verpflichtet fühlen, eine künst-
lerisch anständige Wohnung zu besitzen. Auf
dem Gebiete des Schmuckes sind wir noch
lange nicht so weit, wilhelm mtchel—München.

ARCH. GEOFFREY LUCAS. LANDHAUS »POANDERS END«—HITCHIN. KAMINPLATZ IN DER HALLE.

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