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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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Mittenzwey, Kuno: Glasmalereien von Ernst Rinderspacher
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0522
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ernst rinderspacher—münchen. fenstergruppe mit glasmalereien.

GLASMALEREIEN VON ERNST RINDERSPACHER.

Die Glasmalerei bewegt sich unter den jungen
gewerblichen Künsten vielleicht noch am
unsichersten: die alte Technik ist zumeist auf-
gegeben worden, die neuen Ansätze haben sich
noch nicht zu einer Einheit zusammenge-
schlossen, und dabei ist unsere Profanarchitek-
tur mit ihrem Verlangen nach Licht einer aus-
giebigen Pflege, einer Entwicklung der Glas-
malerei nicht besonders günstig. So freut man
sich, wenn man auf einen Künstler aufmerksam
machen kann, der sichere Beherrschung der
Technik mit feinfühligem stilistischen Bestreben
vereinigt und seine Produktion den architekto-
nischen Forderungen unserer Zeit anpaßt.

Ernst Rinderspacher, ein junger Schweizer
(aus Basel gebürtig), hat sich sein Können
zuerst in der Praxis erworben, ehe er zu seiner
letzten künstlerischen Ausbildung die Münchner
Akademie aufsuchte. Er hat aber von keiner
Lehrerpersönlichkeit einen bleibend richtung-
gebenden Eindruck empfangen, sondern hat
bald das Gefühl gehabt, daß er sich alles allein
erwerben müßte. Dabei hat er vielleicht das
Beste aus dem Studium griechischer Vasen-
bilder zu gewinnen gewußt. Dies wird vielleicht
manchen überraschen, ist doch bei dieser ganz
andersartigen Technik alles auf die Feinheit
der linearen Führung gestellt. Schließlich hat
Rinderspacher von den klassischen Vorbildern
nicht mehr für sich genommen, als eine sichere

Feinheit in der Stilisierung des Strichs und eine
Disziplinierung in der dekorativen planen Kom-
position. Im übrigen sorgten schon die zeitig
erworbene Technik und ein guter Teil schweize-
rische Phantasie dafür, daß aus dem Auf-
genommenen sofort etwas ganz Eigenes wurde:
daß von irgend welcher klassizistischer An-
lehnung keine Rede sein kann, zeigt ja ein Blick
auf die Reproduktionen. Dieses Eigene ist zum
guten Teil durch die persönliche Handhabung
der Technik bedingt. Die Bilder sind zumeist
aus einem Stück Überfangglas ausgeätzt, dessen
stehengebliebene Stellen die Farbe der beherr-
schenden Flächen angeben, und nun werden
zunächst die kräftigen Konturen in Schwarzloth
aufgetragen. In der Führung dieser Schwarz-
zeichnung hat Rinderspacher sein Bestes ent-
wickelt, sie gab ihm die Möglichkeit, an die
klassischen Vorbilder anzuknüpfen und dabei
doch etwas ganz Eigenes, Materialgerechtes
auszubilden. Wie die Bilder im Innenraum
wirken, vermag man aus der Reproduktion am
Kopf dieser Seite zu erkennen. Man sieht, wie
die Bilder in der Fensterfläche stehen, ohne
daß sie lichtraubend wirken. Wir fügen hinzu,
daß Rinderspacher seinem Material volle, tiefe
Töne abzugewinnen weiß, so daß die Bilder in
dem hellen Glas nicht wie ein gefärbtes Helle
wirken, sondern wie eine geschlossene farbige
Einheit. — kuno mittenzwey.

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