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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Mayr, Karl: Franz Hoch, München
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0085
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Franz Hoch f München.

können. Hoch war im Innersten eine musi-
kalische Natur: er hatte ein gewaltiges Bedürf-
nis nach Rhythmus; wenn diese Kräfte in ihm
schwangen, fühlte er sich am wohlsten. Daher
ging er mit den Elementen, die ihm die Erschei-
nungen boten, aufs freieste und doch auch wie-
der aufs treueste um. Die reine Kopie einer
Landschaft, das Porträt einer Gegend mit den
augenblicklichen, in der nächsten Viertelstunde
wieder verschwindenden Zeichen wiederzu-
geben, bereitete ihm zwar keinerlei Schwierig-
keiten, aber dünkte seiner gewandten Hand —
zu leicht. Er hat zahllose derartige Studien
gemacht, aber er sah sie in der Tat eben nur
als Übungen an, als Unterhaltungen des Auges;
es war ihm ein Vergnügen der Sinne wie eine
stärkende Turnübung oder ein Glas guten
Weines, etwa vor dem Wasser eines Teiches
zu sitzen, die Schönheit der Farbe, die Wonnen
ihres Spieles, ihr Verfließen und Auseinander-
treten malend zu studieren und zu genießen.
Das nämliche Vergnügen und die nämliche An-
regung bot ihm aber auch bloßes Schauen und
Träumen in der Natur, das den wechselnden
Tönen der Wolken und dem Verdämmern eines
Weges in der Ferne mit derselben Liebe folgte
wie dem Schlänglein, das im Frühtau durch eine
Moorwiese schleicht, oder dem Nicken einer
Blume, die über die Häupter ihrer Schwestern
schwankt. War er doch ein begeisterter Natur-
wissenschafter, der keine gewöhnlichen Spezial-
kenntnisse besaß und wie alles so auch die
Naturwissenschaften mit Ernst und Ausdauer
betrieb. Jedoch als Künstler fühlte sich Hoch
erst, wenn er im Atelier, voll von seinen Ein-
drücken der Erscheinungen, diese in freien rhyth-
mischen Bildungen entweder vorläufig zeich-
nend oder gleich malend bezwang und zu neuen
Schöpfungen umformte. Mochte er im Leben
häufig nicht über Hemmungen allerlei Art hin-
wegkommen — wenn er vor seiner Staffelei
stand und harmonisch bildete, wie es dem
Grundbedürfnis seines Wesens entsprach, dann
fühlte er sich frei, als Mensch und Schaffender
auf der Höhe und im unbeschränkten Gebrauch
seiner Kräfte. So entstanden dann diese Bil-
der , oft in so schönen Farben, wie man sie
manchmal in glücklichen Stunden des Traumes,
durch Wiesen und Wälder gehend, erblickt,
freie Bildungen, die durch Bodenbeschaffenheit,

Lichtwirkung, Vegetation, Formen und Luft
das Wesen einer bestimmten Landschaft aufs
genaueste wiedergaben, ohne daß man doch
sagen könnte, das Bild stelle diese und jene
Ansicht dar, oder sie sei von der und jener
Stelle aus aufgenommen.

Wer so arbeitet, den drängt es, viel zu er-
fassen und sich an vielem zu begeistern. So
blieb er nicht in den badischen Landen, denen
seine ersten Lieder galten, stehen. Er wan-
derte viel und wartete überall des belebenden
Hauches, der seine Schöpferlust berührte und
entfachte. Der Sohn der Ebene lebte sich leicht
ein in die feingeschnittenen Juratäler mit ihren
traulichen Städtchen und in die Gegenden Ober-
bayerns, deren ernste Großartigkeit seinem das
Wuchtige bevorzugendem Herzen immer be-
sonders naheging (vergl. die oberbayerische
„Landstraße" bei Wartenberg); er gab die
sehnsüchtigen Blicke des Vorlandes auf die
fernen blauenden Berge wieder, als ob er da
geboren wäre (siehe den „Sommertag"); nicht
minder wahr und überzeugend aber auch die
herbe Einsamkeit der Eifel. Aus Frühlingstagen
in Umbrien und Wanderungen in Dalmatien
brachte seine Phantasie allerdings Bilder mit,
wie sie nur ein Deutscher sehen kann, gerade
dadurch freilich beweisend, wie tief und unzer-
störbar das Gefühl dieses echten, niemals von
den Sirenen des Fremdländischen verführten
Deutschen gewesen ist. Schließlich stieg er
hinauf in die Hochgebirge Tirolsund der Schweiz,
wanderte im Sommer in den hohen Regionen
und suchte die wilden Schönheiten und Schauer
des Winters auf großen Skituren zu ergründen.
Das letzte, was seine Hand preisen durfte, waren
die urweltlichen Herrlichkeiten an der Jungfrau.

Als diese machtvollen Gouachen die nie-
mand bis dahin gesehen, aus den zahllosen
Rollen des Nachlasses ausgewickelt wurden,
überkam die Freunde Rührung und Bewunde-
rung: so hoch war der meisterliche Mann in
seinem 42. Lebensjahre gestiegen. Mancher
denkt wohl mit Wehmut, was er uns noch alles
hätte schenken können. Wir wollen uns be-
scheiden: er hat genug getan; er hat uns Köst-
liches gegeben; er war ein deutscher Meister
vom Scheitel bis zur Sohle und seine Werke
werden leben als reiche Zeugnisse seiner Natur
und unserer Zeit...... Professor karl mayr.

XX. April 1917. 7
 
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