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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 40.1917

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Muthesius, Hermann: Wie wird der Krieg auf die deutsche Baukunst einwirken?
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https://doi.org/10.11588/diglit.8539#0192
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DAGOBERT
PECHE WIEN.
»ZIERSCHRIB'T«

WIE WIRD DER KRIEG AUF DIE DEUTSCHE BAUKUNST EINWIRKEN?

VON GEH. REGIERUNGSRAT DR.-ING. HERMANN MÜTHESIDS.

Die ungeheuren Geldopfer, die der Krieg
gefordert hat, werden eine Andersgestal-
tung aller wirtschaftlichen Verhältnisse nach
Friedensschlußheraufbringen. Es erscheint dann
aber fraglich, ob schwebende Bauabsichten noch
in der früheren Weise durchgeführt werden
können. Zwar sind Bauten unbedingt nötig, die
Welt könnte nicht weiterbestehen, wenn nicht
gebaut würde. Aber es ist ein Unterschied, ob
aus gefülltem Geldsäckel heraus gebaut wird,
oder ob die Mittel knapp sind. Die Losung
nach dem Kriege wird sein, sich einzurichten.
In Deutschland ist in den letzten zwanzig Jahren
mit dem Ersatz von Bauten etwas eilig vor-
gegangen worden. Wer die Verhältnisse in
anderen Ländern kennt, weiß, daß nirgends in
der Welt mit solcher freudigen Bereitwilligkeit
zu Neubauten geschritten wurde wie in Deutsch-
land. Es liegt auf der Hand, daß wir nach dem
Kriege nicht in gleichem Schritt weitergehen
können. ■—■ Aber nicht nur zum langsameren,
auch zum einfacheren Bauen wird die Zeit nach
dem Kriege nötigen. Ganz abgesehen von der
reichen Formentfaltung, die sich in unseren
Straßen vor dem Kriege bemerkbar machte,
äußerte sich vielfach ein übertriebener Luxus
in der Verwendung kostbarer Baustoffe. Werk-
stein, Marmor, Bronze, Kupfer, edle Hölzer,

Kunstkeramik waren bei größeren Bauten eine
Selbstverständlichkeit geworden. Ein Putzbau
schien überhaupt nicht mehr zulässig zu sein.

Vom Standpunkte des Architekten wird eine
gewisse Opferwilligkeit des Bauherrn gewiß
stets begrüßt werden. Die Baukunst im höchsten
Sinne ist aber von den äußeren Mitteln so gut
wie unabhängig. Gerade die Entwicklung der
letzten Jahrzehnte läßt uns dies erkennen. Die
sich in den siebziger und achtziger Jahren breit
machende Überladung mit Stuck und Zinkguß-
ornamenten wurde keineswegs dadurch ge-
bessert , daß später echte Stoffe verwendet
wurden. Die Unkultur war noch ebenso vor-
handen wie vorher, ja sie trat vielleicht noch
stärker dadurch hervor, daß edle Materialien
in unedle Formen gekleidet wurden. Höchst
lehrreich ist aber, zu beobachten, daß auch der
weitere Schritt, berühmte Architekten heran-
zuziehen , nicht überall das erwünschte gute
Ergebnis gebracht hat. Es genügt also weder
die Echtheit des Baustoffes, noch der gewandte
Architekt, um zu einem guten Bau zu gelangen,
sondern ausschlaggebend vor allem ist die Ge-
sinnung, die in dem Bauwerk niedergelegt wird.
Die sichere Empfindung für das Schickliche,
das richtige Augenmaß für Zweck und Ziel, die
unaufdringliche gute Haltung sind unerläßliche
 
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