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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Zimmermann, Ernst: Dekorative Keramik
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0174
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ENTWURF: LOTTE CALM. % KERAMIK »DAS DUELL«

DEKORATIVE KERAMIK.

Daß die Keramik sich bei uns eine so beson-
dere Stellung erwerben konnte, verdankt
sie lediglich dem Umstände, daß sie in ihrer
letzten und höchsten Entwicklungsstufe durch
die Vorbilder Chinas und Japans eine aus-
gesprochene Kunst der Farbe geworden ist.

Als farbiges, als starkfarbiges Objekt fügen
wir darum auch das Erzeugnis rein dekorativer
Keramik in unsere Wohnungen in der Regel
ein, stellen es hin auf Schränke, Kommoden,
Tische und Konsolen, oder hängen es an die
Wände. Hier ist es der Punkt, an dem der
heute, Gott sei Dank, nach langem Versiegen
wieder in uns erwachte Farbensinn in unseren
Zimmern seine reinste Freude, sein höchstes
Gefallen finden kann. Es ist der Farbensinn des
normalen, d. h. noch nicht blasierten Menschen,
der sich nach reinen, schönen Tönen sehnt, die
gebrochenen höchstens nur in fein abgestimmten
Harmonien liebt, jener Farbensinn, den die
Menschheit immer besessen, nach dem das Auge
ebensogut verlangt, wie das Ohr nach dem vollen
Klang musikalischer Töne. Er ist zwar nicht
jedem in gleichem Maße eigen. Die Fähigkeit,
Farben zu sehen und zu empfinden, ist ja gleich,
wie die, Töne richtig zu hören, bei den ver-
schiedenen Menschen sehr verschieden. Ganz
jedoch wird er nur jenen fehlen, die wir farben-
blind nennen, jenen Bedauernswerten, denen

die Natur einen der schönsten Genüsse auf
Erden versagt hat und die darum nicht besser
über die Farbe reden können, wie Blinde.

Diese wiedererwachte Farbenfreude kann
freilich auch an anderen Dingen in unseren
Zimmern seine Befriedigung wieder finden. Es
ist hier jetzt alles wieder farbiger geworden,
als vordem: die Tapeten, die Teppiche, die
Decken, die Wandbilder, das Bücherbrett mit
seinen ganz verschiedenfarbigen Bänden; selbst
die Möbel erscheinen heute vielfach farbig ge-
beizt, lackiert oder angestrichen. Doch eine
gewisse Zurückhaltung muß hier am Platze sein.
In einem beständig uns rings umwogenden Far-
benrausch können wir nicht leben, vor allem
nichtwirmodernen.schwachnervigenMenschen,
die wir, abgetrieben und nervös gemacht von
der Hetze des Lebens da draußen, mehr als je
uns in der Zurückgezogenheit der Räume, die
uns heute zum Heim dienen, nach Ruhe, nach
Befreiung von äußeren Eindrücken sehnen. Nur
Räume, in denen wir nicht eigentlich wohnen,
die nur in gehobener Stimmung benutzt werden,
d. h. die der großen Geselligkeit gewidmeten,
dürfen heute noch stark farbig sein. Wir haben
keine Bauernnerven mehr, und so muß auch
unsere Wohnungskunst das volle Gegenteil von
Bauernkunst sein. Aber an einzelnen, nicht
immer gleich in die Augen fallenden Stellen,
 
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