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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Prellwitz, K.: Sehen lernen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0329

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Sehen temefi.

fachschule—haida. »blumenvase« rubin überfangen.

schlecht oder ver-
kehrt geschrieben
wäre. Vielleicht ist
es sogar so, daß
heute von gar nicht
wenig Leuten bes-
ser und verständiger
über künstlerisches
Schaffen geschrieben
wird als zu irgend-
einer Zeit. Nur der
Gebrauch, der allzu
häufig von dieser Li-
teratur gemacht wird,
ist so bedenklich.
Der Leser wälzt sich
einen Block von Be-
griffen in den eige-
nen Weg. Er legt
ihn sich selbst wie
etwas Unüberwind-
bares hin, weil er
bei der Auseinan-
dersetzung mit der
LiteraturmeiDungbe-
ginnt, statt herzhaft
an die Sache selbst,
an das Bild heranzu-
gehen und es in
seinen Stärken und
Schwächen zunächst
einmal unvoreinge-
nommen auf sich wir-
ken zu lassen. —
Und dann vor allem
ist es die sehr übele
Gewohnheit gewor-
den nur noch Ent-
wicklungsgeschichte
zu sehen. Entwick-
lungsgeschichte beim
einzelnen Werk, wie
es naß noch auf der
Staffelei steht. Ge-
rade die Menschen,
die ziemlich viel
Kunstwerke vor Au-
gen gehabt haben,
scheinen von dieser
Krankheit befallen.
Ihre erste Erwägung
scheint nicht zu sein,
was an Feingehalt
das Werk bietet, was
das Bedeutsame und
Tüchtige im Einzel-
nen daran ist, es ist k. k. Fachschule—haida. »Kristallglas« geschliffen.

auch kein Gedanke
an ein beglücktes
Genießen, vielmehr
wird eingeschnappt
auf irgend eine Aus-
drucksgeste, eine Art
des Koloristischen,
des Linearen, des

Kompositionellen,
auf irgend etwas, was
zumeist die Schwä-
che des Künstlers
ist, was äußerlich als
Erinnerung an ge-
sehene Kunst noch
unverdaut in ihm
liegt, was er als for-
melhafte Wendung
gemeinsam hat mit
denen, die um ihn
herum arbeiten. Ganz
typisch ist es, daß
von dieser Art Be-
trachter niemals nach
dem Bleibenden in
einem Werk gefragt
wird, sondern daß
das Wissenswerte für
sie allein in der Fra-
ge liegt, nach wohin
denn von dem Werk
aus weitere Entwick-
lung möglich sei. Das
Geschaffene, was vor
ihnen steht, interes-
siert sie im Grunde
eigentlich nicht, le-
diglich das, was al-
lenfalls nachkommen
könnte. Scheinbar
ein sehr fortgeschrit-
tener Standpunkt, in
Wirklichkeit aber das
Gegenteil allerKunst-
betrachtung, die ei-
nem Werk, das doch
als etwas in sich ge-
schlossenes genom-
men werden will, ge-
recht zu werden ver-
mag. So kann es zu
der Groteske kom-
men, daß die Arbeit
eines eben reif ge-
wordenen Künstlers,
der nach schrittwei-
ser Entwicklung end-

XXI. Jan.-Febr. 1918. t
 
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