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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Habich, Georg: Neue Münchener Medaillen
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Neue Münchener Medaillen.

Tugend macht, aber nichtsdestoweniger unter
dem Namen „Kunstmedaille" drei Jahrzehnte
lang auch bei uns die Mode beherrschte und in
Österreich noch heute beherrscht.

Dasio selbst hat die praktischen Vorteile und
die künstlerischen Vorzüge der alten Renais-
sancetechnik, ohne indes in altertümelnde
Nachahmung zu verfallen, in einer stattlichen
Reihe von Bildnisstücken und figurlichen Dar-
stellungen praktisch erwiesen. Die Leichtigkeit,
mit der die Arbeit von der Hand geht, hat dann
zahlreiche Jüngere, meist Schüler derMünchener
Kunstgewerbeschule, zur Nachfolge geführt.
Ganz in diesen Bahnen bewegen sich Olofs,
Feuerle, May, Oppenheimer u. a. Auch Lissy
Eckardt bekundet in liebenswürdig erfundenen
Plaketten dieselbe Schule und ebenso leistet
Daumüller in Schmucksachen und Anhängern
plakettenartigen Charakters Kräftig-Schönes.
In einer schier überreichen Produktion hat H.
Lindl den Tief schnitt in Schiefer virtuos bis zur
Flüchtigkeit ausgebildet. Große Leichtigkeit der
Hand erweist auch Wysocki, am glücklichsten
in freien Studienköpfen, deren vertriebene Form
den Maler erkennen läßt. Eine eigene Rhythmik
besitzen die phantastischen Figurenstücke von
Karl Ott. In bildhauerischer Schulung übertrifft
die Genannten Friedrich Lommel, der nament-
lich in spielend improvisierten Bauernszenen
glücklich ist. Die merkwürdigste Erscheinung
in dieser Reihe bildet der Württemberger Lud-
wig Gies. Seine ins Abenteuerliche gesteigerte
Phantasie bevölkert das Feld der Medaille mit
einer Fülle grotesker Gestalten, und es ist er-
staunlich, mit wie einfachen Mitteln er es ver-
steht, den Eindruck einer wimmelndenMenschen-
masse oder auch die erdrückenden Verhältnisse
einer Architektur, einer gotischen Kathedrale
etwa, oder auch eines modernen Schiffsriesen im
engen Rund sinnfällig zu machen. Seine Vor-
stellung gleicht einer Spielschachtel, aus der er
Menschen und Gegenstände in buntem Wechsel
herauspurzeln läßt. Wir besitzen von ihm eine
Reihe vonKriegsmedaillen, vielleicht die einzigen
Erzeugnisse ihrer Art, die diesen Namen ver-
dienen; denn sie allein werden der Ungeheuer-
lichkeit des Geschehens gerecht, das die Mensch-
heit gegenwärtig im Bann hält. Wie Riesenspiel-
zeuge des Schicksals erscheinen hier Menschen
und Dinge. In seinen plastischen Mitteln be-
schränkt sich Gies auf eine primitiv gedrungene
Form von der Einfall alter Lebzelter- und Wachs-
model. Selbst im Bildnis geht er nicht über die
allgemeine Anlage hinaus.

Stilistisch betrachtet bildet die hier gekenn-
zeichnete Richtung, wie sie sich aus dem Tief-
schnitt im Negativ entwickelte, eine nahe Paral-

lele zu derdekorativenRichtungderMünchener
Bildhauerei, die in IgnaziusTaschner, Floßmann,
Wrba ihre Blüte hatte. Als angewandte Kunst,
in Verbindung mit der Architektur, war ihr ein
großer Erf olgbeschieden,während die von Hilde-
brandsTheorie ausgehenden Versuche der freien
Bildhauerei, direkt ohne Hilfsmodell in Stein zu
konzipieren und aus dem Stein zu arbeiten, ge-
scheitert sind. Sie mußten ohne Naturanschau-
ung, wie sie waren, im Äußerlichen,Dekorativen,
in der Anlage stecken bleiben. Dieselbe Gefahr,
nämlich zum Dekorationsstück zu werden, zum
Kunstgewerblichen herabzusinken, droht auch
der Münchener Medaille. Der Tiefschnitt hat
den gefährlichen Vorzug, in jedem Stadium fertig
zu wirken. Das verleitet zum Summarischen,
Oberflächlichen und führt zur Manier. Die letzte
Feinheit des Umrisses, die reine Form, die bei
einem auf Nahbetrachtung berechneten Klein-
kunstwerk, wie es die Medaille ist, ein wesent-
liches Moment bildet, lassen die neuesten
Erzeugnisse vielfach vermissen. Das innere
Gefühl für die organische Naturform und für
natürliche Bewegung, das jene Alten so glück-
lich besassen, geht mehr und mehr verloren.
Man arbeitet in München auch hier allzu ein-
seitig auf den formalen Effekt. Eine besondere
Rolle in der Entwicklung der modernen Münche-
ner Medaille spielt das Künstlerfestzeichen.
Taschners wenig bekannten hochkünstlerischen
Bauernballmedaillen aus den neunziger Jahren
haben hier vorbildlich gewirkt. Aber es ist nicht
gut, daß die Münchener Medaille auch da, wo
sie sich ernsthaft gibt, nicht recht über das Mas-
kenzeichen hinauskommt, weder in den Ideen
noch in den darstellerischen Mitteln.

Eine gewisse Gewähr, daß die hier mit einem
Warnungszeichen versehene Klippe doch ver-
mieden wird, gibt der Umstand, daß neuerdings
faßt sämtliche namhafte Münchener Bildhauer
vom Fach sich mit der Medaille beschäftigen.
Neben Hildebrand und dem verstorbenen Floß-
mann vor allem zu nennen Hermann Hahn, der
erst kürzlich mit einem überzeugenden En face-
Porträt Houston Stewart Chamberlains den Be-
weis lieferte, daß in der stilistischen Beschrän-
kung der Schaumünze volles Lebensgefühl Platz
hat, ferner Th. Georgii, dessen jüngst entstan-
dene ausgezeichnete Hildebrand-Medaille, ein
Prägestück, neue Hoffnungen für eine Wieder-
belebung der Prägemedaille erweckt. Schöne
sinnliche Frische offenbaren auch die Original-
modelle von B. Bleeker, nur schade, daß ihr
Bestes auf dem Wege durch die Reduktions-
maschine und die Prägung zumeist verloren
geht. Gediegene Bildnisstücke liefert H. Schwe-
gerle, neben dem Joh. Seiler, 0. Obermayr und
 
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