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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Jaumann, A.: Die Silberfiguren: ein Gespräch
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0105
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Lotte calm wien. Keramik »Schaukel«

DIE SILBERFIGUREN.

ein gespräch.

Der Architekt: Und was sagen Sie, Herr
Professor, zu den getriebenenSilberfiguren,
die mein Freund ausgestellt hat? Es sind ja
nur Wiederholungen nach den Originalen, die in
meinem neuenKino die Bühne rahmen. An ihrem
Bestimmungsort wirken sie ja wohl stärker.

Der Bildhauer: Ihr Freund ist sicher ein
großes Talent. Aber die Figuren gefallen mir
nicht recht. Sie sind doch — wie soll ich sagen
■— zu maniriert.

Der Architekt: Aber, Herr Professor, Sie
müssen bedenken, die Verwendung der Plastik
als Architekturglied verlangt doch oft eine sehr
starke Stilisierung!

Der Bildhauer: Gewiß, aber plastisches
Bildwerk muß sie bleiben. Ich verstehe nicht,
wie ein Bildhauer sich so sehr dem Ornamen-
talen und Dekorativen hingeben kann. Die
Plastik ist und bleibt eine selbständige Kunst,
die ihre eigenen Gesetze und ihre eigene Ver-
antwortung hat. Sie begibt sich ihrer Würde,
wenn sie sich der Architekturals Magd anbietet.

Der Architekt: Herr Professor haben doch
selbst gerade genug für Architektur gearbeitet!

Oktober 1918. 10*

Der Bildhauer: Aber ich hätte mich nie
dazu hergegeben, dem Architekten meine Art,
meinen Stil, meine Entwicklungslinie zu opfern.
Wenn der Architekt meine Arbeiten nicht so
hinnimmt, wie sie sind, so verzichte ich lieber.

Der Architekt: Und ich verstehe nicht,
wie auf diesem Wege ein einheitliches neues
Gesamtkunstwerk aus Architektur und Plastik
zustande kommen soll. Ich habe mit dem Bild-
hauer (wie auch mit dem Maler und den an-
dern Helfern) zusammen etwas stilistisch Neues
schaffen wollen. Etwas von gleicher Formen-
leidenschaft , wie etwa birmanische Tempel
zeigen oder ungarische Holzschnitzereien. Daher
wohl die sogenannte „Manier", die Sie stört.

Der Bildhauer: Aber wie kann man solche
Volksarbeiten oder barbarischen Ungetüme un-
serer freien Kunst als Vorbild hinstellen! Sie
haben doch höchstens nur einen gewissen kunst-
gewerblichen Wert. Solche Moden verderben
den Künstler, er wird seiner wahren Künstler-
schaft untreu.

Der Architekt: Dann schätzen Sie gewiß
die monumentale Wucht der Assyrer auch
 
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