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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Gleichen-Rußwurm, Alexander von: Das Bekenntnis in der Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0202
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Das Bekenntnis in der Architektur.

ZEICHNUNG
VON GISELA
SCHWF.MMLK-
BUDAPEST.

mer als ein schlechter Priester, und mit ihm sollte
man am allerwenigsten Geduld haben. Diese
Geduld blüht auch nur bei schlechten Bauherrn
empor, denen der geringwertige Architekt
schmeichelt. Ein schlechter Bauherr kann keinen
guten Künstler vertragen, denn dieser würde
sich der ganzen Richtlinie widersetzen, die der
Auftraggeber aufstellt. — Sind die Staatsbauten
niederträchtig, kann man sicher sein, daß der
Staat ein schlechter Bauherr ist und was an
seinen Bauten ungeheuerlich wirkt, gibt genau
ein Bild seiner eigenen Ungeheuerlichkeit. Wenn
alles andere schweigt aus Furcht und Dummheit,
dann schreien die Steine: dies ist böse, dies
ist faul, dies ist wahnsinnig hier zu Land und
wenn kein frommes Echo unter den Lebendigen
antwortet, wenn ein blinder Heiliger wie Patrik,
von seinem Führer gefoppt, unter den Steinen
predigt, dann schreien die Steine selbst Ja und
Amen. Denn nichts ist gleichgültig und unbe-
seelt, alles hält sich und hängt zusammen. Jeder
einzelne Fehler, jede einzelne Tugend bauen
mit, schleppen und tragen herbei an dem, was
eirje Stadt, ein Volk, ein Land an Bauten auf-
stellt als Selbstbekenntnis gültig und sichtbar.
Der Zeitgeist wird ihm von uns allen eingeblasen

und er hat wiederum dem Stoff nichts anderes
zu geben als diesen Geist. Aber der Stoff oder
was wir so nennen, kommt irgendwie geheim-
nisvoll dieser geheimnisvollen Kraft entgegen,
wird und bleibt heilig oder unheilig durch das
ihm übertragene Wollen, durch Segen oder
Fluch des mächtigen Menschen. Bauten sind
Leben von unserem Leben, ihre Wirklichkeit
ist wirklicher als manches einzelne Dasein. Die
Schönheitsvollen sind so beseelt wie große über-
ragende Menschen. — Es ist ein unmöglicher
lächerlicher Gedanke etwa sittlich bauen zu
wollen nach moralischer äußerer Vorschrift.
Ein Bau wirkt ganz von selbst edel und sittlich,
wenn ihn nicht gemeine Leute errichten. Beste
Bautätigkeit drückt die erlaubte Selbstherrlich-
keit des Menschen aus, seinen schönen Stolz
und seine Heimatliebe, seine Würde und seine
Fähigkeit zur Gastfreundschaft.

Im Bauen darf und muß er sich selbstherrlich
zeigen, denn Bauen ist Bejahen, übersetzen des
heimlich Persönlichen in die Sichtbarkeit. Wo-
rauf wir stolz sind, das bauen wir. Ist aber der
Stolz nur niedrige Eitelkeit, so wird auch das
Gebäude niedriger Art, wenn es noch so hoch ge-
richtet steht. ALEXANDER VON GLEICHEN-RUSSWURM.
 
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