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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Heuss, Theodor: Werkbund-Ausstellung in Kopenhagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0273
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Werkbund-Ausstellung in Kopenhagen.

konnten. Das soll jetzt nicht klein gemacht
werden dürfen. Die amtlichen Stellen unserer
auswärtigen Vertretung haben die Zusammen-
hänge begriffen und mit Freuden die Versuche
begrüßt; denn diese wirken auf die geistige
Atmosphäre, in der das politische Geschäft
besorgt werden muß.

Der Werkbund hat, indem er ins Ausland
ging, sich selber ein eigenes und neues Gesetz
gegeben: daß nicht eine Vielheit von Personen
und Ausschüssen die Arbeit leiste, sondern, in
Auswahl und Anordnung, ein einzelner mit einer
künstlerischen „Diktatur" ausgestattet werde.
Das umschließt natürlich die Gefahr der Ein-
seitigkeit; es ist möglich, daß der Beauftragte
wesentlich solche Kunstleistungen zeigt, die
seiner eigenen Arbeit nähe stehen — aber so-
fern nur der richtige Mann mit der inneren
Weite gefunden ist, wird die Gewähr geboten,
daß nicht Zufälligkeit und Zersplitterung, son-
dern Einheitlichkeit und Geschlossenheit den
Charakter des Unternehmens bestimmen. In
der Schweiz hatte Peter Behrens die künstle-
rische Leitung, für Skandinavien war Professor
Richard Riemerschmid, der Vorstand der Mün-
chener Kunstgewerbeschule, gewählt. Er hat
in Kopenhagen einen großen Triumph seines
sachlichen Ethos gefeiert.

Die Räume der „Freien Ausstellung" hinter
der „Langen Linie" sind nicht eben günstig,

ein paar nüchterne Oberlichtsäle. Was hat
Riemerschmid aus ihnen gemacht — den Ko-
penhagenern war dies das erste Erstaunen, daß
die öde Architektur zum Rahmen einer heiteren
Lebendigkeit wurde. Am gelungensten beim
Vitrinensaal, der erlesene Stücke handwerk-
licher Kunst beherbergte, von Wilm, Scheurig,
Lauweriks, Thorn-Prikker u. a., silberne Ge-
fäße, edle Keramik, Lederarbeiten. Mit dünnen,
gekreuzten Latten war ein luftiges Gewölbe
erstellt, über das sich ein gemusterter Stoff
spannte — auf der vorderen Kante der Wand-
schränke ansetzend schuf diese improvisierte
Decke eine behagliche Räumlichkeit mit leicht
gedämpftem Licht, die ziemlich tiefen Vitrinen
erhielten von oben eine freie ungebrochene
Helligkeit. Der große Saal der Industrieerzeug-
nisse, mit Porzellanen, Steingut, Gläsern, Stof-
fen, Spielsachen, Büchern, Verpackungen, war
ein locker freundliches Spiel in weißem Satin,
der in faltigen Vierecken die Decke musterte;
ein Ausschnitt in der Wand, hinter dem zwei
große Walzen aufgebaut waren, zeigte in un-
endlicher Rolle wechselnd die besten deutschen
Tapetenmuster — das ist ein glücklicher Ein-
fall gewesen, die Tapete nicht im Musterbuch
oder auf dem Karton, sondern in flächiger
Wandwirkung zu zeigen. Ausgezeichnet wurde
Riemerschmid mit einem toten, tiefen Raum
fertig, der für Plastiken bestimmt ist, indem er
 
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