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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

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Habicht, Victor Curt: Das unideale Sein und die absolute Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0263
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Das tinideale Sein und die absolute Malerei.

ANDRE DERAIN—PARIS.

GEMÄLDE »STILLEBEN«

Gewinn — und Erkenntnis von heute ist immer
besser als nachhinkende von morgen- Es hat
deshalb nur Wert, von vorne anzufangen.

Expressionismus (das arme,geschändeteWort
aus oben genannten Gründen beibehalten) ist
kein Stil. Ein Stil ist eine verstandesmäßig ge-
fundene, außerordentlich begrenzte, Anschau-
ungs- und Gestaltungsform des Seins.

Unter Sein verstand man seither entweder
ausschließlich, oder rationell gefärbt, die Er-
scheinungswelt des optisch Wahrnehmbaren.

Die fundamentale Umdrehung (nach sehr
bewährten Mustern Einzelner) des jetzigen
Augenblicks besteht darin, daß intuitiv (schein-
barneu) der Sinn des Seins wiedergefunden
wurde. Er löscht den trügerischen Dualismus
und steht ergriffen vor der Erkenntnis der Iden-
tität von Sein und Erkenntnis. Dies aber und
nichts anderes (und ganz gewiß nicht intellek-
tuelle oder sensualistische Verzückungen) ist
der Gehalt aller Mystik gewesen, der unbe-
weisbare, nie aufweisbare, der ewig wahre.
Man lasse die entsetzlich verkümmernden Na-
men weg. Nicht Pantheismus, nicht Theopanis-
mus trifft den unausdrückbaren Kern.......

Allein — wir sinnen nicht mehr hinter Worten,
tauchen nicht mehr in die lebendige Kraft ihrer
schöpferischen Gewalt — sonst könnten nicht so
einfache Seinsanschauungen, Rückstrahlungen
des ewigen Selbst (es ist schwer, das rechte
Wort zu finden) wie: „das Sein ist", begrenzt
verstanden werden. Es fielen zugleich die un-
erlebnisartigen Horizonte des Monismus mit den
Begrenzungen einer anthropologischen Schei-
dung von Objekt und Subjekt, der Wahn der
Ideale, der törichste und gefährlichste von allen.
Eine Narretei, die Stufenleiter des höchsten
Seins zu der uns vertrauten Materie zu leugnen.
Eine Narretei ebenso, die ununtersuchbare Dua-
lität unseres Seins zwischen Gebundenheit in
der letzten Stufe, der Materie, und der höchsten
Einswerdung mit dem Absoluten zu leugnen.

Sieht man den Ansturm an, den das matte
Wörtchen Expressionismus schaal belegt hat, so
ist es klar, daß ein Vorsprung — und weiter
nichts — eingeräumt werden soll. Die Mög-
lichkeit des Sprungs über Stufen hat sich auf-
getan, (Darum auch das Entsetzen, zu folgen I)

Grandioser nicht als in diesem Augenblick
hat sich die Unbegrenztheit der Manifestations-
 
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