Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

DOI Artikel:
Frank, Josef: Siedlungshäuser
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0114
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
AUCH. DR. JOSEF FRANK.

»WOHNHAUS bei WIEN«

SIEDLUNGSHÄUSER.

Der Versuch, eine für Wien typische Woh-
nungsform zu schaffen, ist eigentlich erst
durch die Siedlerbewegung unternommen wor-
den. Das Einfamilienhaus hat bei uns keinerlei
Tradition; rationelle Bewirtschaftung einerseits
und Raumwirkungen andrerseits sind nicht an-
gestrebt worden und die Wohnung bestand aus
aneinander gereihten Zimmern, die manchmal
wie zufällig sich nicht im dritten Stock befan-
den, sondern in einen Garten versetzt waren.
Dies war auch für die Einrichtung des Hauses
nicht günstig, da gleichartige Räume dazu ver-
leiten, mit Möbeln Architektur zu treiben, wäh-
rend das einheitlich konzipierte Haus sie in
ihrer ursprünglichen, untergeordneten Funktion
beläßt. Hier Wandel zu schaffen, ist bis heute
noch nicht gelungen, da sehr selten jemand von
seiner vorgefaßten Meinung von der Gestalt
der Wohnung abgehn will, noch darauf verzich-
tet, die Vorteile der Mietwohnung ins Einzel-
wohnhaus mitzuschleppen, wo sie überflüssig
und hinderlich sind und das Bauprogramm und
den Kostenanschlag unnötig belasten.

Es ist uns heute klar, daß eine durchgreifende
Reform nur von der primitivsten Wohnungs-
form ausgehn kann und sich von dieser aus ent-

wickeln muß, da es wesentlich auf die allge-
meine Überzeugung ankommt, die dann ihrem
Willen Ausdruck gibt. Das Siedlerhaus bildet
den Anfang. Die Not der Zeit hat es aus der
Schrebergartenlaube entwickelt und uns gleich-
zeitig eindringlichst vor die Aufgabe gestellt,
den geringsten Wohnbedarf mit den geringsten
Mitteln herzustellen. Die Häuser, die bisher
entstanden und hier gezeigt sind, sind keine
Ideale, aber wir wissen heute sehr gut, daß wir
niemals zu solchen kommen können, wenn wir
nicht auf vieles, selbst im Einzelfall, wo seine
Anwendung möglich wäre, verzichten können.

£ JOSEF FRANK.

Man kann der Architektenwelt nichts Bes-
seres wünschen, als daß sie gezwungen
sein möge, mit jedem Stein, der verbaut wird,
zu Rate zu gehen. Ebenso wünschenswert ist
dies für die Verwaltungen. Wenn man erst
wieder genötigt ist, mit geringen Mitteln mög-
lichst viel zu erreichen, so kommt die Konzen-
trierung auf den Zweck von selbst, und damit
ist auch die Möglichkeit gegeben, daß künst-
lerischer Wert in die Bauten kommt. Nur die
Not kann das erzwingen, oder die Gewalt muß
es erzwingen, hans cürlis und h. stkphany (1916).
 
Annotationen