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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Lange, Konrad: Werkformen und Kunstformen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0127
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WERKFORMEN UND KUNSTFORMEN
übergreifen vielfach einander, sind mit-
einander verflochten, sodaßsie wohl theoretisch
nicht aber praktisch voneinander getrennt wer-
den können. Daraus ergibt sieb, daß weder die
organischen Formen noch auch die Nutzformen
für sich allein die architektonische Schönheit
repräsentieren, sondern daß das Geheimnis der
architektonischen Schönheit in dem Zusammen-
wirken beider, in der Ausgleichung der geo-
metrischen und der organischen Tendenz liegt.

Dasselbe kann man auch vom Kunstgewerbe
sagen. Es wird sich im einzelnen Falle oft schwer
entscheiden lassen, welche Formen eines Möbels
oder einer Vase noch reine Nutzformen und
welche schon organische Analogien sind. Den-
noch wird man theoretisch daran festhalten
müssen, daß der Beschauer neben der durch
Gebrauchszweck undMaterial bestimmten Form
ein gewisses Etwas von organischer Belebung

verlangt, wenn er ein solches Gerät ästhetisch
genießen soll. Aber auch hier geht die künst-
lerische Gestaltung nicht darauf aus, die Nutz-
formen aus der Betrachtung auszuschalten und
die Aufmerksamkeit des Beschauers ganz auf
die organischen Analogien zu lenken. Das ästhe-
tische Urteil soll keineswegs in dem Satz gip-
feln : Das ist organisches Leben, sondern in dem:
Das ist etwas praktisch Zweckmäßiges, dessen
Formen an organisches Leben erinnern.

Jeder künstlerisch gebildete Mensch empfin-
det sofort, daß die Naturform, sobald sie in das
Ensemble der Naturformen eintritt, umgebildet,
dem geometrischen Schema und den Bedingun-
gen des Materials angepaßt werden muß. Diese
Stilisierung ist aber nicht etwas, was von selbst
entsteht, sondern etwas, was vom Künstler ge-
wollt wird. In ihr besteht recht eigentlich das
Verdienst des Künstlers, sie ist eine wesentliche
Ursache des ästhetischen Genusses, eonr. lange.
 
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