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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Unus, Walther: Die Bedeutung der Berliner Kunstschul-Kämpfe
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0170
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DIE BEDEUTUNG DER BERLINER KUNSTSCHUL-KÄMPFE.

Seit der Gründung der Sezessionen ist die
Berliner Künstlerschaft nicht so erregt ge-
wesen wie jetzt. Für die Leser dieser Zeitschrift
wäre die Sache ohne Wichtigkeit, stände nicht
hinter all diesen Geschehnissen, Persönlich-
keiten, Ränken, Gerüchten der Kampf darum,
was wir in der Kunstpflege ernst nehmen und
was wir vernachlässigen dürfen.

Der Sachverhalt ist kurz der: die Regierung
benutzt die an sich notwendigen Sparmaß-
nahmen als Vorwand, die Hochschule zusam-
menzuquetschen, räumlich vorerst, dadurch
natürlich auch an Bedeutung. Die Kunstge-
werbeschule soll ihr vor die Nase gesetzt wer-
den. Sie bestreitet diese Absicht, stellt aber
alle Betroffenen vor vollendete Beschlüsse.
Die Professoren protestieren, die Hochschüler
protestieren, schließlich protestiert selbst die
Akademie. Die Regierung steckt ein paar
Pflöcke zurück, ob auf die Dauer oder nur zum
Schein, ist noch ungewiß: in allen wesentlichen
Punkten herrsche Übereinstimmung, woran kei-
ner glaubt. Der Kampf tobt weiter.

Die Abneigung gegen die Akademien ist in
dieser Schärfe etwa ein halb Jahrhundert alt
und in Berlin zur Zeit A. von Werners ja ganz
besonders herb gewesen. Inzwischen ist auch
hier manches anders geworden, trotz einiger
abschnittreifer Zöpfe, die noch heute herum-
baumeln , für die aber ein paar Schnitte ge-

nügen würden. Die Frage lautet aber im Grunde
ganz anders; es ist gut, daß sie wieder einmal
gestellt wird. Sie heißt: ist es überhaupt wün-
schenswert, daß Bilder gemalt und Statuen aus-
gehauen werden? Nun, es leben ja viele Tau-
sende ohne diese Dinge. Die Hochschule stellt
natürlich die Gegenfrage: ist es notwendig, daß
Kasten belackt und Tapeten mit expressioni-
stischen Schnörkeln bedruckt werden? Auf
diesem Wege kommt man also nicht weiter.

In der Lokalfrage, die das Ministerium so
auffällig und fast ausschließlich in den Vorder-
grund schob, hat die Schülerschaft der Hoch-
schule den einzig sinnvollen Vorschlag gemacht:
die Architektur-Abteilung der Technischen
Hochschule, die dort an Raummangel leidet, in
die leerstehenden und freiwerdenden Teile der
Hochschule, auch in die große Aula einzuquar-
tieren (statt in ein abscheuliches Gebäude der
Nachbarschaft, wo die Schüler täglich nur vor
sich sähen, wie man's nicht machen soll!) und
so endlich die organische Verbindung der bil-
denden Künste unter einem Dach zu vollziehn.
Eine Schülerschaft, die so klar sieht und so
gesund empfindet, gibt allerhand Hoffnung für
die Zukunft. Sollte man ihnen nicht einen
Wunsch erfüllen, über dessen Nützlichkeit alle
Parteien von links bis rechts einig sind?

Zu fürchten steht, daß man in die Streitig-
keiten über Kunsterziehung hineingerät und
 
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